Wacken. Sommer, Sonne, Wackenschein! Polizei: Es herrscht das typische Wacken-Feeling. Etliche “alkoholbedingte Ausfallerscheinungen“.
Iron Maiden setzte beim Festival von Wacken 2016 das erste große Highlight. Das Konzert der Männer um Bruce Dickinson wurde live im Internet übertragen. Der deutsch-französische Kultursender Arte wurde seinem Programmauftrag gerecht. Auch auf der Homepage von Wacken war die Show zu sehen.
Und wer sprach ebenfalls von einem gelungenen Festivalstart? Die, die es mit am besten wissen sollten: die Polizei. Aus der Polizeidirektion Itzehoe hieß es am Freitag, es herrsche das typische Wacken Feeling. Aber: "Offenbar müssen sich allerdings einige erst wieder an den erhöhten Alkoholkonsum gewöhnen. Polizei und Rettungsdienst hatten mit etlichen alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu tun. Auch kleine Mengen Drogen waren im Spiel. Die Polizei konnte bei zwölf Besuchern Marihuana sicherstellen und musste entsprechende Anzeigen schreiben."
Sechs Autofahrer mussten zur Blutprobe – Drogenverdacht. 25 Diebstähle seien gemeldet worden, außerdem ein Raub. Ein 39 Jahre alter Mann habe sich unter Alkoholeinfluss verlaufen. Als er sein Wasser abschlagen wollte, sei er von drei Männern zu Boden gedrückt und durchsucht worden. Ihm seien 90 Euro gestohlen worden. Eine Isländerin (19) habe außerdem eine Sicherheitskraft zu treten versucht. Die junge Frau musste wegen ihres Widerstandes von vier Polizisten gefesselt werden.
Der Bühnen-Hopping-Stress beginnt
Toll, die klingen tatsächlich wie früher! Hätte ich jetzt noch ein paar Blätter Papier und einige Würfel dabei, ich würde sofort eine Rollenspiel-Runde anzetteln. Auch toll: Einer der Gitarristen (fragen Sie bloß nicht, wer, das ist doch alles so lang her) trägt ein Blind-Guardian-Schweißband ums Handgelenk. Praktisch, falls man mal vergisst, in welcher Band man spielt. Was übrigens noch praktisch ist, zumindest für sie: Den Geruch des vollständig umgepflügten Infields kann ich Ihnen nur beschreiben, nicht direkt übertragen: Stellen Sie sich einen in Bier und Männerschweiß getränkten Hund vor, der sich in irgendwas Undefinierbarem gewälzt hat. Übrigens geht schon wieder der Bühnen-Hopping-Stress los: Blind Guardian spielen noch bis Mitternacht, aber um 23.50 Uhr fangen auch Red Fang im Zelt an. Und um 0.15 Uhr geht es auf einer der großen Bühnen weiter mit Ministry. Und falls mir dann noch nicht die Füße abgefallen sind, kann ich ab 1.45 Uhr noch zu Testament. Wird er das alles schaffen? Wird er aufgeben? Und stinkt es wirklich so schlimm? Die Antwort auf diese und andere Fragen erhalten Sie morgen an dieser Stelle. Denn unsere tapfere Online-Redaktion (huhu!) macht um Zwölf Fofftein. Es sei den Kollegen gegönnt.
Termin mit Elfen, Hobbits und Fantasy-Metal
Von Norddeutschland bis in die Schweiz sind es nur ein paar Meter. Auf der Party Stage Torfrock, auf der Black Eluveitie. Falls Ihnen beides nichts sagen sollte: Torfrock klingen wie Holsteiner Landwirte nach dem zwölften Korn-Fanta. Und Eluveitie wie eine beliebige Mittelaltermarkt-Combo nach schlechtem Crack. Jetzt erstmal Pause, man ist ja keine 20 mehr. Also ich nicht. Andere aus unserem Camp benehmen sich zumindest so und machen knallhart weiter. Da dieser Text familienkompatibel bleiben soll, werde ich Tarja Turunen auslassen und habe entsprechend den nächsten Termin erst um 22.30 Uhr, mit Elfen, Hobbits und Fantasy-Metal von Blind Guardian. Die mochte ich mal sehr gern. Da war ich zwar erst 14. Aber vielleicht hilft das ja beim Energienachschub...
