Hamburg. Auch beim zweiten Rendezvous hat die Königin der Instrumente nichts von ihrem Reiz eingebüßt.
Beim fulminanten Solo-Auftritt von Iveta Apkalna vor vier Wochen sind selbst hartnäckige Orgelmuffel plötzlich in heißer Liebe zum Instrument entflammt. Eins von vielen kleinen Erweckungswundern, die die Elbphilharmonie gerade beschert. Aber, jetzt mal mit zeitlichem Abstand gefragt: War der Überschwang vielleicht doch nur ein heißer Flirt im Rausch der Elbphilharmonie-Flitterwochen?
Klare Antwort: Nein. Auch beim zweiten Rendezvous hat die Königin der Instrumente nichts von ihrem Reiz eingebüßt. Diesmal sitzt der Franzose Olivier Latry am Spieltisch, Titularorganist an der Kathedrale Notre-Dame in Paris. Zum „Lux aeterna“-Festival hat er sieben Werke von Messiaen und dessen Schülern in die Elbphilharmonie mitgebracht.
Mystische Akkorde
Und schon im ersten Stück ist das Kribbeln wieder da: bei den mystischen Akkorden aus Messiaens „Apparition de l’église éternelle“, mit denen der Komponist die Erscheinung der ewigen Kirche beschwört. Die Musik steigert sich aus dem Pianissimo bis zum fünffachen Forte, in einem C-Dur-Höhepunkt von überwältigender Strahlkraft. Hohe Töne brizzeln auf dem Trommelfell, während der Bass in den Eingeweiden rührt. Ein gänsehäutiges Ganzkörpererlebnis.
Messiaens „Apparition“ bildet die Ouvertüre zu einem 75-minütigen Programm, das Latry ohne Beifall durchspielt. Es vereint hektisch zickende Motive, wie in Gerald Levinsons „Au cœur de l’infini“ mit den Trillerfiguren aus Jean-Louis Florentz’ „Chant des fleurs“ und Messiaen-Momenten von meditativer Ruhe.
Flinke Finger und trittsichere Füße
Dabei beeindruckt Latry mit flinken Fingern und trittsicheren Füßen, er schöpft den Farbreichtum der Klais-Orgel aus und registriert neben klassischen auch einige überraschende Sounds. Deren Spektrum reicht vom Tröten à la Kindertrompete über den Kontrabassstaubsauger bis zum Brummen eines defekten Raumschiffs. Aber das alles in schön, versteht sich.
Ja, die Orgel ist ein echter Schatz. Mit ihrer Sinnlichkeit versüßt sie uns ein anspruchsvolles, bisweilen sprödes Programm, das am Schluss von Messiaens „Dieu parmi nous“ noch einmal den Saal erbeben lässt. Spätestens jetzt ist klar: Man muss ihr einfach treu bleiben. Und irgendwann demnächst mal ein Küsschen auf die Pfeifen drücken.