Hamburg. Der Hamburger Autor Kerim Pamuk legt mit „Der Islam, das Islam, was Islam“ ein so ernst gemeintes wie vergnügliches Lexikon vor.
Der Islam ist für den deutschen Buchmarkt ein Segen. Je radikaler selbst erklärte „Gotteskrieger“ ihr „Paradies“ herbeibomben und je schneller einige muslimische Staaten sich ins Mittelalter zurückregieren, desto größer ist der Bedarf nach Erklärungen. Auf Platz eins der Sachbuchbestsellerliste steht das frisch erschienene Buch „Inside Islam“ mit verstörenden Erkenntnissen des ARD-Journalisten Konstantin Schreiber, der deutsche Moscheen besucht hat; kurz dahinter folgt der Politkrimi „Die Getriebenen“ von Robin Alexander über die Hintergründe der Völkerwanderung nach Deutschland.
Der Buchmarkt ist ein Spiegel deutscher Befindlichkeiten. Da kommt der Kabarettist und Schriftsteller Kerim Pamuk mit seinem Buch „Der Islam, das Islam, was Islam“ gerade recht. Ein satirisches Lexikon von A wie Abfall (vom Islam „eigentlich nicht vorgesehen“) bis Z wie Zuckerfest („Beliebter als bei Kindern ist es nur noch bei den Zahnärzten“). Liebevoll böse und satirisch ernst führt es den Leser in das Denken des Islam und die muslimische Welt: „Faktisch, postfaktisch, mit heiligem Witz.“ Das geht nicht? Doch, das geht!
Schon im Vorwort gibt der 46-jährige Hamburger die mutige Richtung vor: „Warten auf den Märtyrer im Paradies wirklich 72 Jungfrauen oder doch nur eine 72-jährige Jungfrau?“, fragt Pamuk. „Hat Muhammad, der Prophet des Islam, wirklich all das gesagt, getan und gedacht, was ihm sämtliche Mullahs von Grönland bis Australien in den Mund legen?“ Er rechnet nicht nur mit dem Florett mit Fundamentalisten im Islam ab, sondern auch mit den „verbiesterten Abendland-Rettern“, die alles Unbill den Muslimen in die Schuhe schieben. Zugleich nimmt Pamuk den Leser auf einen Parforce-Ritt mit durch bald 1400 Jahre arabischer Geschichte, die er mit der Zeitgeschichte erklärt – Ali, Vetter und Schwiegersohn des Propheten, erklärt Pamuk zum „Oskar Lafontaine des Islam“, die Charidschiten vergleicht er mit den „K-Gruppen Westdeutschlands“.
Angst vor Islamisten hat der Hamburger nicht
Zeitweise liest sich das Buch wie ein Geschichtswerk, manchmal wie ein politisches Manifest. Pamuk rechnet mit dem Begriff des „Kulturkampfes“ ab, mit den religiösen Schützengräben, die seit dem 11. September 2001 ausgehoben werden. „Menschen, die vorher nie fromm waren und kaum Bezug zum eigenen Glauben hatten, definieren sich plötzlich über ihre formale Religionszugehörigkeit“, kritisiert Pamuk. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Den Dschihad beschreibt er Älteren als „Butterfahrt zum Feind“, Jüngeren als „Egoshooter in echt“, er nennt ihn einen „theologischen Baseballschläger“. Und er kritisiert die deutschen Medien, die Enthauptungs-Videos tausendfach kopieren, die Fatwa 120 angesehener sunnitischer Gelehrter, ein religiöses Gutachten gegen den IS-Terror, aber nicht.
Es geht aber nicht nur um Politik und Gewalt, sondern viel auch um den Alltag. Warum gläubige Muslime im Fastenmonat Ramadan schnell mal fünf bis zehn Kilo zunehmen, warum Frauen am Steuer Männer auf dem Beifahrersitz schwul machen oder warum das Paradies „Allahs Wellnessoase“ verspricht, verrät das Buch auf vergnügliche Weise. Nebenbei erfährt man, dass die Christen den Rosenkranz vom Islam geklaut haben, was die Einteilung der Welt in halal und haram bedeutet und warum der klügste Beitrag zur Kopftuchdebatte vom Hamburger Sozialforscher Jan-Philipp Reemtsma stammt.
Trotz mancher Respektlosigkeiten hat der Hamburger keine Angst vor Islamisten. „Können Radikale einen denn richtig verstehen? Sie müssten das Buch dann ja zumindest lesen, und das kann man ja Fundamentalisten jeder Couleur leider nicht unterstellen, die übermäßige Beschäftigung mit Humor“, sagte er dem Abendblatt. Ihm gehe es nicht darum, schale Witze über den Islam zu machen, sondern aufzuklären. „Das Buch soll informieren und unterhalten. Wenn dann unter den Lesern tatsächlich auch wahrhaft Gläubige und chronische Islamhasser sein sollten, umso besser.“ Pamuk will verhindern, dass nur Fundamentalisten in diesem Land das Islambild bestimmen: „Man darf die Religion nicht den Religiösen überlassen. Weder den dogmatischen Zottelbärten noch den chronischen Islamhassern.“
Er schreibt: „Weder ist der Islam gut noch böse, weder modern noch steinzeitlich, weder friedlich noch kriegerisch.“ Pamuk möchte den Islam den allgegenwärtigen „Islamkritikern“ und „Islamverteidigern“ entwinden. Man kann sogar über ihn lachen. Darf man das? Wahrscheinlich muss man es sogar.
Der Autor liest am 4.4., 20 Uhr, in Alma Hoppes Lustspielhaus (U Hudtwalckerstr.), Ludolfstr. 53, unter T. 55 56 55 56 Karten 10/25 Euro und in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, T. 30 30 98 98