Hamburg. Beim SHMF-Konzert in der Elbphilharmonie war nicht immer klar, ob der legendäre Klarinettist oder Avi Avital die erste Geige spielte.

Auch mit 81 Jahren hat Giora Feidman die Konzertbesucher immer noch sicher im Griff. Einmal kurz und energisch die Arme ausgebreitet – und schwups wird das Publikum im Großen Saal der Elbphilharmoniezum riesigen Chor, der verzückt in die „Donna, Donna“-Ohrwurmmelodie des Lieds „My Yiddishe Mame“ einstimmt. Der legendäre Klarinettist und Menschenfänger braucht nur ein paar Sekunden und Töne, um den Abend mit seiner vorzüglichen Band in eine Feidman-Show zu verwandeln. Aber war das von den ­Machern des Schleswig-Holstein Musik Festivals auch so gedacht?

Weltumarmer Feidman

Laut Konzertankündigung hätte ja eigentlich Avi Avital als Solist der gleichberechtigte Co-Star sein sollen. Begleitet von der Kremerata Baltica, zupfte der diesjährige Residenzkünstler Avner Dormans Mandolinenkonzert und – als Auftragswerk des SHMF – ­Anna Clynes „Three Sisters“ für Mandoline und Streichorchester; zwei Werke, die mal mehr, mal weniger geschmeidig durch die Stile kurven, von der Minimal Music bis zum Jazz. Dabei präsentierte Avital, dezent verstärkt, den zarten Klang seines Instruments, der sich schön mit den Streichern mischt und mit seinem flirrenden Tremolo Sonnenuntergänge in Neapel beschwört.

Doch diese Eindrücke rückten am Ende des ziemlich langen und bunt ­gewürfelten Programms ebenso in den Hintergrund wie die Schostakowitsch- und Weinberg-Interpretationen der Kremerata Baltica – nicht nur, weil in puncto Präzision und Prägnanz noch Luft nach oben blieb, sondern weil Weltumarmer Feidman mit routiniert ausgespieltem Charisma vieles andere zur Nebensache verblassen ließ.