Hamburg. Zum Auftakt dirigierte Kent Nagano Strauss und Brahms. Nagano hatte bei Brahms offenkundig nicht vor, in Anbetungsstarre zu verharren.

Wenn ein Hamburger Generalmusikdirektor seine Abo-Konzert-Saison ausgerechnet mit Brahms’ Erster eröffnet, ist das eine unmissverständlich klare Positionsbestimmung und Ansage, an das Publikum ebenso wie an die anderen Orchester der Stadt. Mehr Lokalpatriotismus-Demonstration geht kaum, direktere Ansprache ans Traditionsbewusstsein auch nicht. Vielleicht setzte Kent Nagano bei seinem gestrigen Spielzeitauftakt in der Laeiszhalle auch gerade deswegen Strauss’ „Don Quixote“ vor das Heimspiel mit dieser Symphonie, um nach der Sommerpause den Live-Auftritts-Muskel etwas zu dehnen und wieder in Form zu bekommen, bevor es an den Brahms ging, den man hier vorwärts, rückwärts, seitwärts zu kennen glaubt.

„Don Quixote“ also, ausgerechnet. Eher ein Scharnier-Stück im Werkkatalog des Tondichtungsdichters Strauss, weniger populärbrillant als „Heldenleben“, weniger pfiffig als „Till Eulenspiegel“, längst nicht so metaphysisch betankt wie „Zarathustra“. Doch mit dem Cellisten Gautier Capuçon hatten die Philharmoniker einen Solisten zu Gast, der sich mit der Philharmoniker-Solobratschistin Naomi Seiler die Aufgaben mit unangestrengter Souveränität teilte. Capuçons nougatdunkler Cello-Ton und die sonore Dialogpartner-Bratsche vertrugen sich klanglich bestens; Naganos Dirigat hielt sich mit dem Aufwühlen und Aufbrausen der Orchesterklangmassen aber etwas zu sehr zurück, um diese Sichtweise letztlich von „interessant“ zu „spannend“ aufzuwerten.

Hauptsache war und wurde der Brahms. Und bei dem hatte Nagano offenkundig nicht vor, in Anbetungsstarre zu verharren. Von Anfang an erdete er das Stück, zog die Tempi lieber etwas an. Das brachte mitunter Momente unbedachten Feinabstimmungsrumpelns mit sich, aber auch die Anmutung, dass hier eine Suche begonnen wurde. Möchte man Rezensionen mit Blick auf die Uhr verfassen, dann: wirkte vielleicht etwas zu zügig, der dritte Satz. Möchte man das nicht: Kann man so machen. Der Finalsatz jedenfalls hatte dann wieder so seine zartherbe Art, um als idealtypischer Brahms gefeiert werden zu können: schnörkellos, mit einer Prise feinherbem Moll im Dur. Etwas Dank von Nagano ans Publikum und die Ansage, man sei bald mit diesem Vermächtnis im Gepäck auf großer Südamerika-Tournee, danach ein Stückchen aus der „Rosamunde“-Schauspielmusik von Schubert als Zugabe, und die Saison hatte verheißungsvoll begonnen.

Wiederholungskonzert heute, 20.00 Uhr,
in der Laeiszhalle