Hamburg. Sopranistin Camilla Nylund strahlte in Laeiszhalle. Weder ihr noch Jeffrey Tate und seinem Orchester konnte man sich entziehen.
Solche Blicke können töten. Nachdem Camilla Nylund den Auftrittsapplaus beim Konzert der Symphoniker Hamburg am Sonntag in der Laeiszhalle artig lächelnd absolviert hatte, war förmlich zu sehen, wie die finnische Sopranistin von einem Augenblick zum anderen in den Salome-Modus umschaltete. Plötzlich trat eine Entschlossenheit in den Blick der großen Blonden, dass Mann in seinem Sessel unwillkürlich ein bisschen tiefer rutschte. Auf die Darstellung der brünstigen Königstochter Salome ist die Nylund spezialisiert, und sie wurde ihrem Ruf wieder einmal voll gerecht.
Tatsächlich verlangt diese Partie Außerordentliches. Jeffrey Tate hatte den Einstieg in Salomes zwischen Begehren und Wahnsinn irrlichternden Schlussmonolog so ausgewählt, dass die Sängerin mit einem markerschütternden „Ah“ auf einem Spitzenton einsetzte. Von 0 auf 100 in einem Sekundenbruchteil. Und von da an 20 Minuten Dauerhochdruck mit einer emotionalen Spannbreite von tiefer Zärtlichkeit bis zu überschnappender Hysterie.
Emotionales Berserkertum
Doch Camilla Nylund bewältigte diese Tour de Force souverän. Ohne, dass es je forciert klang, überstrahlte ihr sicher geführter Sopran selbst Strauss’ Riesenorchester – wobei Tate die Klangmassen klug zu bändigen wusste. Liebe, Geilheit, Kränkung, Mordlust, geistige Verwirrung schwangen in der Stimme dieser Femme fatale mit. Man muss dieses emotionale Berserkertum nicht mögen, aber man konnte sich seiner Wirkung an diesem Abend kaum entziehen.
Weniger Effekt als man angesichts der aufgebotenen Orchestermassen hätte erwarten können erzielten dagegen die Klänge von Richard Strauss’ „Alpensinfonie“ im zweiten Teil. Für eine anständig besetzte „Alpensinfonie“ braucht es rund 120 Musiker, und die Symphoniker Hamburg wollten offenbar einmal mehr unter Beweis stellen, dass auch in dieser Gewichtsklasse mit ihnen zu rechnen sei.
Unendlich viele Klangwunder
Es gibt unendlich viele Klangwunder in dieser Riesenpartitur. Allerdings bedarf es auch eines Dirigenten, der aus der Überfülle auswählt, eine Linie hineinbringt, der Details scharf zeichnet und der großen Form Kontur gibt. Jeffrey Tate aber bevorzugt einen romantischen, etwas diffusen Gesamtklang. Zwar durfte das Donnerblech in der Gewitterszene noch immer ordentlich krachen, aber die innere Spannung blieb aus.
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Vorverkaufsstellen: Konzertkasse im Brahms Kontor, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg; Elbphilharmonie Kulturcafe, Barkhof 3, 20095 Hamburg oder per Telefon unter 040/35 76 66 66 (Mo–Fr 11–18 Uhr, Sa 11–16 Uhr). www.symphoniker-hamburg.de