Hamburg. In der Elbphilharmonie hatte Eötvös’ „Multiversum“ Uraufführung. Eötvös hatte die Instrumente räumlich getrennt.

Genau für solche Konstellationen ist der Große Saal der Elbphilharmonie gedacht, gebaut worden und bestens geeignet: frischeste Musik aus diesem Jahrhundert, mit ungewöhnlichen räumlichen Konzepten (hier: drastisch umsortierte Besetzung mit Konzertorgel und Hammondorgel als Klangpaletten-Bonus). Und mit einem grandiosen Orchester, für das diese Aufgabenstellung kein Problem ist, sondern eine lockende Herausforderung.

Das Concertgebouw Orchestra aus Amsterdam, dort beheimatet in einem der besten Säle der Welt, fehlte bislang in der Sammlung der Stargäste im Hamburger Neubau. Deswegen war die Uraufführung von „Multiversum“, eine Auftragsarbeit von und mit dem derzeitigen Residenzkünstler Péter Eötvös, als nächster spektakulärer Avantgarde-Lackmustext für den Neubau genau das Richtige. Bestanden wurde er von den Überflieger-Holländern mit bestechender Bravour und hoch konzentrierter Lässigkeit.

Vor allem Special Effect

Gleich zehn europäische Konzerthäuser hatten sich den Auftrag an Eötvös geteilt, das Recht der ersten Nacht ging an Hamburg. Ergebnis: ein Werk, das vor allem Special Effect war und bot. Unablässig werkelte und schillerte es sphärisch in diesem Puzzle aus Klangeindrücken, mit seinem leichten Stich ins Spektakelige mal an die religiös entrückte Ekstase Messiaens erinnernd, mal an die privatkosmologischen All-Ausflüge von Eötvös’ frühem Weggefährten Stockhausen.

Eötvös hatte die Holz- und die Blechbläser, die Schlagwerker und die Streicher räumlich getrennt und von ihren Bühnen-Stammplätzen verrückt, um klar erkennbare Paralleluniversen zu erschaffen, in denen sich immer wieder einzelne Welten aus Musik bildeten, um wenige Momente später in Stille oder Klangnebeln zu verglühen.

Lässig-warm blubbernder Sound

Neben dem Dirigentenpult standen als sehr gemischtes, harmonisch sich vertragendes Doppel der Spieltisch für die Klais-Orgel, an dem Iveta Apkalna im Dauereinsatz war, gekontert mit dem lässig-warm blubbernden Sound einer guten alten Hammondorgel, wie man ihn von guten alten Blue-Note-Alben kennt, gespielt von Laszlo Fassang. Und in der Mitte, mit sparsam effektiven Gesten, Eötvös selbst, routiniert und unaufgeregt. Großes Kino für die Ohren jedenfalls.

Vor der Premiere standen drei Klassiker der Moderne auf dem Programm, deren gemeinsamer Nenner daraus bestand, dass sie in den Händen von mittelprächtigen Orchestern kaum aufblühen. Schönbergs „Begleitmusik für eine Lichtspielszene“ und Strawinskys „Sinfonie in drei Sätzen“ als zwei Orchester-Etüden, die das Kopfkino des Hörers intellektuell reizen sollen. Bartóks Tanzsuite Sz 77 dagegen war für den Ungar Eötvös ein Heimspiel; Musik, deren rustikales, aus der Volksmusik kommendes Ausgangsmaterial von den Amsterdamern fein hochglanzpoliert wurde.