Hamburg. Das Trio von Deine Freunde über die Entstehung seiner Songs, verloren gegangen Kinder auf Konzerten und kritische Stimmen.
Beim Interview mit Florian „Flo“ Sump, Markus Pauli, der nur beim Nachnamen genannt wird, und Lukas Nimscheck wird viel gelacht. Sie sind aber nicht nur äußerst unterhaltsame, sondern auch kritische Zeitgenossen. Bestens gelaunt erzählt das Trio, das zusammen die Band „Deine Freunde“ ergibt, in seiner Schaltzentrale auf St. Pauli von seinem vierten Album „Keine Märchen“. Mit ihrem Hip-Hop für Kinder füllen die drei landauf, landab die Konzerthallen. Doch Hits wie „Deine Mudder“ oder „Schokolade“ hören längst nicht mehr nur die kleinen Fans. Vielmehr liefern Deine Freunde einen coolen Soundtrack für die ganze Familie. Die Erwachsenen freuen sich über Hip-Hop-Querverweise, wenn etwa aus dem Salt-‘n‘-Pepa-Klassiker „Push It“ bequeme Puschen werden. Und generationenübergreifend lassen „Star Wars“-Anleihen die Herzen höherschlagen.
Mit dem Song „Keine Märchen“ nehmt ihr augenzwinkernd deren Brutalität aufs Korn. Welche Geschichten haben euch als Kinder beeindruckt oder auch verschreckt?
Lukas: Ich habe viele russische Märchen vorgelesen bekommen, weil ich ja aus Ostberlin komme – zum Beispiel „Die schöne Warwara“. Mein allerliebstes Märchen ist aber das über Falada. Es geht um eine Prinzessin, die entführt wird und als Magd in einem fremden Königreich gehalten. Der Kopf ihres Pferdes Falada wird abgeschlagen und ans Stadttor gehängt. Wenn sie vorbeiläuft, weint der Pferdekopf.
Da ist „Game of Thrones“ nichts dagegen.
Pauli: Ja! Schau dir doch den Struwwelpeter von Wilhelm Busch an, den fand ich ganz schlimm.
Flo: Ich fand Märchen cool. Aber Rumpelstilzchen mit seinem „Gib mir dein Erstgeborenes“ – gruselig! Mit unserem Lied wollen wir sagen: Wir mögen Märchen, aber wir brauchen das Happy End, damit nicht alles furchtbar ist. Es ist ja auch erstaunlich: Einerseits passen heutzutage alle total auf, was man den Kindern vorsetzt, damit die jungen Köpfe ja nicht vergiftet werden, andererseits bekommen die Kleinen kompromisslos die härtesten Märchen vorgelesen.
Mit euren Songs erzählt ihr eigene Geschichten. Wie kommt ihr auf neue Themen – schlagen die Kinder selbst was vor?
Lukas: Das sind wenn eher die Muttis. Zum Beispiel: Macht doch mal ein Lied übers Zähneputzen! Ein Vatersong steht auch noch aus. Aber wir wählen nicht nach Kalkül. Und wir schleichen auch nicht herum und lauschen auf Schulhöfen. Wir haben Listen in unseren Handys, wo wir Einfälle notieren. Und dann entstehen Themen auch einfach aus dem Sound heraus.
Und so kommt dann auch ein Special-Interest-Song wie über die Fontanelle zustande?
Flo: Ja, genau. Ich habe selbst zwei Kinder, das jüngste ist gerade erst ein paar Wochen alt. Und bei Babys gibt es eben diese weiche Stelle am Kopf.
Lukas: Wir fanden das megalustig.
Flo: Darf ich anmerken, dass ich euch circa viermal überreden musste, das Lied zu machen?
Lukas: Okay, okay. Aber das Interesse überwog. Wer keine Kinder hat, kennt die Fontanelle nicht. Und Kinder schon mal gar nicht, weil die schon zugewachsen ist, wenn die alt genug sind, um zu checken, was das ist.
Flo: Wir halten die Fahne hoch für die Fontanelle. Sie ist das Erste, wovon wir uns verabschieden müssen, bevor wir richtig denken können.
Wie sieht es bei euch eigentlich mit der Rollenverteilung aus? Nach außen hin, auf Konzerten, ist das ja relativ klar: Flo ist der Freche, Pauli der coole Typ im Hintergrund und Lukas eher der Nette, Niedliche. Aber intern?
Flo: Ich bin der Bad Guy? Toll!
Pauli: Ich bin die Schweiz.
Lukas: Die meisten Texte sind von Flo. Ich kann Klavier spielen, denke mir Melodien aus. Pauli ist der Superprofi, der arrangiert und produziert. Aber wir grätschen auch immer in die Bereiche der anderen.
Habt ihr den Eindruck, dass ihr, weil ihr Musik für Kinder und Eltern macht, eine Verantwortung habt, was Texte angeht, auch in Bezug auf Werbepartner?
Flo: Klar, in Sachen Werbung gibt es ein paar kritische Stimmen. Aber das sind dieselben, die sagen: Ich fand euch früher cool, als ihr noch vor 150 Leuten gespielt habt – und jetzt seid ihr so groß geworden. Ja, sorry, dass wir jetzt davon leben können. Wir machen uns aber sehr viele Gedanken dazu, welche Anfragen wir annehmen, haben auch schon Angebote abgelehnt.
Als Nächstes geht es in die Sporthalle. Wie groß kann denn der Kinder-Moshpit werden, also der Bereich vor der Bühne, bei dem Eltern keinen Zutritt haben?
Pauli: Die Sporthalle werden wir nicht in normal großer Ausverkauftsituation von 7000 Besuchern bespielen.
Flo: Obwohl wir’s könnten!
Pauli: Wir bespielen sie mit gut 4000 Leuten – in etwa Stadtparkgröße.
Lukas: Die Sporthalle haben wir uns bewusst ausgesucht. Wegen der Übersichtlichkeit. Die Eltern können auf den Rängen sitzen und ihre Kinder die ganze Zeit im Auge behalten.
Wie viele Kinder gehen denn pro Konzert kurzzeitig verloren?
Flo: 60.
Pauli: Nee, nur in Köln waren das so übertrieben viele.
Lukas: Zum Glück ist noch nie etwas so richtig schiefgelaufen.
Mehrere Stücke handeln davon, dass Kinder auch mal schlecht drauf sein dürfen oder Mecker kriegen.
Flo: Wir verstehen uns nicht als Anwälte der Kinder, aber es ist unsere Überzeugung, dass es okay ist, mal Dampf abzulassen. Spätestens, wenn Kinder in die Schule kommen, nimmt der Druck zu. Deshalb stehen wir dahinter, dass man nicht immer funktionieren muss. Uns geht es darum, Dinge anzusprechen und durch die humorvolle Brille zu sehen.
Album: Deine Freunde: „Keine Märchen“ (Universal), Konzert: 4.3.18, Sporthalle Hamburg, Karten zu 27,50 (Erwachsene)/23,- (Kinder) im Vvk.; deinefreunde.info