Hamburg. Beeindruckende Doppelschau mit den Aufnahmen der beiden Magnum-Fotografen Peter Bialobrzeski und Alec Soth.

Zwei international renommierte Dokumentarfotografen würdigt das Haus der Photographie in den Deichtorhallen mit einer Doppelausstellung: den Deutschen Peter Bialobrzeski und den Amerikaner Alec Soth. Sie beide wurden 2004 mit ihren Fotoserien bekannt. Am Donnerstag wurde die Doppelschau eröffnet, im Laufe des Herbstes kommen beide Fotografen zum Künstlergespräch nach Hamburg.

Die Ausstellungen

Obgleich Peter Bialobrzeski und Alec Soth auf den ersten Blick sehr unterschiedlich sind, verbindet sie das Interesse an „sozialen Landschaften“, also Gegenden, die stark durch die Verhältnisse der Menschen geprägt sind, die in ihnen leben. Für den hässlichen Teil deutscher Provinzstädte, deren Kriegswunden in den 1950er- bis 1970er-Jahren mit architektonischen Scheußlichkeiten geschlossen wurden, interessiert sich Peter Bialobrzeski seit vielen Jahren. Es sind anti-ästhetische, oft identitätslos wirkende Un-Orte, von denen der Fotograf sorgsam konstruierte Ausschnitte heraussucht, die Bruchstellen sichtbar machen. Die Ausstellung seiner Fotos ist der Auftakt der neuen Reihe „Hamburger Helden“, mit der Kurator Ingo Taubhorn künftig die Arbeit herausragender Hamburger Fotografen präsentieren möchte.

Der international arrivierte Magnum-Fotograf Alec Soth stellt dagegen den Menschen ins Zentrum seiner soziologisch-dokumentarischen Betrachtungen. Selbst dann, wenn mal keiner auf dem Bild ist. Noch nie ausgestellt wurde seine erste große Schwarz-weiß-Serie „Looking for Love“ von 1996. Ein Foto gab ihr den Titel: Vor einem einsamen, geduckten Holzhäuschen ist auf einer großen Tafel eine Kontaktanzeige zu lesen: „Looking for Love ... and a best friend“. Es ist eine sensibel fotografierte, ehrliche Annäherung an die zwei Seiten desselben Themas – Einsamkeit und Verbindung. Weitere vielteilige Hauptwerke von Alec Soth sind zusammen mit seinen Bildertagebüchern zu entdecken.

Die Künstler

Peter Bialobrzeski wurde 1961 in Wolfsburg geboren, einer Stadt, die überwiegend aus Nachkriegsarchitektur und Verkehrswegen besteht. Von jeher interessiert er sich für urbane Landschaften und deren extreme Ausprägungen. Jahrelang fotografierte er zwischen mehrstöckigen Autobahnen und schwindelnd hohen Fassaden in asiatischen Megacitys. Sein Heimatgefühl aber stellt sich an deutschen Orten ein, wo sich abgeblätterte Imbissverschläge, Werbetafeln und Eternitplattenhäuser in einem Bildausschnitt begegnen. Bialobrzeski gewann 2010 den World Press Foto Award und wurde für einige seiner 16 Bücher mit Preisen bedacht.

Auch der Amerikaner Alec Soth, geboren 1969 in Minnesota, wird zu den Dokumentarfotografen gezählt. Doch er fotografiert ebenfalls mit einer persönlichen Note, mit seiner eigenen Sicht auf Menschen in ihrer Umgebung, und häufig auch im Schoß einer gewaltigen Natur. Seine Werke sind in wichtigen amerikanischen Sammlungen vertreten.

Soth arbeitet noch immer als Magnum-Fotojournalist, als bildender Künstler, Blogger, Instagrammer, und er verlegt seine Publikationen selbst. Als Fotokünstler steht er in der Tradition gesellschaftskritischer, aber letztlich menschenfreundlicher Fotografen wie Joel Sternfeld oder William Eggleston. Alec Soth hat viel Energie darauf verwandt, dem in ihm und vielen anderen Männern schlummernden Traum nachzuspüren, doch endlich ein anderes, freieres Leben zu führen.

Das Porträt von Charles stammt aus
Alec Soth’ Serie „Sleeping by the
Mississippi“
Das Porträt von Charles stammt aus Alec Soth’ Serie „Sleeping by the Mississippi“ © Alec Soth / Magnum Photos

Highlights

Diesen Traum verfolgt Alec Soth in seiner Serie „Broken Manual“, in der er auf bärtige Männer traf, die der Zivilisation ade sagten. Gehängt ist die Serie in einem halbdunklen Raum, wodurch sich eine angenehme Intimität zum Betrachten der Bilder einstellt. In der nahen ­Vitrine dokumentieren Bücher wie „How to Disappear Completely and Never Be Found“, dass solche Aussteiger oft endgültig in der Wildnis verschwinden wollen. Einige dieser aus vorsichtiger Annäherung hervorgegangenen Porträts sind daher unscharf. Ein Waldmensch schaut aus dem Laub eines Baums hervor, auf dem er lebt, ein anderer steht nackt und mit finsterem Gesichtsausdruck in einem seerosenbestandenen Rinnsal.

Soths Auge für ein charakteristisches, atmosphärisches, auch mal sehr komisches Foto ist vielleicht am besten zu erkennen in der Serie „Sleeping by the Mississippi“. Entlang von Amerikas breitem, mythischem Strom machte er sich auf, um der Seele des mittleren Westens und seiner sehr individuellen Bewohner auf die Spur zu kommen.

Hier ist vielleicht die Verbindung zu Peter Bialobrzeski zu sehen, der im Unterschied zu Soth zu den Menschen zwar meist eine „höfliche Distanz“ wahrt, sie aber dennoch inmitten ihrer seelenlosen Umgebung so porträtiert, dass der große Spagat zwischen Einsamkeit, Anonymität und der Sehnsucht nach Gemeinschaft spürbar wird.

Alec Soth/Peter Bialobrzeski Ausstellungen bis 7.1. Künstlergespräche: Peter Bialobrzeski Mi 13.9., 19.00; Alec Soth Di 14.11., 19.00, Eintritt 3,- Haus der Photographie, Deichtorstraße 1-2, Di-So 11.00-18.00, Eintritt 10,-/6,-