Hamburg . Was macht ein Museum aus? Das Pilotprojekt soll Hemmschwellen abbauen, Medien einsetzen und Besucher einbeziehen.
„Was macht ihr eigentlich am Montag?“ Das ist eine Frage, die sich Museumsdirektoren ziemlich oft anhören müssen, denn montags sind die meisten Museen geschlossen. Machen sich Museumsleute dann einen lauen Lenz? Lustige, spannende und lehrreiche Antworten auf diese und viele weitere Fragen sind seit Kurzem in der Hamburger Kunsthalle zu finden, im integrierten „Transparenten Museum“. Mit diesem Pilotprojekt will die Kuratorin Annabelle Görgen-Lammers in neun Kapiteln das vermitteln und zur Diskussion stellen, was ein Museum ausmacht.
Mit dem „Transparenten Museum“ soll die vielfältige Museumsarbeit „intellektuell, sinnlich und spielerisch erfahrbar“, aber vor allem als wandelbar deutlich werden. Während in England mittels Parlamentsbeschluss im Jahre 1753 festgelegt wurde, dass das damals neu gegründete British Museum vorgesehen sei „für den allgemeinen Gebrauch und Nutzen der Öffentlichkeit“, dauert der Prozess in Deutschland eigentlich bis zum heutigen Tag an, dass die Museen ein vergleichbares demokratisches Selbstverständnis entwickeln.
Die Hamburger Kunsthalle war zwar, allein durch Alfred Lichtwarks fortschrittliche museumspädagogische Ambitionen, stets näher an ihren Besuchern als viele andere. Doch geht das Haus nun, mit dem „Transparenten Museum“, das im ehemaligen Hamburger Gang (vom Café Liebermann zur Bibliothek) aufgebaut wurde, einen großen Schritt weiter auf sein Publikum zu. Wichtige Mäzene wie Beer Carl Heine werden vorgestellt, durch dessen Spenden zum Beispiel der Altar von Meister Francke gekauft werden konnte.
Besucher lernen auf großen Wandtafeln, die Provenienzforschung zu verstehen, mit Humor wird am Beispiel eines Gemäldes von Giorgio de Chirico und vieler Dokumente dargelegt, wie eine Fälschung enttarnt wird. Der angebliche de Chirico stammt in Wahrheit von Oscar Dominguez, der mit dem Geld für seine Fälschung immerhin die Widerstandsbewegung gegen die deutschen Besatzer unterstützte. Hier wird das Bild unter dem Namen des wirklichen Erschaffers präsentiert.
Dass man im 19. Jahrhundert das heutige Café Liebermann für die Präsentation von Gipskopien antiker Skulpturen nutzte, die extra angekauft wurden, relativiert plötzlich das Bestehen auf dem Original. In einigen Kapiteln laden Multimediastationen die Besucher ein, sich tiefergehend mit dem jeweiligen Stoff zu befassen und sich mit der eigenen Meinung einzubringen. Bei der Neurahmung eines Gemäldes von Max Liebermann werden die Besucher zu Vorschlägen aufgefordert, die mittlerweile massenhaft eingegangen sind. „Wir hatten am Anfang Angst, dass wir zu viel Text anbieten. Aber die Kommentare unserer Besucher zeigen uns, dass genau das eingefordert wird“, sagt die Kuratorin.
Um das Thema von mehreren Seiten zu beleuchten, hatte die Hamburger Kunsthalle kürzlich Andreas Blüm aus Groningen, der von 2005 bis 2012 das Walraff-Richartz-Museum in Köln leitete, zu einer Diskussionsrunde eingeladen, außerdem Eva Reussner, Autorin des Buches „Publikumsforschung in Museen“ und Pia Müller-Tamm, Direktorin der Kunsthalle Karlsruhe. „Der Ort der analogen Bilder kann auch im 21. Jahrhundert in der Mitte der Gesellschaft stehen“, glaubt sie. Allerdings müsse parallel dazu, die Häuser stärker zum Publikum zu öffnen, „das Museum auch als Forschungsstandort gestärkt werden. Das eine sollte nicht gegen das andere ausgespielt werden.“
Trotz der Kreativität von Museumspädagogen bleibt das Profil des klassischen Museumsbesuchers noch immer klar umrissen: 73,4 Prozent haben studiert, 17,4 Prozent Abitur, 7,9 Prozent den Realabschluss und 1,4 Prozent den Hauptschulabschluss. Das ergab eine Erhebung bei der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Menschen aus bildungsfernen Schichten werden dieser Studie zufolge nach wie vor kaum erreicht. Und der subjektive Eindruck bestätigt das. Eine Studie der Universität Lüneburg ergab allerdings einen deutlichen Zusammenhang mit der Höhe des Eintrittsgeldes und dem ausbleibenden Museumsbesuch, wovon man sich im Mai auch in der Hamburger Kunsthalle überzeugen konnte, als ein Monat mit freiem Eintritt auffallend viele Besucher lockte.
Letzten Endes aber – Pädagogik und Multimedia hin oder her – bemerkt Andreas Blüm sehr richtig, geht es im Kern noch immer darum, Themen so aufzubereiten, dass sie Interesse wecken. Das versuchte man schon im Jahre 1871 mit dem Dresdner Holbeinstreit: In der Elbresidenz stellte man zwei Mariendarstellungen öffentlich aus und ließ Kunsthistoriker darüber fachsimpeln, welche von beiden denn nun von Hans Holbein dem Jüngeren stamme. Das New Yorker Metropolitan Museum nahm diese Idee 1995 mit der Ausstellung Rembrandt/Not Rembrandt wieder auf. Blüm und sein Team am Kölner Wallraf-Richartz-Museum experimentierten damit, wie man Besucher anlocken und in Ausstellungskonzepte integrieren könne. Zum Beispiel wurde nur ein einziges Bild ausgestellt, nämlich van Goghs „Schuhe“. Dazu 25 kluge Aufsätze über das bedeutende Gemälde. Jede Woche wurden Anmerkungen von Besuchern hinzugefügt, auf einer großen Wand.
Aber vieles kommt zusammen, wenn Besucher sich im Museum wohlfühlen sollen, einiges sagt einem der vernünftige Menschenverstand. Das fängt bei der Beschilderung an, geht über die Freundlichkeit des Personals, Sitzgelegenheiten, das gastronomische Angebot und die sanitären Anlagen. Der zweite Grund, ein Museum überhaupt aufzusuchen, ergaben die Recherchen von Eva Reussner, ist, neben dem Interesse an Kunst, dort Zeit mit Freunden oder der Familie zu verbringen. Das sollte möglichst angenehm verlaufen. In der frisch sanierten Hamburger Kunsthalle wurde gerade viel dafür getan.