Hamburg . Exklusiver Blick in die Bibliothek des noch nicht eröffneten Hauses an der Außenalster. Welche Themen bei Lesern beliebt sind.

Wie man das runde Ledersitzmöbel im Zentrum wohl nennt? Da stutzen auch Marina Krauth und die freundliche Pressedame des Hotels. „Hocker“ wäre natürlich viel zu läppisch. Pouffe? Lehnenfreies Rundsofa? Stylische Lümmellandschaft? Bewahre. Bequemer sind ohnehin die Lehnstühle, die sich locker darum gruppieren – und entscheidender ist das, was sich in den maßangefertigten Regalmetern dahinter befindet.

Mehr als 1000 Bücher hat die von Marina Krauth geleitete Traditionsbuchhandlung Felix Jud für die Bibliothek des neuen Hamburger Pracht­hotels The Fontenay ausgesucht. Mehr als 1000 (in den Suiten noch einmal je nach Zimmergröße acht bis 36) aus fast allen Genres – Belletristik und Krimis, Coffeetable-Books und Hamburg-Spezifisches, Lyrik und Klassiker der Welt­literatur.

Oscar Wilde, Jane Austen, Goethe und Herrndorf

Da steht Herrndorfs „Tschick“ neben einem Houellebecq, auf Kniehöhe finden sich Gedichte von Goethe und zweimal Thomas Mann („Buddenbrooks“ und „Der Zauberberg“), weiter oben eine „Kaffee-Bibel“, ein Band mit dem optimistisch-programmatischen Titel „GLÜCK“ und ein Fotobuch von F.C. Gundlach. Charles Dickens, Oscar Wilde und Jane Austen gibt es im von Penguin schön gestalteten Original, außerdem eine Auswahl aus dem Bereich Bestseller der letzten Jahre und Monate: alle vier Meyerhoffs, Ferrante (noch ohne aktuelle Fortsetzung), Kehlmanns „Tyll“. Thematisch gruppiert, innerhalb der Gebiete alphabetisch sortiert.

Der Raum, er geht von der zentralen Atrium-Lounge ab und teilt sich den Kamin mit der benachbarten Bar, biete „so eine Art Wellness für den Kopf“, sagt Marina Krauth und lächelt. „Eine Bibliothek in einem Hotel, das ist für mich Luxus.“ Tatsächlich ist eine Hotelbibliothek auch für hochklassige Häuser keine Selbstverständlichkeit. Ein zusätzlicher Raum ohne kommerziellen Nutzen, nur zum Lesen? Das ist im bayerischen Schloss Elmau oder im Waldhaus in Sils Maria wunderschön gelungen, und das leistet sich in Hamburg neben dem Fontenay noch das Louis C. Jacob und natürlich das Literaturhotel Wedina.

Bücher als Statussymbol

Aber weder Atlantic noch Vier Jahreszeiten haben eine eigene Bibliothek. „Was sind eigentlich heutzutage Statussymbole?“ hat sich Marina Krauth also gefragt, als sie die Fontenay-Anfrage erhielt. „Ein Auto ist nicht mehr so wichtig. Die Auseinandersetzung mit Kultur schon – und da passt eben eine Bibliothek.“

„Wir haben von Beginn an mit einer Bibliothek geplant“, sagt Hotel-Direktor Thies Sponholz. Die altehrwürdige Buchhandlung Felix Jud hatte schon Klaus-Michael Kühnes „Castillo Son Claret“ auf Mallorca mit Lesestoff versorgt, da lag es nahe, dass die Zusammenarbeit für sein Prestigeobjekt in Hamburg fortgesetzt wird. Zumal das Team von Marina Krauth immer mal wieder mit dem Thema befasst ist: „Wir richten gelegentlich auch Privatbibliotheken ein“, erzählt die Buchhändlerin. Wer diese Kunden sind? Da ist man diskret. Sammler zum Beispiel, Liebhaber seltener Ausgaben. In einem Hotel dagegen müsse „thematisch möglichst weit gestreut werden“. „Garten“ und „Reisen“, das seien Gebiete von großem Interesse. Was Kühne privat lese, wisse sie leider nicht, sagt Marina Krauth bedauernd. Aber natürlich gibt es im Hotel des HSV-Mäzens nun Sport-Bücher – ein Thema, das bei Felix Jud am Neuen Wall sonst kaum nachgefragt wird.

