Hamburg. Neue Romane von Martin Walser, Toni Morrison und Haruki Murakami. Für Fans von Elena Ferrante gibt es sogar gleich zwei neue Titel.
Die literarische Frühsaison des Jahres 2018 ist in mancherlei Hinsicht ein Abbild derjenigen von 2017: Angekündigt ist wieder ein neuer Roman von Martin Walser, des großen deutschen Autors also, dessen Schreiblust auch im 91. Jahr nicht versiegt ist: „Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte“ heißt der neue Roman, und allein das klingt doch schon sehr nach Walser. Dieser neue Roman verspricht einen weiteren Ausflug in Walsers Spezialgebiet, die Alterserotik. Die Frage, mit der sich der Romanheld Justus Mall beschäftigt, ist so schlecht nicht gestellt, sie lautet: Ist es vielleicht leichter, keine Frau zu haben als nur eine?
Apropos Frauen: Wie im Vorjahr erscheint ein Band der italienischen Saga Elena Ferrantes, und Hardcore-Fans der so unterschiedlichen genialen Freundinnen Elena und Lila müssen aber eines ertragen: „Die Geschichte des verlorenen Kindes“ ist als vierter Band nun auch der letzte. Aber: Es gibt auch ein Leben ohne Ferrante – man kann ja auch mal wieder etwas anderes lesen.
Neuer Murakami-Roman in zwei Portionen
Und außerdem gibt es im Juni schon eine Art Nachklapp. „Frantumaglia: Mein geschriebenes Leben“ ist, so erklärt Ferrantes deutscher Verlag Suhrkamp, das „lebhafte Selbstporträt einer außergewöhnlichen Autorin“. Und dieses verspricht spannend zu werden – insbesondere hinsichtlich der Frage, wie eine im Biografischen sonst sehr ungefähr bleibende Autorin, die bekanntlich unter Pseudonym schreibt, etwas von sich verrät, ohne sich zu verraten.
Für Freundinnen und Freunde des Seriellen gibt es übrigens ein neues Suchtmittel: Virginie Despentes’ Vernon-Subutex-Reihe. Dieser sich weit öffnende Panoramablick über die französische Gesellschaft hat unlängst auch viele deutsche Leser angefixt. Im Februar erscheint der zweite Teil – wir sind gespannt, wie es mit dem abgewrackten ehemaligen Schallplattenverkäufer Vernon weitergeht. Wird ihn die Pariser Damenwelt einmal mehr durchfüttern?
Gruselige Parallelwelten
Weil Haruki Murakami, der japanische Meistersurrealist, die Angewohnheit hat, seine dezent gruseligen Parallelwelten neuerdings immer im episch sehr langen Atem auszuhauchen (und vielleicht auch aufgrund ökonomischer Überlegungen), veröffentlicht sein deutscher Verlag Dumont Murakamis neuen Roman „Die Ermordung des Commendatore“ in zwei Lieferungen, nämlich Ende Januar und Mitte April.
Weitere hochklassige internationale Literatur versprechen die Nobelpreisträger Toni Morrison („Die Herkunft der anderen. Über Rasse, Rassismus und Literatur“, März) und J. M. Coetzee („Die Schulzeit Jesu“, Februar), Richard Russo („Immergleiche Wege“, Mai) sowie der Gewinner der französischen Renommierauszeichnung Prix Goncourt 2017, Eric Vuillard („Tagesordnung“, März), der sich in seinem Roman dem Aufstieg des Nationalsozialismus auf den Schultern der Großindustrie widmet.
Weitere namhafte deutschsprachige Autoren
Neben dem bereits genannten Martin Walser stehen weitere namhafte deutschsprachige Autoren auf dem 2018er-Frühjahrsprogramm. Zum Beispiel Bernhard Schlink, dessen geschichtstiefer neuer Roman „Olga“ heißt und am 12. Januar in den Buchhandlungen zu haben ist. Schlink liest am 24. April in den Kammerspielen.
Historisches Interesse bedient auch der Österreicher Arno Geiger, dessen Roman „Unter der Drachenwand“ vom Jahr 1944 handelt, also vom Krieg, den schlimmen Befürchtungen und den großen Hoffnungen. Geigers Landsmann, der in Hamburg lebende Norbert Gstrein, erzählt in „Die kommenden Jahre“ von einem Paar in den mittleren – und den Auf- und Ausbrüchen, die beide zu unternehmen versuchen. Geiger liest am 31. Januar im Literaturhaus, Gstrein am 28. Februar.
Lesungen im Literaturhaus
Das letzte Buch des 2017 gestorbenen Peter Härtling trägt den Titel „Der Gedankenspieler“ und erscheint im März – eine Auseinandersetzung mit dem Alter, literarisch gestaltet in Romanform. Jan Böttcher erweitert mit seinem in Norddeutschland angesiedelten Roman „Das Kaff“ (März) die zuletzt virulente Dorfliteratur, und für den Mai ist ein neuer, im Schleswig-Holstein der letzten Kriegstage 1945 spielender Roman von Ralf Rothmann angekündigt. Der Autor stellt „Der Gott jenes Sommers“ am 22. Mai im Literaturhaus vor.
Dort gastieren ebenfalls in den kommenden Monaten Peter Stamm („Die sanfte Gleichmütigkeit der Welt“, Februar, Lesung am 3. April) und Klaus Modick („Keyserlings Geheimnis“, März, Lesung am 22. März). Damit Hamburg wieder ein Literaturfestival im April hat, hat Literaturhaus-Chef Rainer Moritz mit seinem Team zuletzt „High Voltage“ aus der Taufe gehoben. Die zweite Ausgabe (18.–24. April) ist glänzend besetzt und wartet mit einem Fußballabend (es ist WM-Jahr!), Andreas Maier, Felicitas Hoppe und einem Laurence-Sterne-Abend auf.
Große Knalleffekte fehlen
Zu den Hamburgensien: Kristine Bilkau, deren Debüt „Die Glücklichen“ vor zwei Jahren gefeiert wurde, legt mit „Eine Liebe, in Gedanken“ (März) einen neuen Roman vor (Lesung im Literaturhaus am 13. März). Gleiches gilt für die in Hamburg geborene Berlinerin Svenja Leiber, sie erzählt in „Staub“ (März) vom Nahen Osten und dem traumatischen Verschwinden von kleinen Kindern. Verena Carl reist dagegen mit ihren Hauptfiguren nach Italien: In „Die Lichter unter uns“ (April) hat eine Ehefrau und Mutter eine verhängnisvolle Begegnung; verhängnisvolle Begegnungen, wer wüsste es nicht, sind das Salz in der literarischen Buchstabensuppe.
Insgesamt lässt sich das Literaturjahr – mit neuen Büchern unter anderem auch von André Kubizek, Rachel Cusk, Alexander Schimmelbusch, Angelika Klüssendorf, Nina George und Joshua Cohen – ganz ordentlich an, auch wenn sicherlich die ganz großen Knalleffekte fehlen. Oder eben nicht, denn wer weiß schon, welche literarischen Schmuckstücke von Autoren, die man noch gar nicht kennt, sich in den Verlagsprogrammen verstecken.