Hamburg. Der in Hamburg geschätzte Regisseur Michael Thalheimer gastiert mit einem gewaltigen „Wallenstein“ am Thalia.

Minutenlang donnert die rhythmische Hubschrauber-Musik von Bert Wrede, dass das Thalia Theater erzittert. Nebelschwaden umwehen den von der Decke hängenden, blutigen halben Pferdekadaver. Von hier aus geht es mit der für Michael Thalheimer typischen Unerbittlichkeit gen Abgrund. Der „Wallenstein“ des in Hamburg ­geschätzten Regisseurs von der Berliner Schaubühne, ein Gastspiel anlässlich der „Lessingtage“, ist keine leicht Kost.

Schillers wortgewaltigen, Pathos gesättigten Zehn-Stunden-Zyklus über einen Feldherrn, der im 30-jährigen Krieg zwischen Intrigen und Fronten zerrieben wird, hat Thalheimer klug auf drei Stunden eingedampft. Die gehen hier sprachmächtig ohne Pause über die Bühne. Es gibt wenige Regisseure, die für dieses unspielbare Text-Monstrum die gewaltigen, die richtigen Bilder finden können.

Die richtigen Darsteller

Thalheimer findet sie, und er hat die richtigen Darsteller dafür. Am Boden von Olaf Altmanns Bühne ist nur ein Gitterrost zu erkennen. An diesem gespenstischen Ort begegnen sich die Figuren an der Rampe. Körperlich distanziert. Trotzdem wirkt der Abend nicht statisch. Formal streng, das ja. Aber daraus speist sich seine Dringlichkeit.

Der Feldherr sitzt. Fast zwei Stunden lang meldet sich Ingo Hülsmann als Wallenstein breitbeinig lehnend aus seinem Stuhl zu Wort. Sitzen statt Kämpfen, allein diese Haltung drückt sein ­Zögern aus. Wallenstein will dem katholischen Kaiser treu bleiben, gleichzeitig aber diesen Krieg beenden, doch dazu muss er zu den evangelischen Schweden hinüberwechseln.

Ein wackliges Konstrukt

Das Freund-Feind-Schema ist ein wackliges Konstrukt. Und so muss Wallenstein erfahren, dass sein treuer ­Gefährte, Octavio Piccolomini, gegen ihn intrigiert. Peter Moltzen gibt ihn, auf verbindliche Weise undurchsichtig, uniformiert in teuflischem Schwarz. In diesem Geflecht hat die wahrhaftige Liebe zwischen der rationalen Wallenstein-Tochter Thekla (Alina Stiegler) und Octavios Sohn Max (Laurenz Laufenberg) keine Chance.

Für Wallenstein ist alles Schicksal und verhängnisvolle Sternendeutung, die ihn mittels Krieg den Frieden erzwingen lassen will. Wie ein Maschinengewehr schleudert Hülsmann seine Sätze heraus. Seine elegante Schwester, die Gräfin Terzky (Regine Zimmermann) ist ihm darin ebenbürtig. Der Krieg befördert Verrat und Irrsinn mit unabsehbaren Folgen. Das ist hier schmerzlich spürbar.

„Um alles in der Welt – Lessingtage 2017“ bis 5.2., Thalia Theater, Karten unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de