Hamburg. Zwei Schwestern wollen das Varieté retten, die Dritte hat die Zwangsversteigerung beantragt und klagt. Der Familienstreit.
Das Hansa-Theater am Steindamm (St. Georg) ist weltweit einmalig – mit seinem dunkelroten Plüsch, blinkendem Messing, Kronleuchtern und Tischen mit Rufknöpfen für die Ober. Es steht für hanseatische Redlichkeit und internationale Varieté-Stars. Für viele gehört das Hansa-Theater zu Hamburg wie das Rathaus und der Michel. Jetzt bedroht ein Streit in der Eigentümerfamilie das Traditionshaus.
Die Gebäude mit dem Theater gehören den Erbinnen der legendären Varieté-Chefin Telse Grell. Die drei Schwestern fechten einen juristischen Streit um die Zukunft der Häuser aus. Zwei möchten die denkmalgeschützten Gebäude so erhalten, wie sie sind – mit dem Varieté. Die dritte Erbin möchte sofort alle Gebäude zu Geld machen.
Zwangsversteigerung vor Gericht beantragt
Schon im Juni 2014 hatte Helga N., die dritte Schwester, die Zwangsversteigerung aller Gebäude bei Gericht beantragt. Sie will auch den Theaterbetrieb stoppen. Dazu reichte sie eine Feststellungsklage gegen den Vertrag über die kommenden fünf Spielzeiten ein, den die Erbenmehrheit mit Thomas Collien und Ulrich Waller (St. Pauli Theater) abgeschlossen hatte.
„Der ganze Streit ist leider ausgeufert“, sagt Gisela Baldermann dem Abendblatt. Sie möchte Theater und Gebäude erhalten und ist die Ehefrau von Peter Baldermann, der jahrzehntelang die gute Seele im Theater war und auch in den Jahren der Schließung das Theater putzte und so auf Vordermann hielt, dass es 2009 wieder eröffnen konnte. „Wir hoffen auf eine gütliche und auch gerechte Einigung und arbeiten daran mit Hochdruck“, sagt Gisela Baldermann. Die gütliche Einigung ist für sie wichtig. „Am Hansa-Theater hängt nicht nur mein Herz, sondern alles ist für mich wie eine Familie, weil über die Jahre viele Freundschaften mit den Künstlern entstanden sind, die wir neben dem Theaterbetrieb pflegen“, sagt sie. Zur Familie gehören auch langjährige Gäste. Darunter Prominente und Politiker, die teilweise Wert darauf legen, unerkannt kommen zu können. Gisela Baldermann: „Das machen wir gern und erfolgreich!“
Im Mediationsverfahren soll Lösung erörtert werden
Auch Thomas Collien hofft auf die Einigung und sieht den Theaterbetrieb in den kommenden fünf Jahren nicht gefährdet. „Der Vertrag, den wir mit der Erbenmehrheit abgeschlossen haben, wird juristisch auch vor Gericht bestehen; er ist nicht anfechtbar. So haben wir das Programm für die kommende Saison ab 8. Oktober fertig und arbeiten an der Saison 2016/17“, sagt er.
In der ersten Septemberhälfte treffen sich die Erben zum Einigungsversuch bei Gericht. In einem Mediationsverfahren sollen die Möglichkeiten ausgelotet werden, eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden.
Eigentlich kann das nicht schwierig sein, denn im Familienbesitz sind vier Gebäude zwischen Steindamm und Bremer Reihe, die zusammen einen Wert im zweistelligen Millionenbereich haben. Der Theaterbetrieb und die Vermietung erbringen Einnahmen, von denen die Familie gut leben kann.
Hans Albers, Josephine Baker, Caterina Valente, Freddy Quinn, die Comedian Harmonists, Clown Grock, Siegfried und Roy – mit dem Hansa sind viele bedeutende Namen seit mehr als 120 Jahren verbunden. 1893 hatte Paul Wilhelm Grell die Idee, Varieté mit Bierausschank anzubieten. Ein Riesenerfolg. Nach der Zerstörung im Krieg entstand 1953 das heute noch genauso existierende Hansa Varieté mit den kleinen Tischchen und dem legendären „Theaterteller“.
Schewestern wollen das Theater retten
Das Theater, das nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeschneidert in mehrere Gebäude eingepasst worden war, steht auf einem U-Bahn-Schacht, der nur neun Meter unter dem Parkplatz verläuft. „Nicht nur diese Spezialität würde den Verkauf oder die Zwangsversteigerung erschweren“, sagt Gisela Baldermann. Der Bau von Tiefgaragen sei unmöglich. „Noch mehr ist schwierig. Die Gebäude sind alle ineinander verschachtelt, die Mieter haben langfristige Verträge, und mit vielen von ihnen pflegen wir seit Jahrzehnten gute Kontakte“, sagt Gisela Baldermann.
Die Erbenmehrheit möchte mit dem Mediationstermin nicht nur eine für beide Seiten gerechte Lösung finden, sondern den Hamburgern das Hansa-Theater „für alle Zukunft“ sichern. „Das hat sich das wiederauferstandene Hansa-Theater einfach verdient“, sagt Gisela Baldermann. Auch an die Nachfolge im Hansa-Theater denkt sie schon. „Die Kinder könnten es übernehmen.“ Die dritte Erbin Helga N., die die Zwangsversteigerung beantragt hat, wollte sich auf Anfrage des Abendblatts nicht dazu äußern.
Karten für die kommende Saison gibt es
bei der Ticket-Hotline 040/ 30 30 98 98.