Hamburg. Tom Gaebel sang am Museum der Arbeit Klassiker von Frank Sinatra. Ein gelungener Abend. Gaebel überzeugte mit seinen Interpretationen.

Die 41 Jahre sieht man ihm nicht an. Tom Gaebel umgibt immer noch eine etwas Bubi-hafte Aura. Mit seiner jungenhaften Ausstrahlung wirkt er völlig anders als der Künstler, dessen Songs er sich in diesem Jahr widmet. Als Frank Sinatra 41 war, hatte der schon ein bewegtes Leben mit strahlendem Aufstieg, blutenden Stimmbändern und zahllosen Affären hinter sich.

Mitte der 50er-Jahre startete Sinatra, Jahrgang 1915, sein Comeback mit einem neuen Vertrag bei Capitol, erfolgreichen Las-Vegas-Auftritten, vier Filmen im Jahr und einer eigenen Fernsehshow. Zwar gehört auch lässiges Fingerschnippen aus der Hüfte zur Bühnenshow des deutschen Crooners, doch Gaebel versucht sich nicht daran, eine 1:1-Kopie des amerikanischen Superstars zu geben. Hat er auch nicht nötig, weil er selbst ein gutes Gespür für Jazz und Swing hat und ein erfahrener Bandleader ist, der mit seinem Orchester auch schon zehn Jahre auf Achse ist – nicht nur mit Sinatra-Songs, sondern mit vielen eigenen Nummern.

Tom Gaebels Stimme erinnert an die von Frank Sinatra

Bei der laufenden Tournee gastiert Gaebel im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Innenhof des Museums für Arbeit – und hat erst mal Glück mit dem Wetter. Trotz gegenteiliger Vorhersagen können die Regencapes in der Tasche bleiben, die Zuschauer erleben einen wundervollen lauen Sommerabend mit den Klassikern aus dem Repertoire von „Ol’ Blue Eyes“. Gaebels Band, mit dem Bus von Köln angereist, hatte nicht ganz so viel Glück. Die zwölf Musiker sind erst 20 Minuten vor Konzertbeginn angekommen, nachdem sie lange in einem Autobahnstau standen. Doch anzumerken ist ihnen das nicht. Als das Konzert um kurz nach 20 Uhr mit „The Lady Is A Tramp“ beginnt, ist das Ensemble hoch konzentriert bei der Sache und spielt die Arrangements mit der nötigen Verve und zupackendem Swing.

Auch Tom Gaebel überzeugt mit seinen Interpretationen der Sinatra-Klassiker. Seine Stimmlage ist ähnlich wie die des Italo-Amerikaners, er verfügt über ein großes Stimmvolumen und das entsprechende Timbre, Rhythmusgefühl und ein lässiges Auftreten kommen hinzu. Ursprünglich hat er Jazz-Posaune studiert, während seines Studiums in Hilversum wechselt er das Studienfach und widmet sich fortan dem Gesang. Die vokalen Fertigkeiten, über die er verfügt, sind das eine, das andere ist die Gabe, das Publikum zu unterhalten. Dazu gehört eine Menge angeborenes Talent, dass man auf keiner Hochschule trainieren kann. Und auch das wurde Gaebel offensichtlich in die Wiege gelegt, die in Gelsenkirchen stand. Im Alter von zwei Jahren ging es dann weiter nach Püsselbüren, ein Dorf bei Ibbenbüren, mitten im Tecklenburger Land in tiefster Provinz.

Gaebel versteht es, sehr launig über dieses dörfliche Leben in der Pampa zu erzählen, seinen Bruder Denis, Saxofonist in seiner Band, bezieht er in die Anekdoten gleich mit ein. Mit diesen lustigen Erzählungen aus seinem Leben lockert er das Programm immer wieder auf, bevor er den nächsten Sinatra-Song anstimmt. „Fly Me To The Moon“, „Mr. Bojangles“, „I’ve Got A Crush On You“ und „Strangers In The Night“ gehören zum Repertoire des Abends. 1300 Songs hat Sinatra in seiner langen Karriere gesungen, Gaebel kann nur einen Bruchteil davon in sein Programm nehmen. Seit vielen Jahren lebt der Jazz-Sänger in Köln, auch die Karnevalshochburg mit ihren direkten und fröhlichen Bewohnern scheint auf ihn abgefärbt zu haben. Gaebel hat immer den passenden Spruch parat, er flirtet mit einer Frau, die aus dem offenen Fenster eines benachbarten Bürogebäudes das Konzert verfolgt, und mit viel Charme und der Eigenkomposition „Mad Man“ bugsiert er die Zuhörer in der Pause an den CD-Stand, wo Tonträger auf den interessierten Käufer warten.

Der Abend wird jedoch nicht zur Ein-Mann-Show. Immer wieder holt Gaebel Musiker aus seinem Ensemble für Soli vorn auf die Bühne, er liefert sich ein putziges Schlagzeug-Gefecht mit Drummer Florian Bungardt, scherzt mit Pianist Lars Duppler und stellt im Zugabenteil jedes Orchestermitglied einzeln vor.

Mit „New York, New York“ und „My Way“ ist das Ende des Konzertes zwar ein wenig vorhersehbar, doch auch andere Künstler packen die größten Gassenhauer an das Ende ihrer Programme. Macht ja auch nichts. Keine Frage, für diesen Konzertabend hätte Tom Gaebel sicher auch von Frank Sinatra Beifall bekommen.