Hamburg. Zwei Hamburger holen Bands aus den USA in die Stadt, im Publikum tanzen Jung und Alt. Die Kulturbehörde unterstützt das Engagement.

Kurz bevor das Konzert beginnt, setzt sich der ältere Herr mit dem weißen Haar und dem freundlich anmutenden Schnauzbart auf ein Sofa in die Ecke und entledigt sich seines Schuhwerks. Was bei den Umsitzenden zunächst Verwunderung auslöst, klärt sich schnell auf. Aus einem Beutel zieht er ein Paar schmale Tanzschuhe, die er sich überstreift. Und als Jack Grelle und seine Band, angereist aus dem US-Bundesstaat Missouri, ihre sehnsuchtsvollen, rauen Songs anstimmen, dreht der Herr seine Begleiterin vor der Bühne gekonnt im Kreis.

Kein seltenes Bild im Kellerclub Nochtwache auf St. Pauli. Als einige Wochen zuvor die Formation Todd Day Wait’s Pigpen aus New Orleans in dem urigen Gewölbe an der Bernhard-Nocht-Straße aufspielte, tanzten Jung und Alt ausgelassen zu Liedern von Gitarre, Mundharmonika, Fiddle, Kontrabass und Banjo. Und der Sänger sah mit Westernhut und langem Haar so aus wie ein zu den Indianern übergelaufener Cowboy. Ein Sound, ein Stil, ein Publikum, das in dieser Kombination ansonsten nicht zu finden ist in Hamburg.

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Zu verdanken ist diese Mixtur zwei Männern, die sich Ende vergangenen Jahres zusammengeschlossen haben, um den Country in die Stadt zu bringen. Und zwar nicht jene zuckrigen Hits, die derzeit die Charts im Mutterland Amerika prägen. Und auch nicht hiesiger Mainstream-Country, wie ihn Tom Astor oder Truck Stop produzieren. Sondern Musik von jungen ungestümen Künstlern, die sich auf die Wurzeln des Genres berufen und den Sound von Honky Tonk über Hillbilly bis Bluegrass neu beleben.

„Wir wollen echte Musik für echte Menschen bieten“, sagt Oliver Kanehl, der unter dem griffigen Titel „Yeehaw Hamburg“ Rohdiamanten des Country an die Elbe holt. Zum Interview trägt der 46-Jährige ein T-Shirt mit der unmissverständlichen Botschaft „I Love Honky Tonk“. Bei den Abenden in der Nochtwache trägt er aber gerne so stilecht wie kunstvoll bestickte Hemden, wenn er als DJ Lefty Right vor und nach den Konzerten Vinylscheiben von Idolen wie George Jones und Loretta Lynn, aber auch Geheimtipps sowie wilde neue Country-Songs auflegt.

Die Pine
Street Ramblers
kommen aus
Auburn/Kalifornien.
Ihr Debütalbum
trägt den Titel
„Hazy Shade Of
Gold“
Die Pine Street Ramblers kommen aus Auburn/Kalifornien. Ihr Debütalbum trägt den Titel „Hazy Shade Of Gold“ © Pine Street Ramblers

„Die Musiker erzählen interessante Geschichten. Vom Scheitern. Wenn das Leben verrückt spielt. Das fasziniert mich“, sagt Constantin von Twickel, der mit schwarz-pomadiger Haartolle und tätowierten Armen unschwer erkennbar Rock‘n’Roller ist. Im ebenerdigen Nochtspeicher, der sich als Saal für Konzerte von Pop über Rock bis Soul sowie für Lesungen etabliert hat, ist der 42-Jährige für Presse, Booking und Produktion zuständig. Die Nochtwache die Treppe hinab versteht er als Spielwiese, um der Subkultur, dem Alternativen, dem Ungewöhnlichen einen Raum zu geben.

Gäste nah an der Musik dran

Ein Projekt, das unter dem Titel „Subterranean Country Lovers“ firmiert. Kein Wunder also, dass sich Kanehl und von Twickel in der übersichtlichen Hamburger Szene bald gesucht und gefunden hatten. Beide eint nicht nur, dass sie mit Haut und Haar für die Musik, für feine, hierzulande oftmals noch unbekannte Acts brennen. Ihren Country-Abenden liegt eine zutiefst menschliche Idee zugrunde: die der Gemeinschaft. Einen Treffpunkt zu schaffen, der Flair hat, Energie und Eigendynamik. Der nicht elitär ist, sondern jeden willkommen heißt.

„Bei uns sind die Gäste nah an der Musik dran. Nicht wie bei einer Band, die in einer großen Halle auftritt und dann sofort wieder weg ist“, sagt Kanehl. Und von Twickel ergänzt: „Bei uns feiern die Künstler gerne im Anschluss noch mit, sodass alle einen vergnüglichen Abend haben.“

Mittlerweile spricht sich der Enthusiasmus der zwei norddeutschen Coun­try-Liebhaber auch jenseits des Atlantiks herum. „Die Künstler reisen zurück und erzählen, dass da in Hamburg diese beiden Typen sitzen, die sich richtig reinhängen“, sagt von Twickel und lacht. Gemeinsam mit Kanehl versteht er sich als Fürsprecher, ohne die viele kleinere Bands an der Stadt vorbeitouren würden. „Hamburg ist zwar Musikstadt, aber auch ein hartes Pflaster“, bilanziert von Twickel, der zudem als Manager für die Hamburger Soulband Rhonda sowie für Rockchanteuse Cäthe arbeitet.

Pine Street Ramblers laden zum Konzert

„Das Publikum will umworben werden“, erklärt Kanehl, weshalb die beiden Veranstalter alle Kanäle bedienen – von den sozialen Medien bis hin zu Flyern, die sie in Kneipen, Cafés und Tattooläden auslegen. Und damit die beiden bei dieser hehren Aufbauarbeit ein wenig abgesichert sind, unterstützt die Hamburger Kulturbehörde das Engagement. „Das zeigt, dass in Hamburg durchaus ein Herz für die Subkultur existiert“, sagt von Twickel erfreut.

Mit den Pine Street Ramblers steht diesen Freitag bereits das siebte Coun­try-Konzert in der Nochtwache auf dem Programm. Die vierköpfige Kombo aus Kalifornien wird mit einem großen Arsenal an Saiteninstrumenten anreisen, von der Mandoline bis zur Pedal-Steel-Gitarre, um ihre schmissigen wie wüsten Songs vorzutragen. Prädikat: unbedingt tanzbar.

Pine Street Ramblers + DJ Lefty Right Fr 30.6., 20.00, Nochtwache (U St. Pauli), Bernhard-Nocht-Str. 69 a, Eintritt: 11,- im Vvk., 14,- an der Ak.; www.nochtspeicher.de/nochtwache; www.facebook.com/YeehawHamburg