Hamburg. Das Opernloft bringt „Ein Maskenball“ als Persiflage auf die Bühne des Ernst Deutsch Theaters. Viel Spaß damit!

Sagen wir es mal so: Bei den Salzburger Festspielen würde man im Foyer nicht mit Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“ bepopschlagert werden. Eine Polonaise durchs Foyer, mit amtlichem Karnevalskegel auf der Dauerwelle, das wäre auch auf dem Bayreuther Hügel nicht das klassische Standardprogramm, um sich die Pausenbratwurst-Kalorien abzuarbeiten. Im Ernst Deutsch Theater jedoch geht das jetzt. Da soll das jetzt so. Da ist das Teil des Regie-Konzepts. Denn derzeit hat dort das Opernloft eine Interims-Spielstätte gefunden, für die Opernloft-Version des auf vielen Ebenen nicht ganz unkomplexen „Maskenball“-Dramas von Verdi.

Die Veropernloftung einer populären Oper bedeutet neben der Kürzung auf sitzfleischfreundliche 90 Minuten grundsätzlich auch, dass die Titelangabe ein wenig anders zu verstehen ist. Eigentlich wäre er hier nämlich eher so: „Ein Stück mit verkleinerter Besetzung und Musik aus Verdis ,Maskenball‘, aber eindeutig nicht der ganzen Musik und die auch nicht immer in der richtigen Reihenfolge, aber immerhin von Verdi, und das in eine neu komponierte ­Geschichte verpackt, die sich die dickste dramaturgische Rosine aus der Vorlage herauspickt und sie komplett ­umschminkt, ach ja: und mit neuen deutschen Untertiteln, die längst nicht immer erzählen, was gerade auf Italienisch gesungen wird, und mit einer ­guten halben Handvoll Musiker statt Orchester. Alles klar? Viel Spaß damit!“

Herzen und Schmerzen, Ach und Krach, Tränen und Sehnen

Für ihre Fassung „nach Verdi“ haben ­Inken Rahardt und Susann Oberacker das Stockholmer beziehungsweise Bostoner Intrigantendrama mit eingewobener Dreiecksgeschichte in die Pappmaschee-Kulissen einer fünftelseidenen Casting-Show verlegt, moderiert vom Ex-Pagen Oscar und der Ex-Wahrsagerin Ulrica. Hat mit der Vorlage nichts zu tun, wurde aber passend gemacht und am Ende mit viel Applaus belohnt.

Auch die Zentralfiguren wurden drastisch umgetopft: Aus dem Herrscher Riccardo wurde ein markiger Makler, aus Amelia eine knusprige Kosmetikerin und aus ihrem schluffigen, aber herzensguten Gatten Renato, eigentlich Sekretär, ein uriger Urologe. Alle drei meldeten sich, was ein Fehler ist, als die beiden grell kostümierten Showmaster Freiwillige für ihre Selbstverblödungssause suchten und kamen aus dem Parkett ins Rampenlicht.

Von da an, und das wird jetzt niemanden überraschen, ging es bergab mit der Haltbarkeit des Eheversprechens, aber flott voran mit dem Plot, den die eingedampfte Musik, losgelöst von der Vorlage, unterhaltsam auf Trab hielt. Herzen und Schmerzen, Ach und Krach, Tränen und Sehnen. Opernzutaten, ohne die nichts läuft. Da die Vokalaufgaben für die fünf Ensemblemitglieder aber nach wie vor von und nicht nach Verdi sind, sind sie entsprechend anspruchsvoll. Sie sorgten stellenweise dafür, dass manchem der Respekt als Schreck in die Stimmbänder fuhr. Auf Richard Neugebauers Riccardo lag da mehr Schatten als Licht, auch Axel Wolloschecks Renato ist ausbaufähig. Anne-Fleur Werner spielte ihren Oscar so gern, wie sie ihn sang. Soomi Hongs Ulrica harmonierte gut damit. Am überzeugendsten: Aline Lettow als eine Amelia, die in ihren starken Momenten als Leidende Tragik von Format abliefern konnte, das daran erinnerte, wie stark der gute Opernstoff vom guten ­alten Verdi unverdünnt wirken kann, wenn man ihn nicht veropernloftet.

Weitere Vorstellungen: bis 24.9. Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1
(U Mundsburg), Karten (22 bis 42 Euro) unter
T. 22 70 14 20