Wacken. Bier wegschütten? Ein Sakrileg in Wacken! Die Wackinger feiern Iron Maiden trotz An-Aus-Regenwetter. Der Abendblatt-Blog.
An diesem Donnerstag spielen beim Festival von Wacken 2016 Henry Rollins, Saxon und Iron Maiden – unter anderem. Der bekannte Metal-Sender Arte (ja, dieses Arte) zeigt die Höhepunkte hier im Livestream, darunter die gigantische Show von Iron Maiden (ab 21.30 Uhr).
In Wacken harrt auch Abendblatt-Autor Alexander Josefowicz aus, der Josi. Er bloggt hier, was das schwache Internet in Wacken hergibt.
Regen an, Regen aus
Kurz nachdem ich mich an dieser Stelle über den Regen echauffiert habe, hatte er auch schon wieder aufgehört. Also sind wir flugs zur Bühne rüber und hatten auch nur eine Viertelstunde Verspätung: Hurra! Bruce und Co. hatten zwar ohne uns angefangen, aber irgendwas ist ja immer. Und nun ist's auch wieder sehr schön, obwohl man Herrn Dickinson die 71 absolvierten Konzerte der Tour, die heute und hier mit dem 72. zu Ende geht, deutlich anhört. Der dann wieder ein- und aus-, ein- und aussetzende Regen schreckt uns nun auch nicht mehr sonderlich, Gummistiefel und Poncho sei Dank. Wie steht es so schön auf den Wacken-Ponchos: In mud we trust. Wenn sich jetzt noch das Handynetz dazu durchringen könnte, es dem Wetter nicht mehr gleich zu tun, wären wir fast wunschlos glücklich.
Geschicktes Timing
Manchmal ist es gar nicht so blöd, den basalen Neigungen nachzugeben. Keine Angst, es bleibt jugendfrei und familienfreundlich. Wir hatten uns nur gegen Whitesnake und für einen Zwischenstopp am Camp entschieden, um einen Happen zu essen und kurz die Füße hochzulegen, bevor Maiden auf die Bühne gehen.
Und prompt, als wir überlegen, dass wir zwecks Pünktlichkeit langsam wieder loslaufen sollten, fängt es an zu regnen. Mit Schwung. Unser Regenwasserablauf, auch Abwaschstation, füllt Teller und Töpfe in wenigen Minuten. Tja. Und nun? Warten wir erst noch mal ein paar Minuten auf Besserung. Iron Maiden spielen ja zwei Stunden lang. Um uns für eine Band - sogar diese Band - mutwillig nassregnen zu lassen, sind wir einfach zu alt.
Irgendwie fremdartig
Foreigner spielen gerade und wir lernen wichtige Dinge: Aerosmiths Steven Tyler hat sich Posing und Mode beim Frontmann Kelly Hansen abgeschaut, Gitarren kann man nie genug haben (wir zählen gleich drei der Sechssaiter) und Classic Rock in Wacken sieht genauso schräg aus (Hansen trägt nicht nur Sonnebrille und Flatterschal, sondern auch eine knallenge, schneeweiße Hose zum Sakko mit hochgekrempelten Ärmeln) wie es sich anhört... Dafür kann man "You're as cold as ice" und "Urgent" prima mitgrölen. Und das ist doch auch was.
Sakrileg am Morgen
Nebenan begeht ein Mann das Metal-Sakrileg schlechthin: Er kippt Bier weg! Das kann man doch nicht tun! Vor Schreck fällt dem weiblichen Teil unseres Camps fast die Nagelfeile in den Espresso: "Wie verroht kann man sein?" Ich verschlucke mich beinahe an der Avocado, unser Zweimeter-Bär kann sich nur mit Mühe beherrschen, seinen Kakao nicht durch die Gegend zu prusten.
Der Musiker in unserem Camp blickt von seinem Nutella-Brötchen auf und schüttelt wortlos den Kopf. Auf den Schreck färben wir der Berlinerin erstmal die Haare. Es kann nicht mehr lange dauern, bis wir hier aufbrechen. Nur noch abwaschen, duschen und Bier kalt stellen. Ach ja, und noch ein-zwei Patches auf die Kutte nähen. Heavy Metal ist eben kein Kindergeburtstag.
Wie wir es früher geschafft haben, nur mit einem kleinen Rucksack auf ein Festival zu fahren, ist uns fast genauso schleierhaft wie das Verhalten des Bier-Wegschütters.
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Je später der Abend, desto "Wer sind Sie?"
Auch und gerade, wenn man sich inzwischen häuslich eingerichtet hat, sollte man bedenken, dass offizieller Festivalbeginn erst am Donnerstag ist. Will sagen, es kommen immer noch Menschen an. Man mag es kaum glauben, wenn man sich umsieht, über das Gelände stromert oder Tarja Turunen bei ihrem exklusiven Auftritt in der Wackener Dorfkirche zuhört. Immerhin ist eigentlich überall alles voller Leute.
