Hamburg. Die 5. Privattheatertage eröffneten mit Bertolt Brecht und schlechten Nachrichten zur künftigen Finanzierung.
Die Welt ist schlecht. Nettsein lohnt nicht. Nicht mal für eine Poleposition im Paradies! Oder wie soll man es verstehen, wenn einen sogar der liebe Gott übervorteilt? Gierig angelt dieser nach dem letzten Groschen, den der arme Hans, der trotz des Stücktitels ja nun wirklich alles andere als ein „Hans im Glück“ ist, in seiner Tasche findet. Hans allerdings gibt ihn bereitwillig her, ihm sind andere Dinge näher als der materielle Nutzen, dies wird rasch klar in Bertolt Brechts eher unbekannter Märchen-Nachdichtung, die das baden-württembergische Theater Lindenhof aus Melchingen zum Auftakt der diesjährigen Privattheatertage in Hamburg zeigt.
Ob Hans, den Cornelius Nieden am Altonaer Theater als grundguten, aber nicht sehr plietschen Einfaltspinsel gibt, nun im reinen Glück badet oder im Unglück versinkt, mag auf den ersten Blick eindeutig sein. Tauscht er doch alles, was er hat, gegen Minderwertigeres ein, bis er am Ende ohne Weib, ohne Heim, ohne Essen, ohne Arbeit, ohne Gesundheit und schließlich auch ohne Leben dasteht, weil verschlagene Mitmenschen seine Gutmütigkeit dreist ausnutzen.
Eine gewisse grundsätzliche Dämlichkeit ist unübersehbar
Aus seiner Sicht jedoch ergeht es ihm nicht übel. Seine Perspektive ist eine andere, sein Wertesystem ebenfalls. Er strebt nicht nach Wohlstand, er will kein Mehr. Mein Haus, mein Auto, meine Karussellbremserin? Es gibt Wichtigeres. Liebe, Freundschaft, Vertrauen, Wolken, solche Dinge. Eine gewisse grundsätzliche Dämlichkeit ist ebenfalls unübersehbar und auf eine zynische Art durchaus von Nutzen, so anrührend Cornelius Nieden seinen Hans auch spielt: Wer nicht merkt, dass man ihm Böses tut, der stört sich halt auch nicht daran. Was eine Lehrstunde im verzweifelten Optimismus sein könnte, wird so – vor allem zum Stückende hin, als Brecht sein Prinzip doch recht deutlich gemacht hat – zur etwas schwergängigen Angelegenheit.
Die Inszenierung von Christof Küster an den Beginn der Privattheatertage zu setzen ergibt dennoch Sinn. Zum einen war das Theater Lindenhof, eine Scheune im Baden-Württembergischen, die dort längst nicht mehr nur als Geheimtipp unter den privaten Bühnen gilt, schon einmal zu Gast in Hamburg. Damals erhielt es den begehrten Publikumspreis der Privattheatertage. Zum anderen ist es vielleicht auch für die (Möglich-)Macher um Intendant und Festival-Initiator Axel Schneider motivationsfördernd, eine Geschichte erzählt zu bekommen, in der Geld nicht das erstrebenswerteste Gut dieser Welt ist: In seiner Eröffnungsrede muss Schneider dem Publikum die unschöne Botschaft überbringen, dass der Beschluss einer zuvor in Aussicht gestellten Dreijahresförderung durch den Bund wieder einkassiert wurde. Man hangelt sich also weiter von Jahr zu Jahr, in der Hoffnung, dass der Etat auch für das kommende Festival bewilligt werden möge.
„Ab November drücken wir uns wieder gegenseitig die Daumen“, kommentiert Schneider trocken. Trotz des Erfolges (mehr als 85 Theater bewarben sich in diesem Jahr, zwölf Vorstellungen konkurrieren nun an neun Veranstaltungsorten um die Monica-Bleibtreu-Preise), trotz eines engagierten Hamburger Bundestagsabgeordneten in Berlin (Rüdiger Kruse, CDU), trotz des offensichtlichen Zuspruchs durch das Hamburger Publikum. Zum Start der diesjährigen, fünften Privattheatertage sind bereits 200 Karten mehr verkauft worden als im vergangenen Jahr zum Ende der Leistungsschau. Das sollte eigentlich ermutigen.
Für die moralische Erbauung muss nun aber die Theaterliteratur herhalten: „Wenn wir alle mehr Hans wären, wären wir glücklicher“, glaubt Schneider. Und Gerhard Hess, früher Intendant der Landesbühne Wilhelmshaven, heute als Jurymitglied mitverantwortlich für die Einladung der Produktion „Hans im Glück“, schwärmt, in Melchingen eine „Aura“ gefunden zu haben, die „so manches Theater nicht hat“, einen „richtigen Glücksmoment“. Auch das Hamburger Festivalpublikum (darunter Bestsellerautorin Ildikó von Kürthy, der einstige CDU-Bürgermeisterkandidat Dietrich Wersich und Hamburgs Licht-Guru Michael Batz) dankt dem ausgesprochen spielfreudigen Ensemble mit reichlich Applaus.
Über die Zukunft dieses ambitionierten Festivals wird sicher auf den Premierenfeiern noch gesprochen werden. Denn auch wenn es Wichtigeres im Leben gibt als Geld (Engagement, Unterhaltung, Anregung, Applaus) – ohne ein paar entscheidende Groschen bleibt am Ende nicht nur das Leben auf der Strecke. Sondern auch die Kunst.
5. Privattheatertage bis 3. Juli in verschiedenen Hamburger Theatern, Karten zu 9,- bis 29,- und Festivalpässe von 54,- bis 174,- in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, Ticket-Hotline T. 30 30 98 98