Overthrust – vier von fünf Ohrenstöpseln
Weiter, immer weiter. Was mittags an Bands verpasst wurde, muss nun wieder reingeholt werden. Vorher aber gibt es noch ein Sicherheitsrisiko der besonderen Art. Mit dem Döner aus der Fressmeile von draußen ins Infield, ob das klappt? Ja, aber erst seit dem hastig verkündeten Security-Update. Anscheinend haben die ebenso anscheinend verfeindeten Bräter, Beleger und Frittierer vor und hinter der Schleuse ihre Vendetta beigelegt. Obwohl: Uns würde auch nicht wundern, fänden wir morgen früh ein Angebot, das man nicht ausschlagen kann auf unserem Campingtisch. Wir haben ja schon über einiges diskutiert an Security-Schleusen, aber über Häckseltier im Fladenbrot? Das ist neu. Egal, die Bands drängen: Der Axel, der Rudi, der Pell gniedelt wie eh und je, feinfein, was gibt's noch? Industrial-Geknüppel von den Krupps? Ach, verdammt, zu spät. Soll aber ganz gut gewesen sein abgesehen vom Sound im Zelt, erfahren wir im Vorbeigehen. Dann kann man aber zumindest noch mal eben bei den wahnsinnigen Death-Metal-Prüglern Overthrust vorbeischauen. Stiftung Metaltest bewertet den Auftritt der Herren aus Botswana, die gerade ihren ersten Gig auf diesem Kontinent spielen, mit vier von fünf Ohrenstöpseln: sehr laut, sehr hart. Das Todesmetallerherz ist höchst erfreut. Und wuselt samt umgebendem Körper weiter. Bier ist alle und Hunger ist auch noch nicht gestillt. Außerdem spielen gleich Torfrock und wir haben heute noch nix mitgegrölt... "Renate", wir kommen!
Sommer, Sonne, Wackenschein
Hurra, Sommer! Nach einem weiteren Regen-Intermezzo am Vormittag hält nun der Sommer Einzug in Wacken. Entombed A.D. beschwören Tod und Teufel auf der Bühne und die Sonne lacht dazu. Wir freuen uns schon auf den halboffiziellen Bruder von Bert Wollersheim, Axel Rudi Pell, der gleich die True Metal Stage unsicher macht.
Die Krupps werden wohl den industriell Kürzeren ziehen, bei dem Wetter machen Draußen-Konzerte einfach viel mehr Spaß. Obwohl... Mir fällt gerade die Sonnencreme ein, die ich heute Morgen aus dem Reise-Necessaire gekramt hatte. Und die seitdem irgendwo im Transporter herumfliegt. Na ja. Sommerröte ist ja auch schön.
Warum Wacken Seelsorger braucht
Die 20 Seelsorger in Wacken bieten bis Sonntag ihre Hilfe an. Abwechselnd im Schichtdienst stehen sie rund um die Uhr für Gespräche bereit. "Wir wollen Menschen in Krisen und schwierigen Situationen nicht alleine lassen", sagte Tilman Lautzas, Jugendpastor der evangelischen Nordkirche, der das Festival-Seelsorgeteam leitet, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zu seinem Team gehören weibliche und männliche Psychologen, Diakone, Sozialpädagogen und fünf Pastoren.
Unter ihnen ist auch Christine Halisch (42), Pastorin in Hamburg-Hoheluft. Sie ist zum sechsten Mal in Wacken dabei. Sie selbst hat schon Krisen auf Großereignissen erlebt - allerdings beim vergleichsweise ruhigen Kirchentag. "Als 19-Jährige war ich beim Kirchentag in München sehr unglücklich verliebt", erinnert sie sich. "Ohne seelsorgerliche Hilfe ist solcher Kummer nur schwer zu überwinden."
