Sieben Hamburger Museumsdirektoren verraten, für welches Ausstellungsstück ihr Herz schlägt. Etwa für eine Lampe, die Kinder heilte.

Am Sonnabend, 9. April, feiert Hamburg die größte Kulturparty des Jahres: An der 16. „Langen Nacht der Museen“ beteiligen sich insgesamt 60 Ausstellungshäuser, Museen und Gedenkstätten mit mehr als 700 Führungen, Lesungen, Konzerten, Performances, Filmvorführungen, Vorträgen und einem großen Mitmach-Angebot

Schnappschüsse in sozialen Netzwerken posten

„Durchs Schlüsselloch fotografiert“, heißt die Aktion, für die Tausende Postkarten verteilt werden, auf denen ins Lange-Nacht-Logo ein Schlüsselloch gestanzt wurde. „Postkarte hochhalten, mit dem Handy einen schönen Moment oder ein Lieblingsobjekt durchs Schlüsselloch fokussieren, fotografieren und bis zum 12. April unter #lndmhh posten“, steht auf der Rückseite.

Wer die Schnappschüsse seiner Lieblingsstücke auf Facebook, Twitter oder Instagram postet, kann 20 Taschen aus recycelten Lange-Nacht-Bannern gewinnen, außerdem wird aus den mit Hashtag markierten Bildern ein Museumsnacht-Film produziert, der vier Tage später in den sozialen Medien zu sehen ist.

Sieben Museumsdirektoren zeigen Lieblingsobjekte

Überhaupt ist die „Lange Nacht“ eine gute Gelegenheit, die Lieblingsobjekte in den Museen mal wieder zu besuchen und sie dabei vielleicht auch Angehörigen, Freunden und Bekannten zu zeigen. Und natürlich bietet diese Kulturparty die Chance, noch unbekannte Häuser zu erkunden und dabei vielleicht auch weitere Lieblingsobjekte zu entdecken.

Wie unterschiedlich, erstaunlich und manchmal auch kurios diese sein können, haben wir vorab bei sieben Museumsdirektoren in Erfahrung gebracht, die uns ihre persönlichen Favoriten verraten habe.

Matthias Glaubrecht, Centrum für Naturkunde der Uni Hamburg

Matthias Glaubrecht vor einem Walschädel
Matthias Glaubrecht vor einem Walschädel © Uni Hamburg

Glaubrecht vergleicht sein Lieblingsobjekt aufgrund seiner Geschichte und Bedeutung gar mit Leonardos Mona Lisa. „Mein Favorit ist mit ihren 330 Jahren nicht nur alt, sondern dank der beiden langen Stoßzähne weltweit einmalig“, sagt er über den Schädel eines arktischen Narwals, der zugleich von der bewegten Geschichte der naturwissenschaftlichen Sammlungen Hamburgs erzählt. 1684 brachte ein Kapitän auf seinem Walfänger den Schädel eines ,Einhornfisches’, wie Narwale damals hießen, mit. Nach einer Odyssee durch verschiedene Privatsammlungen und die ersten Kaufmannsmuseen Hamburgs wurde er 1847 für das Naturhistorische Museum erworben, das 1891 am Steintorwall eröffnete, aber 1943 durch Brandbomben zerstört wurde. „Dank eines beherzten Präparators, der den Narwal-Schädel kurz zuvor im Keller eingemauert hatte, überstand er den Krieg. Heute ist er gleich rechts am Eingang zur Ausstellung im Zoologischen Museum zu sehen. Dort können ihn die Besucher der Lange Nacht kaum verfehlen“ , sagt Glaubrecht.

Julia Staron, Sankt Pauli Museum

Julia Staron mit einer Hamburg-Karte von 1888
Julia Staron mit einer Hamburg-Karte von 1888 © Sankt Pauli Museum

Die Leiterin des Sankt Pauli Museums hat sich für eine originale Hamburgkarte aus dem Jahr 1888 entschieden. Zur Begründung sagt sie: „Nirgendwo sonst lässt sich die Geschichte der Stadt und damit auch des wohl berühmtesten Vorortes der Welt – 1888 tatsächlich bereits Sankt Pauli genannt – besser ablesen. Die Rolle des verbannten Areals vor den Mauern der Stadt hat wesentlich den Widerstandswillen und die Kreativität in Sachen wirtschaftlicher Existenz seiner Bewohner geprägt.“

Hans-Jörg Czech, Hamburg Museum

Hans-Jörg Czsech mit einem Gemälde, das das die Alster zeigt
Hans-Jörg Czsech mit einem Gemälde, das das die Alster zeigt © Hamburg Museum

Fragt man den neuen Direktor des Hamburg Museums nach seinem Lieblingsstück, sagt er erst einmal schmunzelnd, dass die Uhren zur Langen Nacht auch in seinem Haus etwas anders gehen als an normalen Tagen. Dazu passt seine Wahl, mit der er alle Besucher auf das Gemälde vom Alsterpanorama hinweisen möchte, das zugleich eine Bilderuhr ist. „Mit Auslösung einer komplexen Mechanik gerät das Bild in Bewegung und fängt an zu klingen. Es ist eines der bemerkenswertesten Objekte des Museums, das zu längerem Verweilen einlädt“, meint der Museumschef.