Und trotz des riesigen Areals von mehr als 220 Hektar (bummelig) wird es langsam eng. Wer spät kommt, braucht entweder gute Freunde, die einem ein wenig Platz freihalten. Oder eine gehörige Portion Dreistigkeit. Denn wenn die Freunde gerade mal für ein Stündchen nicht da sind, erwartet sie unter Umständen eine Überraschung: ein Sechs-Mann-Zelt und zwei Autos zum Beispiel, deren Insassen einen zwar freundlich, aber auch auf Sächsisch und mit den Leinen ziemlich genau im Zelteingang eines unserer wackeren Wacken-Streiter begrüßen.
Die waren vorhin noch nicht hier, da sind wir uns sehr sicher. Daran könnten wir uns erinnern. Dabei waren wir nur kurz weg, auf der Suche nach Entertainment und solchen Sachen. Schließlich hat der Regen aufgehört und scheint sich auch nicht anzuschicken, einen weiteren Auftritt hinzulegen. Na ja, irgendwie werden wir unsere Nachzügler noch unterbekommen. Aber eins ist sicher: Bis nicht alle da sind, lassen wir unser Camp nicht mehr alleine. Da könnte ja jeder kommen. Im Wortsinn.
Das Schuhwerk tut seinen Dienst
Thema des Tages bleibt die Meteorologie: Kaum hat man beschlossen, dem Wetterbericht Glauben zu schenken und sich aufzumachen gen lauter Musik, fängt es auch schon wieder an zu regnen. Nun gut, man ist ja nicht aus Zucker, tourt also doch ein wenig übers Gelände. Dort gibt es die unterschiedlichsten Schuhmoden zu bestaunen, von Wathose bis Leinensneakers; der allgemeine Konsens scheinen aber - wie immer - schwere Stiefel zu sein. Auch bei uns, übrigens.
Das Schuhwerk tut seinen Dienst, von der Mittelalter-Bühne mit Versengold bis hin zum Wacken-Faktotum Mambo Kurt und seinen Heimorgelinterpretationen diverser Klassiker. Das Wort "Klassiker" sollte dabei nicht zu eng verstanden werden: Wenn die Chance besteht, dass mehr als ein Drittel vor der Bühne den Song kennen, den der Mann im Polyester-Anzug anstimmt, wird er ihn spielen, ganz gleich, ob "Bomb Track" von Rage Against the Machine, "Maria... I Like it Loud" von Scooter oder sonstwas. Mambos Publikum weiß, was es hören will, Mambo weiß, was er spielen soll, alle sind laut und glücklich in der kurzen Regenpause.
Danach... Nun, wir stehen hoch und trocknen, das aber bedurfte einiger Wegstrecke. Dem allgemeinen Optimismus, dass es bestimmt bald stabil besser werden wird, tut das aber keinen Abbruch. Immerhin sind wir von den Wolkenbruch- und Matschjahren '12 und '15 noch meilenweit entfernt. Noch.
Sprechen Sie mir nach: Hteththemeth
Erfolgserlebnisse an Wackenmorgen 0 (immerhin beginnt das Festival eigentlich erst morgen, auch wenn die Ersten bereits am Montag aufgebaut haben): Die Bialetti funktioniert. Und der Regen, der von unserer eher schlecht als recht zwischen den Autos gespannten Plane abläuft, trifft zielgenau das Geschirr von gestern Abend. Dafür verweigert die gestern noch als Nonplusultra gelobte Anschaffung eines Solarladegeräts die Tätigkeit. Nun gut, bei vollständig wolkenverhangenem Himmel, aus dem es zudem ausführlich tropft, verwundert das nur bedingt.
Freuen über die Sonne in Tropfenform dürften sich allerdings die Nachwuchsbands des Metal Battles, die gerade ihr Equipment in die Shuttles verladen: Sie spielen auf den überdachten Bühnen im Zelt. Und die werden sicherlich gut besucht sein, auch wenn man keine Ahnung hat, wer Hteththemeth (wie man die Rumänen wohl ausspricht?), Profaner oder Preternatural sind. Ein weiterer Wetterklassiker: Just in dem Moment, als man frisch geduscht und mit neuem (Metal-) T-Shirt versehen aufbrechen möchte, besinnt sich der Regen seines Auftrags und fällt mit erneuerter Motivation. Diese wiederum senkt auf unserer Seite das allgemeine Bestreben danach, die Teile des Holy Wacken Land zu erkunden, die zum einen geöffnet und zum anderen nicht überdacht sind.
Wackeeeeeeen! – Schnauze!
Immerhin hört man von unserem Campingplatz aus nicht nur Generatorgeratter und vereinzelte "Wackeeeeen!" "Schnauze!"-Dialoge, sondern auch Sunless Dawn aus Dänemark, die gerade im Zelt ohrenscheinlich alles geben. Wir warten trotzdem noch mal ein paar Minuten ab. Schließlich hat mindestens ein Wetter-App-Orakel behauptet, dass der Regen Schlag 14 Uhr aufhören soll. Wir sind gespannt. Und vertreiben uns die Zeit mit Regen-Abwasch und Nahrungsaufnahme (fest und flüssig). Rain or shine klingt halt nur 51 Wochen lang wie ein toller Schlachtruf. Wenn man dann tatsächlich im Einen steht, wünscht man sich sehnlichst das Andere herbei.