Hamburg. Im Sommer spielen Hamburgs Orchester gern draußen und manchmal auch umsonst – als Musikstadt-Botschafter in eigener Sache. Die Termine.

Klassik an der frischen Luft, das ist kein Selbstgänger. Okay, es gibt die sagenumwobene Arena di Verona, es gibt die Waldbühnenkonzerte der Berliner Philharmoniker, es gibt die große Picknick- und Champagnertradition auf den nagelscherenmanikürten Rasenflächen britischer Anwesen. Aber ausgerechnet in Hamburg, das sich doch sonst so gern als Brückenkopf des Vereinigten Königreichs versteht, drängen klassische Töne eher wenig nach draußen.

Das liegt ganz vielleicht doch ein bisschen am Klima, könnte man argwöhnen. Weshalb den Veranstaltern gerade heiß und kalt werden dürfte beim Blick auf die Wettervorhersage. Ausgerechnet in den nächsten Tagen stehen nämlich einige Open-Air-Konzerte an.

Das NDR Elbphilharmonie Orchester spielt an diesem Wochenende gleich an zwei Abenden in der HafenCity. Die Leitung hat Krzysztof Urbański, den Solopart bei Schostakowitschs Cellokonzert übernimmt Sol Gabetta, und nach der Pause gibt es die Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ von Dvorák.

Hochkarätige Besetzung und ein robustes Programm, das ist die Rezeptur der Wahl für Open-Air-Konzerte. Die müssen nicht nur die Botschaft der Musik ohne Konzertsaalakustik an die Hörer bringen, sondern sie sollen, je näher die Elbphilharmonie kommt, desto mehr klassische Musik niedrigschwellig vermitteln.

Symphoniker: erstes Konzert am kommenden Dienstag

„Wir kommen zu den Menschen“, betont Daniel Kühnel, der Intendant der Hamburger Symphoniker, „und zwar zu allen. Musik muss ein zentraler Teil des Lebens in dieser Stadt sein. Jeder Hamburger muss sich mit ihr identifizieren, sie muss überall spürbar sein. Nur dann ist die Musikstadt wahrhaftig.“

Die Symphoniker sind mit ihrer alljährlichen Reihe im Rathaus-Innenhof sowieso die Routiniers unter den Open-Air-Klassikern. Das erste Konzert ist am kommenden Dienstag, auf dem Programm steht wiederum, wie beim NDR, Dvoráks „Neue Welt“. Ende Juli dann drehen die Musiker für ihre junge Reihe „MusikImPuls“ mal eben den Dirigierstab um: „Dirigiert uns!“ heißt das Konzert im Rathaus-Innenhof, bei dem jeder Passant mal ans Pult des Orchesters darf. Und am eigenen Leib erleben, wie langsam, schwankend, fix oder auch chaotisch Mozarts „Zauberflöten“-Ouvertüre klingen kann, wenn die Musiker genauso spielen, wie man eben den Taktstock schlägt. Könnte süchtig machen, so ein Erlebnis.

Das Ensemble Resonanz verlegt seinen „Urban String“ nach Wilhelmsburg und holt sich für die Freiluftveranstaltung den finnischen E-Gitarristen Kalle Kalima dazu, aber auch Musiker aus Wilhelmsburg und von der Veddel wie die Sängerin Derya Yildirim oder die Balkan Band. Zu hören ist ein bunter Strauß mit Ligeti und Bartók, mit Musik der Sinti und Roma und viel Improvisation.

„Wir sind ein Kammerorchester und spielen klassische und neue klassische Musik. Die Musikkultur auf den Elbinseln ist sehr lebendig und vielschichtig“, sagt Geschäftsführer Tobias Rempe. „Wir haben uns schon lange gewünscht, der Szene dort unsere Musik vorzustellen.“ So sehr, dass das Ensemble auf Eintritt verzichtet. Wenn die Musiker schon auf ihre Zielgruppen zugehen, dann richtig.

Elbphilharmonie Orchester hofft auf neue Hörerkreise

Auf neue Hörerkreise hofft auch das NDR Elbphilharmonie Orchester. „Wenn es uns gelingt, viele Menschen zu überzeugen, dass ein klassisches Konzert ein cooles Event sein kann, das man in entspannter Atmosphäre mit Familie und Freunden vielleicht sogar in Verbindung mit einem abendlichen Picknick genießen kann, haben wir ein wesentliches Ziel erreicht“, sagt der Orchestermanager Achim Dobschall. Wer keine der insgesamt 2000 Karten kaufen will, der kann die Konzerte am Elbufer kostenlos auf riesigen Videoleinwänden verfolgen.

Hat irgendjemand gesagt, dass Public Viewing nur für Fußballspiele da ist?

Wettertechnisch haben die Symphoniker ihren B-Plan seit jeher in der Tasche; schon so manches Mal sind Musiker und Zuhörer vom Rathaus-Innenhof in den direkt angrenzenden Großen Börsensaal der Handelskammer umgezogen. „Wir entscheiden das so knapp wie möglich vor Konzertbeginn. Da laufen die Telefondrähte zum meteorologischen Dienst heiß“, erzählt Kühnel und scherzt: „Es fühlt sich dann im Büro ein wenig an, wie ich mir einen Flug­tower bei aufziehendem Sturm vorstelle.“

Im Rathaus-Innenhof bleibt der Klang durch die umgebenden Mauern recht konzentriert. Ansonsten eignet sich Zartes und Getragenes für draußen weniger. Die klanglichen Feinheiten, die gerade an Streichinstrumenten so einzigartig sind, fallen leicht unter den Radar. Deshalb sind die Streicher des Ensemble Resonanz auf dem Klütjenfelder Hauptdeich auf Verstärkung angewiesen. Und das NDR Elbphilharmonie Orchester wird zwar auf einer eigens errichteten Bühne spielen, braucht für den richtigen Sound aber trotzdem eine
Lautsprecheranlage, ganz wie bei den Waldbühnenkonzerten. Fehlt eigentlich nur noch der Wald. Aber dafür haben die in Berlin keine Elbe.

„elbinsel open air“ Fr 8.7., 20.00, Klütjenfelder Hauptdeich, Deichkilometer 0,5, Spreehafen. Eintritt frei

„HafenCity Open Air“ 8. und 9.7., jeweils 21.00, Baakenhöft. Einlass ab 19.00, Karten ab 31,90 Euro unter T. 44 19 21 92. Public Viewing am Buenos-Aires-Kai und neben der Baakenhafenbrücke

1. Hamburger Rathauskonzert 2016 12.7., 19.00, Rathaus-Innenhof. Karten zu 26, - unter der Abendblatt-Tickethotline T. 30 30 98 98 und in der HA-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18-32

„Dirigiert uns!“ Sa 23.7., 13.00, Rathaus-Innenhof, Eintritt frei