Pragmatischer, dünkelfreier Zugang

Einen besonderen, gar ausgefallenen Literaturbedarf hätten die meisten Hotelgäste gar nicht, erklärt Elke Heidenreich. Die Autorin und frühere Moderatorin der ZDF-Sendung „Lesen!“ kennt sich aus, sie hat im 2006 eröffneten Hotel Budersand auf Sylt die dortige Bibliothek bestückt. Zunächst rund 1000 Bücher wählte sie aus, aufgestockt wird regelmäßig. Klassik, Moderne, alles dabei, sagt Heidenreich: „Ausgewählt nach den Kriterien: gute Geschichte, gut erzählt.“ Die Mischung müsse sinnvoll sein, es gehe schließlich schlicht darum, bei Regen oder Langeweile etwas Spannendes zu lesen. „Für Kinder ,Dr. Dolit­tle‘, für Frauen Dorothy Parker, für Männer Hemingway und für alle die einfach guten, verständlichen Philosophiebücher von Richard David Precht.“ Im Budersand findet sich zudem ein Extra-Regal mit Krimis. Die allerdings suche jemand anderes für sie aus, gesteht Heidenreich. „Ich verabscheue Krimis. Es ist genug Blut und Mord in der Welt, ich brauch das nicht auch noch zur Unterhaltung.“

„Da sind wir nicht so streng“, lacht Marina Krauth. Im Fontenay stehen die Kriminalromane mittenmang in der Belletristik. Ein pragmatischer Zugang, dünkelfrei sowieso. „So unterschiedlich wie die Menschen sind ja auch die Vorlieben für Bücher.“ Auch einen John Grisham hat Marina Krauth ausgewählt, dies allerdings ist durchaus eine Entscheidung mit Hintersinn: In Grishams „Das Original“ geht es um einen kriminellen Buchhändler. „Das hat mir gefallen.“

Eröffnung wohl im März

Noch wird an der Außenalster letzte Hand angelegt, einen offiziellen Eröffnungstermin nennt das Hotel, das seinen Start bereits mehrmals verschob, nicht. März ist wahrscheinlich. Die Bibliothek als Rückzugsort, in dem neben den Büchern auch großformatige Wattenmeer-Abzüge der Fotokünstlerin Jaschi Klein für „Wellness im Kopf“ sorgen sollen, ist jedoch weitgehend komplett. „Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn irgendwann die Hamburger der Nachbarschaft vorbeikämen, um hier zu lesen und dazu einen Rotwein oder einen Tee zu trinken“, sagt Direktor Sponholz. Am Lesefutter jedenfalls sollte das nicht scheitern. Nur Vicky Baums naheliegenden Roman „Menschen im Hotel“ wird man vergeblich suchen. „Darüber hatten wir zwar nachgedacht“, sagt Marina Krauth, „wir haben uns stattdessen für einen neuen Hotelroman entschieden: ,Ein Gentleman in Moskau‘ von Amor Towles.“

Und während im Wedina in St. Georg ausschließlich von Autoren handsignierte Werke gesammelt werden, die nach einer Hamburg-Lesung dort übernachtet haben, stehen im Fontenay bewusst keine Unikate oder wertvollen Erstausgaben. Es wäre zu riskant, deutet Thies Sponholz an: „Wir gehen schon davon aus, dass ein Gast – bewusst oder unbewusst – auch mal ein Buch einsteckt.“

Shuttle zur Buchhandlung Jud

Der Manager lächelt und zuckt gelassen mit den Schultern. Zum Einstecken eingeladen wird hier natürlich nicht, damit gerechnet durchaus. Und sollte ein Gast beim Auschecken weder mit dem hoteleigenen Bademantel noch mit einem angelesenen Schmöker erwischt werden wollen, organisiert das Fontenay einen Tür-zu-Tür-Shuttle zur Buchhandlung Felix Jud. Wer nur ein, zwei Nächte in Hamburg bleibt, wird Paul Austers umfangreiches „4321“ in dieser Zeit schließlich kaum schaffen.