Die Blog-Einträge von Abendblatt-Autor Alexander Josefowicz vom Donnerstag
Regen an, Regen aus
Kurz nachdem ich mich an dieser Stelle über den Regen echauffiert habe, hatte er auch schon wieder aufgehört. Also sind wir flugs zur Bühne rüber und hatten auch nur eine Viertelstunde Verspätung: Hurra! Bruce und Co. hatten zwar ohne uns angefangen, aber irgendwas ist ja immer. Und nun ist's auch wieder sehr schön, obwohl man Herrn Dickinson die 71 absolvierten Konzerte der Tour, die heute und hier mit dem 72. zu Ende geht, deutlich anhört. Der dann wieder ein- und aus-, ein- und aussetzende Regen schreckt uns nun auch nicht mehr sonderlich, Gummistiefel und Poncho sei Dank. Wie steht es so schön auf den Wacken-Ponchos: In mud we trust. Wenn sich jetzt noch das Handynetz dazu durchringen könnte, es dem Wetter nicht mehr gleich zu tun, wären wir fast wunschlos glücklich.
Geschicktes Timing
Manchmal ist es gar nicht so blöd, den basalen Neigungen nachzugeben. Keine Angst, es bleibt jugendfrei und familienfreundlich. Wir hatten uns nur gegen Whitesnake und für einen Zwischenstopp am Camp entschieden, um einen Happen zu essen und kurz die Füße hochzulegen, bevor Maiden auf die Bühne gehen.
Und prompt, als wir überlegen, dass wir zwecks Pünktlichkeit langsam wieder loslaufen sollten, fängt es an zu regnen. Mit Schwung. Unser Regenwasserablauf, auch Abwaschstation, füllt Teller und Töpfe in wenigen Minuten. Tja. Und nun? Warten wir erst noch mal ein paar Minuten auf Besserung. Iron Maiden spielen ja zwei Stunden lang. Um uns für eine Band - sogar diese Band - mutwillig nassregnen zu lassen, sind wir einfach zu alt.
Irgendwie fremdartig
Foreigner spielen gerade und wir lernen wichtige Dinge: Aerosmiths Steven Tyler hat sich Posing und Mode beim Frontmann Kelly Hansen abgeschaut, Gitarren kann man nie genug haben (wir zählen gleich drei der Sechssaiter) und Classic Rock in Wacken sieht genauso schräg aus (Hansen trägt nicht nur Sonnebrille und Flatterschal, sondern auch eine knallenge, schneeweiße Hose zum Sakko mit hochgekrempelten Ärmeln) wie es sich anhört... Dafür kann man "You're as cold as ice" und "Urgent" prima mitgrölen. Und das ist doch auch was.
Sakrileg am Morgen
Nebenan begeht ein Mann das Metal-Sakrileg schlechthin: Er kippt Bier weg! Das kann man doch nicht tun! Vor Schreck fällt dem weiblichen Teil unseres Camps fast die Nagelfeile in den Espresso: "Wie verroht kann man sein?" Ich verschlucke mich beinahe an der Avocado, unser Zweimeter-Bär kann sich nur mit Mühe beherrschen, seinen Kakao nicht durch die Gegend zu prusten.
Der Musiker in unserem Camp blickt von seinem Nutella-Brötchen auf und schüttelt wortlos den Kopf. Auf den Schreck färben wir der Berlinerin erstmal die Haare. Es kann nicht mehr lange dauern, bis wir hier aufbrechen. Nur noch abwaschen, duschen und Bier kalt stellen. Ach ja, und noch ein-zwei Patches auf die Kutte nähen. Heavy Metal ist eben kein Kindergeburtstag.
Wie wir es früher geschafft haben, nur mit einem kleinen Rucksack auf ein Festival zu fahren, ist uns fast genauso schleierhaft wie das Verhalten des Bier-Wegschütters.