Hamburg. In seinem Regiedebüt „Passionsspiele“ changiert Bastian Reiber zwischen Anarchie, Monty Python und österlichem Schultheater.

In diesen vorösterlichen Zeiten sind Leben und Leiden Christi vielerorts präsent. Wenn allerdings Schauspielhaus-Ensemblemitglied Bastian Reiber zu seinem Regiedebüt mit dem Titel „Passionsspiele“ lädt, ahnt man, dass der Abend nicht ganz bibeltreu ablaufen wird. Auf großer Videoleinwand erscheint Reiber, Kreuzigungsmale an den Händen, auf einem Karren ruhend. Mehrere Apostel und ein Engel leiern die Genealogie seit Abraham aus der Loge herunter. Dann soll eine Folterszene folgen.

Als alle auf der Bühne stehen, wird klar, um wessen Leidensweg es hier eigentlich geht. Der verdammte Eiserne Vorhang ruckt nur wenige Zentimeter, dann bleibt er stehen. Es gibt bekanntlich die eherne Regel am Theater: Der Lappen muss hochgehen. Das galt nicht für Karin Beiers erste Spielzeit, als ein Vorhangunfall die Eröffnung verzögerte. In einem amüsanten Kunstgriff erzählt Reiber nun als Spieler und Regisseur in Personalunion mit einer Schar unerschrockener Kollegen, was passiert, wenn – genau – nichts passiert.

Hinreißend improvisiert

„Bitte haben Sie ein wenig Geduld“ wird da auf den Vorhang projiziert. Pausenmusik ertönt. Erbarmungswürdiges Gedudel, wie man es aus den Telefonwarteschleifen kennt. Der Boy-Gobert-Preisträger und Fritsch-Darsteller Reiber, mit blonder Langhaarperücke und langem Fummel (Kostüme: Aurelia Stegmaier) muss sich nicht groß verrenken oder hyperventilieren, er kann auch mit minimalen Grimassen hochkomisch sein.

Seine schlapp erzählten Witzchen und die wiederholten Tanzeinlagen des Apostelsextetts sind Aufwärmübungen. Dann wird nicht tiefschürfend, aber hinreißend improvisiert. Jeder hat mindestens einen formidablen Kurzauftritt und eine schlanke Pointe. Jonas Hien etwa löst mit ganz banalen Erzählungen über die Bahn und das Fahrrad, großspurig vorgetragen, Lachsalven aus. Anne Müller als blondlockiger Engel malträtiert das Publikum aus schönster Verlegenheit mit dem immer gleichen Kirchentagssong.

Auch ein Stoffhase spielt mit

Und Angelika Richter protestiert: „Ich kann nicht improvisieren. Ich bin Schauspielerin. Ich habe 30 Seiten auf Aramäisch auswendig gelernt!“ Auch ein Stoffhase spielt mit. Der ruft sogar „Tatortreiniger“-Star Bjarne Mädel auf den Plan, allein, Reiber lässt ihn nicht mitspielen. Der Humor bewegt sich zwischen der dezenten Anarchie der Berliner Volksbühne, an der Reiber häufig gastiert, Monty Python und einer Parodie auf österliche Schulaufführungen. Das Publikum bleibt dran. Auch die Ironie mancher Anti-Witze geht auf. Reiber liebt das Theater, das ist zu spüren, und er versteht zugleich, diese hehre Kunstform auf lustvolle Art zu sabotieren. Das ist kleine, große Kunst.

Für ein Debüt gar nicht schlecht. Vielleicht ist Naturtalent Reiber der bessere Mario Barth.

„Passionsspiele“ weitere Vorstellungen 16.4., 21.00, 22.4., 22.00, 12.5., 21.00, Schauspielhaus, Kirchenallee 39, Karten 10,- bis 29,- unter T. 24 87 13