Hamburg. Das New Yorker Kammerorchester The Knights gastiert morgen im ausverkauften Großen Saal.

Für Querfeldein-Ensembles wie The Knights haben Klassik-Kleingeister das böse, übel riechende Wort „Kassengift“ erfunden. Denn lange, zu lange wollten gewinnfixierte Veranstalter nicht glauben, dass man Musik aus allen Himmels- und vielen Stilrichtungen anbieten kann, ohne wegen intellektueller Überforderung in die Miesen zu galoppieren. Diesen gut zwei Dutzend Musikern aus Brooklyn aber ist das Buchhaltungsdenken wurst. Sie kombinieren ­Altes mit Avantgarde, Klassiker mit Weltmusik – und räumen regelmäßig ab, weil diese Mischung so unwiderstehlich raffiniert ist.

The Knights sind eine komplett gitarrenfreie Rock-’n’-Roll-Band, ein ­Orchester der anderen Art. Vor knapp zwei Jahrzehnten von den Brüdern Colin (Violine) und Eric (Cello) Jacobsen mit einigen Studenten der Juilliard School gegründet, als eine Tafelrunde, bei der jeder Musikgeschmack bedient werden soll, weil sich der Appetit ja beim Essen einstellt. Die Anfänge waren kammermusikalische Proberunden, die immer weiter ausuferten.

Einige komponieren auch

Einige Knights stammen aus dem Umfeld des „Silk Road Project“, das der Cellist Yo-Yo Ma ins Leben rief, ­andere sind nicht nur Instrumentalisten, sondern komponieren auch. Jede Menge ­Individualisten. Bei so ziemlich jedem Off-Festival New Yorks sind sie dabei gewesen, unter anderem mit Freigeistern wie der Sopranistin Dawn Upshaw, dem Banjo-Spieler Bela Fleck, dem Jazz-Saxofonisten Joshua Redman oder dem Klarinettisten Kinan ­Azmeh haben sie ­gearbeitet. Großflächig berühmt, im klassischen Sinn und Mainstream, sind die Damen und Herren Ritter bislang nicht geworden damit, reich schon gleich gar nicht. Dafür haben sie offenbar enormen Spaß am kollektiven Ganz-anders-Sein.

Dass die Knights nun, morgen, im wie immer ausverkauften Großen Saal der Elbphilharmonie zu hören sind, war überfällig. Und wenn es in der aufblühenden Musikstadt programmplanerische Gerechtigkeit mit Weitblick bei der Suche nach Residenzstars für morgen gibt, sollten sie flott wiederkommen. Denn solche Spezialeinheiten sind es, die dem hiesigen Musikleben noch fehlen, auch wenn sich das Ensemble Resonanz nach Kräften bemüht. Stargast des Hamburger Knights-Debüts ist Wu Man, Virtuosin auf der chinesischen Schalenhalslaute Pipa, mit einem Stück von Tan Dun.

Solide Beethoven-Einspielungen

Interessierten jenseits der 2073 vergebenen Sitzplätze bleibt nur der Griff zum Tonträger, doch dieses „nur“ ist keines, ganz im Gegenteil. Die Knights können zwar auch konventionell klassisch, das haben sie mit soliden Beethoven-Einspielungen bewiesen. Aber ihre echte, wahre Stärke sind die Konzeptalbum-Wundertüten: Für „A Second of Silence“ kombinierten sie Schubert, Glass, Satie, Debussy und Feldman.

Bei „The Ground Beneath Your Feet“ steht Flirrendes von Reich neben Bach und Strawinskys „Dumbarton Oaks“. Das frische Album „Azul“ hebt ab in himmlische Sphären. „Ascending Bird“ des Iraners Siamak Aghaei ist ein siebenminütiger Kunstflug für Yo-Yo Mas Cello (auf YouTube zu bestaunen), danach bringt er allerliebst das „Lied an den Mond“ aus Dvoraks Nixen-Oper „Rusalka“. Und es wird noch schöner: ein weiteres Cello-Konzert, vom Argentinier Osvaldo Golijov, bevor Stockhausens „Leo“ aus dessen „Tierkreis“ folgt, kindergartennett geradezu, und eine Suite aus Stücken des Singer-Songwriters Sufjan Stevens den Schlussakkord eines Albums bildet, das seinesgleichen sehr lange suchen kann.

CDs: „Azul“ / „The Ground Beneath Our Feet“ (Warner, ca. 16 Euro). www.theknightsnyc.com