Hamburg. The Cliquot Brothers aus New York steppen durch die neue Show. Am heutigen Donnerstag ist Premiere im Varieté am Steindamm.
Omar Edwards ist aufgedreht. In seinem Bühnenoutfit, einem schneeweißen Frack, stolziert er über die Planken im Hansa-Theater, fordert die Band auf, etwas schneller zu spielen, um dann mit seinen metallbeschlagenen Schuhsohlen ein paar rhythmische Schritte aufs Parkett zu legen. Wobei Schritte nicht das richtige Wort ist. Edwards’ Füße tanzen in Hochgeschwindigkeit über die Bühne. Erst am Morgen ist der Stepptänzer mit seinem Partner Josh Johnson in Hamburg gelandet. Von Jetlag keine Spur. Die beiden Artisten aus New York wollen sich erst mal die Bühne ansehen und sich mit dem Saal und den Musikern vertraut machen. „Ich liebe diese kleinen Theater“, sagt Edwards. Im Schnelldurchgang geht der Mann mit den Rastalocken durch das Programm, mit dem die beiden Tänzer am heutigen Donnerstag Premiere im Varieté am Steindamm feiern.
Josephine Bakers Bananentanz
„Musik und Tanz gehörten schon immer zum Varieté, auch das Hansa-Theater ist da keine Ausnahme. In der langen Geschichte des Hauses waren hier immer wieder berühmte Tänzer und Tänzerinnen aus allen Sparten des Tanzes zu sehen, wie die Ballerina Cleo de Mérode oder Josephine Baker mit ihrem legendären Bananentanz. An diese Tradition möchten wir anknüpfen,“ sagt Ulrich Waller, der mit Thomas Collien das Programm für die neunte Spielzeit des Hansa-Theaters nach der Wiedereröffnung 2008 zusammengestellt hat. Behilflich war ihm im Fall der Cliquot Brothers, so nennen sich Edwards und Johnson, der US-Theater-Impresario Mel Howard, der seit den 50er-Jahren mehr als 150 Theaterstücke und Shows auf die Bühne gebracht hat. „Mel hat mich gefragt, ob ich Lust auf ein Gastspiel in Europa hätte“, erzählt Omar Edwards. „Ich habe sofort zugesagt, weil es eine spannende Herausforderung ist.“
Nach Hamburg mitgebracht hat Edwards, Jahrgang 1975, den 16 Jahre jüngeren Josh Johnson. Kennengelernt haben die beiden sich auf einer Highschool im New Yorker Schwarzenviertel Harlem. „Omar hat an unserer Schule eine Einführung in Stepptanz gegeben. Die Improvisation und der Rhythmus haben mir viel Spaß gemacht, aber damals hat mich Basketball noch mehr interessiert als Steppen“, erzählt Johnson.
Mit 16 Jahren fingt er an, seine Stepp-Fähigkeiten zu verbessern. Außerdem war es für den aus einer nicht begüterten Familie stammenden Johnson eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. „Ich habe in der New Yorker U-Bahn getanzt und damit ziemlich viel Geld verdient.“ So viel, dass er davon seine Studiengebühren am Penn State College bezahlen konnte. Dort gehörte er im ersten Jahr sogar der renommierten Uni-Basketballmannschaft an („Ich war immer der Schnellste“, sagt Johnson), doch er musste sich zwischen dem Spiel zwischen den Körben und der Fuß-Akrobatik entscheiden: „Ich glaube, dass ich als Stepptänzer noch besser bin als mit dem Basketball.“
Exkurs in die Geschichte des Stepptanz
Edwards und Johnson fühlen sich bei ihrem Gastspiel auch als Repräsentanten einer afroamerikanischen Ausdrucksform. Edwards macht einen kleinen Exkurs in die Geschichte des Stepptanzes, der im Amerikanischen „tap dance“ oder „hoofing“ genannt wird: „Schon zu Zeiten der Sklaverei hat es Stepptanz gegeben. Die verschiedenen Rhythmen dienten der Verständigung untereinander, aber auch die weißen Herren hatten Spaß daran und holten die Sklaven zu Vorführungen in ihre Häuser. In den Anfängen klebten die Tänzer sich heiße Kohle und Kronkorken unter die Füße, erst der legendäre King ,Rastus‘ Brown hat Anfang des 20. Jahrhunderts mit Metallplatten unter den Sohlen getanzt.“ Mit den rassistischen Minstrel-Shows, in denen Schwarze tölpelhaft, aber immer fröhlich singend und tanzend dargestellt wurden, haben die Cliquots nichts zu tun. „Wir sind keine Clowns, sondern repräsentieren mit unserer Show schwarze Würde und Eleganz“, sagt Omar Edwards.
Der aus Brooklyn stammende New Yorker ist der Cousin von Saviour Glover, der wiederum zu den ganz großen schwarzen Tap Dancern gehört und unter anderem eine Hauptrolle in Spike Lees Film „Bamboozled“ gespielt hat. Die Cliquots machen Musik mit den Füßen und benutzen überwiegend Jazzmusik. Duke Ellingtons Klassiker „Caravan“ und „Take The A-Train“ werden ebenso in atemberaubendes Klickern und Klackern umgesetzt wie Charles Mingus’ „Moanin’“. „Wir können zu allem tanzen, aber die Verbindung zum Jazz ist naheliegend“, so Edwards.
Außer den Stepptänzern erwartet ein Reigen erstklassiger Varieté-Künstler das Publikum: Der Zauberer Jidinis zersägt eine junge Frau in einer Holzkiste, Philipp Huber erweckt Handpuppen zum Leben, eine Schlangenfrau, Jongleure und Seiltänzer werden für ungläubige „Aahs“ und „Oohs“ sorgen. Und ein professioneller Taschendieb gehört auch zum Programm der neuen Show. Also, passen Sie auf ihre Uhr auf!
Hansa Varieté Theater Premiere Do 6.10., 20.00, Steindamm 17, Karten von 31,90 bis 71,90 plus Gebühren in der HA-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, und unter der HA-Hotline T.30 30 98 98; exklusive Abendblatt-Termine am 5.11. und 26.12., Karten 75,- und 65,-; die Shows laufen täglich außer montags um 20 Uhr, sonnabends 16 und 20 Uhr, sonntags 15 und 19 Uhr; www.hansa-theater.de