Hamburg. Der Chef der 25hours-Hotelgruppe schenkt dem Stadtteil einen Mann für alle Fälle. Start der weltweiten Expansion seines Unternehmens.
Bald gibt es einen Grund, in die HafenCity zu ziehen, und der hat ausnahmsweise nichts mit der Elbphilharmonie zu tun. Sondern mit Hemden, Hunden und Hilfe allgemein. Sie schaffen es nicht, Ihre Wäsche für die Reinigung zu den Öffnungszeiten abzugeben? Kein Problem. Sie sind im Urlaub und brauchen jemanden, der Ihre Tiere füttert oder die Blumen gießt? Wird erledigt. Sie müssen Ihren Hausschlüssel für jemand anderen hinterlegen, brauchen Tickets für ein Konzert, wollen Ihr Rad reparieren lassen?
Wenden Sie sich künftig einfach an den Concierge des 25hours Hotels HafenCity, er wird diese Aufgaben für Sie erledigen. Sie müssen dafür kein Hotelgast sein, es reicht, in der Nähe zu wohnen, und bezahlen müssen Sie diesen Service auch nicht. Ausgenommen natürlich die Reinigungskosten für die Blusen oder das Futter für die Katze, aber die Dienstleistung an sich geht aufs Haus. Warum? Weil Christoph Hoffmann es sich so ausgedacht hat. Der Geschäftsführer der Hotelgruppe mit der Extrastunde im Namen möchte die Nachbarschaft in der HafenCity stärken, die Sterilität des Stadtteils aufbrechen und Kommunikation anstelle von Anonymität herstellen. „Ein zweites Zuhause für die Hamburger zu sein, nicht nur für Touristen, das ist meine Vision“, sagt Hoffmann.
Geld verdienen mit Menschlichkeit?
Wo bei diesem netten Gedanken denn die Wirtschaftlichkeit bleibe?, fragt sich nicht nur der Finanzchef der Gruppe. Ob die Mehrkosten durch einen Kaffee, den die Blusenabholerin und der Hundehalter dann vielleicht noch im Hotel trinken, ausgeglichen werden? Wohl kaum. Zumal es die Stelle des Concierge bislang noch gar nicht gibt. Er wird neu eingestellt und bekommt neben einer ausgefallenen Uniform auch eine eigene Loge. Muss natürlich noch gebaut werden, sowieso werden der komplette Eingangsbereich des Hotels und das Restaurant Heimat spätestens zum Sommer umgestaltet. Eine Investition in die Offenheit, in die Freundlichkeit. Aber wer hat jemals mit Mitmenschlichkeit Geld verdient? Selbst das Erzbistum will Schulen schließen. „Darum geht es nicht“ sagt Hoffmann. „Wir sehen die Residenten der HafenCity als Teil unserer 25-Familie. Und mit dem Nachbarschaftsgedanken unterscheiden wir uns von den anderen.“
Das Anderssein begründete den Erfolg der 2005 gegründeten Hamburger Firma. Während andere Hotelmarken auf Einheitlichkeit zielen, setzt 25hours auf Individualität. Kein Haus gleicht dem anderen, außer im Anspruch, ein Kommunikationszentrum für urbane, weltoffene Gäste zu sein. Somit stellt der Concierge 2.0 nur eine konsequente Weiterentwicklung des Besonderen dar.
Wird die Idee in der HafenCity gut aufgenommen, bekommen auch die anderen Hotels der Gruppe ihren eigenen Mann oder ihre eigene Frau für alle Fälle. Egal, was die Excel-Tabellen sagen. Was Rot auf dem Papier erscheint, kann Gold in der Realität sein. BWLer brechen bei diesem Ansatz lachend zusammen, doch sie kennen eben nicht Hoffmann. Wer ihn zum ersten Mal sieht, wird denken: Mensch, kann der sich nicht mal vernünftig anziehen? Kapuzenpulli zur Cargohose, dicke Boots und wilde Locken. Ein Rockstar auf dem Weg nach oben (oder unten, jedenfalls nicht auf dem Höhepunkt seines Erfolgs), als ein solcher könnte Hoffmann durchgehen. Doch als CEO einer Firma, die 2018 expandiert wie nie zuvor und um die sich momentan die ganz Großen reißen?
Im Geben liegt die Macht
AccorHotels hat sich bereits 30 Prozent der Anteile gesichert und will mehr (siehe Kasten), doch bis voraussichtlich 2023 bleibt Hoffmann „auf dem Fahrersitz“, wie er sein Chefsein umschreibt. Es gilt, die Identität der Marke zu schützen, die sich weltweit mit einem Tempo ähnlich dem eines Aufschlags von Roger Federer ausbreitet. Bumm! In diesem Jahr eröffnen Hotels in Paris, Düsseldorf und Köln, weitere Projekte in Dubai und in Florenz befinden sich im Bau. Bumm! Miami, L.A., London, São Paulo und Melbourne könnten folgen. 50 Hotels weltweit plant das Unternehmen irgendwann zu führen, drei Neueröffnungen pro Jahr sind anvisiert.