Philipp Osten, Medizinhistorisches Museum

Philipp Osten mit der Höhensonne
Philipp Osten mit der Höhensonne © Medizinhistorisches Museum

Osten schwärmt von einer künstlichen Höhensonne aus den 1920er-Jahren. „Im Hungerwinter 1918/19 entdeckte der Kinderarzt Kurt Huldschinsky, dass sich die vor allem bei Kindern weit verbreitete Rachitis mit ultraviolettem Licht heilen lässt. Innerhalb weniger Wochen richteten Krankenkassen Licht-Badeanstalten mit solchen UV-Lampen ein“, erklärt der Museumsleiter. Später habe sich herausgestellt, dass Kindern mit Rachitis Vitamin D fehlt, das durch Lichteinwirkung in der Haut entsteht. „Heute bekommen Säuglinge das künstliche Sonnenlicht prophylaktisch in Tablettenform.“

Die alte Lampe, die eine Kinderkrankheit verschwinden ließ, ist Philipp Ostens Lieblings­objekt.

Joachim Schulz, Polizeimuseum

Ein bisschen ungemütlich: Polizeimuseums-Chef Joachim Schulz sitzt auf einer Anlage, mit der Verbrecher einst fotografiert wurden
Ein bisschen ungemütlich: Polizeimuseums-Chef Joachim Schulz sitzt auf einer Anlage, mit der Verbrecher einst fotografiert wurden © Polizeimuseum Hamburg

"Besonders gemütlich sitzt es sich nicht auf dem hölzernen Foto-Steg", räumt Joachim Schulz ein. Normalerweise sitzt man auch nicht freiwillig auf dieser Apparatur, die zu seinen Lieblingsobjekten gehört. „Es dokumentiert auf einzigartige Weise, wie rasant sich die Kriminalfotografie in den zurückliegenden 100 Jahren entwickelt hat“, sagt der Kriminalhauptkommissar. Erfunden wurde der Foto-Steg um 1900 von Alfonso Bertillon, um international vergleichbare Porträtaufnahmen von Tatverdächtigen anzufertigen. „Heute spricht die Polizei ganz einfach von erkennungsdienstlicher Behandlung“, erklärt Schulz.

Dirk Luckow, Deichtorhallen

Deichtorhallen-Chef Dirk Luckow mit dem
Deichtorhallen-Chef Dirk Luckow mit dem "Homo Americanus" © Deichtorhallen

Wer Deichtorhallen-Chef Dirk Luckow zu seinem aktuellen Lieblingstück begleiten möchte, muss den Innenstadtbereich verlassen. Er führt uns in die Sammlung Falkenberg in Harburg, wo er in der aktuellen Raymond-Pettibon-Ausstellung fündig wurde. „Er gehört zu den wichtigsten zeitgenössischen amerikanischen Künstlern. Zugleich ist er auch ein Chronist eines gescheiterten ,American Dreams’ – einer ziemlich verrohte Lebenswirklichkeit, in der auch die Rebellion dumpf bleibt. Der ,Homo Americanus’, hier als Punk mit regenbogenfarbenem Black Flag-Logo dargestellt, ist ein fantastisches Schlüsselbild der aktuellen Ausstellung in der Sammlung Falckenberg der Deichtorhallen Hamburg, das ich den Besuchern der Langen Nacht nur ans Herz legen kann“, sagt der Deichtorhallen-Chef.

Sabine Schulze, Museum für Kunst und Gewerbe

Sabine Schulze mit ihrem Lieblingsstück: einer Jugendstillampe
Sabine Schulze mit ihrem Lieblingsstück: einer Jugendstillampe © Marcelo Hernandez

Sabine Schulze ist relativ frisch verliebt: „Mein aktuelles Lieblingsstück ist die Pond Lily-Lampe von Louis C. Tiffany, die um 1910 gefertigt wurde. Dieses großartige Objekt aus kostbarem Favrile-Glas und Bronze, hat die Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen im vergangenen Jahr für unsere Jugendstilsammlung erworben. Jetzt ergänzt dieses Prunkstück das ,Pariser Zimmer’, das seit Herbst vergangenen Jahres in neuem Glanz erstrahlt und zu den großartigsten Raumkunstwerken des Jugendstil überhaupt gehört“, sagt Sabine Schulze. Ihr Vorgänger Justus Brinckmann, der Gründungsdirektor des Museums, hatte dieses ursprünglich für ein Hotel in Nizza bestimmte Zimmer auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 für Hamburg gekauft. „Ich kann jedem Lange-Nacht-Besucher nur empfehlen, nicht nur unsere großartige Tiffany-Lampe, sondern die gesamte neu gestaltete Jugendstil-Abteilung anzusehen“, sagt Sabine Schulze.