Hamburg. Beim Sonderkonzert schwankt das NDR Elbphilharmonie Orchester zwischen Selbstbefreiung und der Unbarmherzigkeit der Akustik.

Ob die Programmverantwortlichen des NDR Elbphilharmonie Orchesters grünen Tee lieben? Dessen Aromen entwickeln sich nämlich Kennern zufolge so richtig erst mit dem zweiten Aufguss. Warum also nicht die erste Hälfte der Elbphilharmonie-Eröffnungskonzerte für das Sonderkonzert mit Mendelssohns „Lobgesang“-Sinfonie wiederverwerten?

Ungenauigkeiten ungnädig deutlich zu hören

Das Programm schlug einen Bogen von der Renaissance bis in die Gegenwart, die Besetzung wechselte zwischen dem Tutti auf der Bühne und einzelnen oder wenigen Künstlern, die auf den Rängen platziert waren.

Was bei der Eröffnung als intelligente Form der Raumerkundung überraschte, ja überwältigte, wirkte in der wiederaufbereiteten Form zumindest in Block E gleich hinterm Parkett arg nüchtern. Jeder nur leicht verschobene Einsatz, jedes verwackelte pizzicato in Henri Dutilleux’ „Mystère de l’instant“ war ungnädig deutlich zu hören.

Mehr Dynamik notwendig

Der Countertenor Alex Potter lieferte seine frühbarocken italienischen Arien ordentlich ab, konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er nun einmal nicht Philippe Jaroussky ist, der bei der Eröffnung gesungen hatte. Das Ensemble Praetorius brauchte einen Moment, um eine stabile Intonation zu entwickeln. Und den 10. Satz von Messiaens „Turaganlîla“-Sinfonie in seiner berstenden Energie hätte Thomas Hengelbrock dynamisch weiter ausdifferenzieren können.

Der „Lobgesang“ knüpfte an den Gestus des Weltumspannenden an, verband er doch Sinfonie und Kantate, Geistliches und Weltliches. Nach all der Kleinteiligkeit wirkte das Orchester nach der Pause wie befreit. Die Posaunen begannen mit einer leuchtenden Fanfare, die Streicher klangen warm und voll. Hengelbrock, das Orchester, der Chor des Bayerischen Rundfunks und der NDR Chor deuteten die Stimmungen und Charaktere so lebendig aus, dass die zehn Sätze wie im Flug vergingen.

Geigen klangen scharf

Der Tenor Pavol Breslik sang das „Stricke des Todes hatten uns umfangen“ wunderbar textverständlich. Mit der Süße der Sopranstimmen von Maria Bengtsson und – wie im Eröffnungskonzert kurzfristig eingesprungen – Hanna-Elisabeth Müller konnte sein Timbre allerdings nicht mithalten. Was den Stimmen in Block E an Präsenz zugutekam, stand beim Orchester freilich eher auf der Sollseite. Unbarmherzig offenbarte die Akustik noch die leiseste Inhomogenität der Klangformung. Die Geigen klangen leicht scharf, Holz- und Blechbläserklang mischten sich kaum, jedes Instrument war für sich zu hören, direkt, geheimnislos. Kein Aroma, nirgends.