Doch mal abwarten, was Hoffmanns Bauch vor Ort so sagt. Denn letztendlich lässt er sein Gefühl entscheiden, ob aus einem 0815-Objekt eine 25 wird oder nicht. Während Immobilien-Experten
(„die dunkle Seite der Macht“) berechnen, wie viele Zimmer sie in ein Gebäude quetschen können, stellt sich der 53-Jährige vor ein Gebäude und fragt sich, wie es ihm an diesem Ort geht. Coole Straße? Interessante Gegend? Wie ist die Stimmung, und was ist das für ein Eigentümer? Auch ganz wichtig für Hoffmann: „Ich arbeite ungern mit Menschen, die unsere Ideologie nicht lieben.“
Seine Großzügigkeit und sein lustiger Look machen es einem leicht, Hoffmann zu mögen. Geht man mit ihm in ein Hamburger Restaurant, gibt er anschließend so viel Trinkgeld, dass die Bedienung mit großen Augen kurz nachhakt, ob sie richtig verstanden habe. Dabei war sie katastrophal schlecht. Hoffmann wollte ein Gericht von der Abendkarte. „Die geht erst ab 18 Uhr“, sagte sie zickig. Es war 17.43 Uhr. Er wünschte seine Merguez ohne Brot, die Würstchen kamen aber im Brot, sodass er sie herausoperieren musste und um eine Serviette bat. Augenrollen seitens der Kellnerin. Lächeln von Hoffmann. Im Geben liegt die Macht. Der Mann aus Winterhude beherrscht die hohe Kunst der Freigebigkeit.
Ein Büro, das aussieht wie ein Café
Sein Büro im denkmalgeschützten Zollhaus in der HafenCity teilt er sich mit fünf anderen, sein Platz liegt ungünstig direkt vor der Tür. Keinem Praktikanten wäre das gut genug, aber Hoffmann hat kein Interesse an Status. Design hingegen, das weckt seine Leidenschaft, da bastelt der Hotelier gerne an jedem Detail. Weil Unternehmenskultur seiner Meinung nach stark mit einem Ort verbunden ist, hat er das Hauptquartier seiner Firma aufwendig renovieren lassen. Von außen sieht es so einladend aus, dass Spaziergänger manchmal reinkommen und einen Kaffee trinken wollen. „Sorry, das hier ist ein Büro, sieht nur aus wie ein Café“, erklären die Mitarbeiter dann.
Im Erdgeschoss sind zwei Räume mit Möbeln und Dokumenten des „Spiegel“-Gründers Rudolf Augstein dekoriert, etwa einem aus seinem Büro stammenden Sofa oder Briefen von Augstein an den Ministerpräsidenten: „Sehr geehrter Herr Strauß, aus der Fürsorgeabteilung meines kleinen Hauses werde ich darauf hingewiesen, dass ein ‚alter Mitarbeiter‘ krank darniederliegt. Wie Sie ahnen, wünsche ich Ihnen nichts weniger als eine Minderung ihrer brachialen und auch Ihrer sonstigen physischen Kräfte. So darf ich Ihnen ein Buch zur Ermunterung schicken, dessen geistige Frucht so leicht ist, dass es in Ihrer Hand nicht zu schwer wiegen wird.“
Humor und Augenzwinkern spielen große Rolle
Humor und Augenzwinkern spielen in Hoffmanns Imperium eine große Rolle. Er hat diesen Raum mit dem Spiegel-Inventar „die grüne Hölle“ genannt, so hieß Augsteins Büro bei seinen Angestellten. Leicht auszumalen, wie gerne sich die Journalisten in diese Grillstube begaben. In Hoffmanns Büro hingegen geht man mit großem Vergnügen, es bringt nur nichts, weil man außer einem Lineal und einem alten Schoko-Bons auf dem Schreibtisch nichts und niemanden vorfindet.
Hoffmann ist 250 Tage im Jahr auf Reisen, eine echte Herausforderung bei seiner Flugangst. Er hat sich mal im Lanserhof hypnotisieren lassen, seitdem geht es besser, aber es muss immer noch unbedingt ein Fensterplatz und eine bestimmte Airline sein. Flüge über den Pazifik oder nachts über den Kongo sind eine Strapaze, und Gewitter stellen eine echte Mutprobe dar. Hoffmann zeigt auf seinem Handy eine App für Turbulenzen, sein wichtigstes Reiseutensil. Dicht gefolgt von der Heimat, die er überall mit hin schleppt: „Ich komme aus der schwäbischen Provinz, fernab von jedem Schnöseltum.“
Sich nicht so wichtig nehmen, entspannt sein, das versucht der Wahlhamburger nun der Welt beizubringen. Eine Delegation aus Dubai ist eigens angereist, um mit dem 25hours-Geschäftsführer Tipps für den Mittleren Osten zu erarbeiten. Bei Fritz Limonade und Macarons stehen Frauen in Kopftüchern neben Männern in Anzügen, dazwischen Hoffmann, der ihnen erklärt, wie der Hase läuft. Fast wird man ein bisschen stolz, wenn man mit Blick auf das Rathaus die Dubai-Gang aus Architekten, Designern und Rechnern dabei beobachtet, wie sie versuchen, seine Mission zu begreifen.
Nein, eine Präsidentensuite wird es nicht geben, sagt er, wir wollen keine Präsidenten. Weg mit dem steifen Luxus. Stell da doch einen Billardtisch rein. Wieso baut ihr die Küche nicht mitten in den Raum, dann bekommt ihr eine Lagerfeuer-Stimmung? Lass uns eine Bibliothek bauen, aus der jeder Bücher kostenlos mitnehmen kann. Was haltet ihr von Zapfanlagen für Craft-Bier und E-Bikes auf dem Zimmer, die jeder benutzen kann? „In Dubai?“, fragt ein Typ, der garantiert eine ausgezeichnete Businessschool besuchte.
Hoffmann lächelt. Er erwartet nicht, dass alle seine Ideen zu Gold werten. Manche bleiben rote Zahlen. Und manchmal kommt es auch zu Katastrophen, Hoffmann plant sie stets mit ein, auf lässige Art und Weise: „Wenn du so viel Holz hackst, dann geht auch mal was schief.“