Hamburg. Gutachter empfehlen 2,7 Millionen Euro zusätzlich für 23 förderungswürdige Bühnen. Bürgerschaft entscheidet nach Sommerpause.

Beim Geld, genauer gesagt dessen Verteilung, hört bekanntlich die Freundschaft auf – und fängt die Arbeit für manche erst an. Die hat sich eine fünfköpfige Evaluierungskommission gemacht: Im Auftrag der Kulturbehörde ermittelten fünf unabhängige Gutachter fast zwei Jahre lang, welchen Förderbedarf die vielfältige Hamburger Privattheaterszene hat. Und das, was der Wirtschaftsprüfer Hans-Werner Fehling, die Theaterwissenschaftlerinnen Barbara Müller-Wesemann und Inge Volk, die Kulturwissenschaftlerin Nehle Mallasch und die Regisseurin Alina Paula Gregor evaluiert haben, dürfte in den kommenden Wochen und Monaten noch für Diskussionsstoff sorgen – in der Theaterszene und in der Hamburger Politik.

Nachdem im April nur allgemeine Zahlen veröffentlicht wurden, haben die 23 betroffenen unter fast 40 privaten Hamburger Bühnen jetzt genaue Zahlen erhalten. Die Evaluierungskommission ermittelte für jene 23 Privattheater von der Spielzeit 2017/18 an einen Mehrbedarf von insgesamt 2,7 Millionen Euro. Die Gesamtförderung würde damit auf fast elf Millionen Euro steigen.

Als zu hoch sieht keiner der Intendanten und Geschäftsführer der privaten Bühnen diese Summe an. Schließlich war diese sogenannte institutionelle Förderung zur Sicherung des Theaterbetriebs seit 2009 eingefroren – trotz Kostensteigerungen in Betrieb und bei Personal inklusive Mindestlohn.

„Bei uns haben sich allein die Stromkosten verdreifacht“, sagte Christian Seeler, der Intendant des Ohnsorg Theaters. Die bekannteste niederdeutsche Bühne, Hamburgs einziges Privattheater mit einem festen Ensemble und eigenen Werkstätten, zog zwei Jahre nach der letzten Aufstockung der Förderung 2011 von den Großen Bleichen ins Bieber-Haus am Hauptbahnhof um. 2012 hat das Ohnsorg zusätzlich ein Studio als Kinder- und Jugendbühne eröffnet, das bisher quersubventioniert wurde. 100.000 der empfohlenen 450.000 Euro Mehrbedarf würde laut Seeler direkt fürs Studio verwendet; mit gut 2,4 Millionen Euro pro Spielzeit wäre das Ohnsorg weiterhin das am stärksten geförderte der großen Hamburger Häuser mit mehr als 300 Plätzen.

Danach kämen das Ernst Deutsch Theater (2,2 Mio. Euro), das mit seinen 744 Plätzen als Deutschlands größtes privates Sprechtheater gilt, und die Hamburger Kammerspiele (1,35 Mio. Euro). Beide Häuser sollen von 2017/18 an für vier Jahre ebenso jeweils rund 400.000 Euro mehr erhalten als das St. Pauli Theater. Mit den von der Kommission empfohlenen insgesamt 820.000 Euro hätte es dann zwar seinen Subventionsanteil gegenüber 2009 um 90 Prozent erhöht, das mit 175 Jahren älteste Privattheater der Stadt ist aber auch erst seit 2006 in der Förderung. „Dass wir mit den anderen großen Häusern gleichgestellt werden, werde ich, so glaube ich, wohl kaum noch erleben“, unkte Thomas Collien, mit Ulrich Waller Intendant des St. Pauli Theaters.

Axel Schneider, Intendant der Kammerspiele und des Verbunds Altonaer Theater/Harburger Theater (sollen zusammen 1,16 Mio. Euro bekommen), ist in Sachen Kammerspiele froh, „dass man unseren damaligen Bitten im Großen und Ganzen entsprochen hat“, zumal er mit seinem Geschäftsführer Holger Zebu Kluth gerade in Verhandlungen über die Verlängerung des Mietvertrags für das 70 Jahre alte Theater an der Hartungstraße steckt. Statt der empfohlenen Zuschüsse von nur 250.000 Euro für Altona/Harburg sieht er jedoch 400.000 bis 600.000 an Mehrbedarf – seit 2008 hätten Zuwächse aus dem Gastspielmarkt zur Deckung geholfen, aber eng werde es, wenn Gastspiele mal nicht erfolgreich laufen.

Wenn es endlich eine neue Spielstätte gefunden hat, soll das Opernloft, bis zum Vorjahr im Gebäude der Axel Springer SE zu Hause, wieder eine institutionelle Förderung genießen – mit 250.000 Euro pro Jahr. Auch Alma Hoppes Lustspielhaus, mit 360 Plätzen zu den großen Bühnen zählend, würde nach Vorschlag der Gutachter erstmals gefördert, mit 80.000 Euro pro Jahr.

Leitetet die Kammerspiele sowie Altona/
Harburg: Axel Schneider
Leitetet die Kammerspiele sowie Altona/ Harburg: Axel Schneider © Roland Magunia

Während es bei den mittleren Theatern mit 100 bis 299 Plätzen vorrangig um den Ausgleich höherer Personal- und Betriebskosten geht, können die prozentual höchsten Zuwächse bei kleinen Bühnen schon mittelfristig die Existenz sichern: Das HoheLuftschiff (bisher 47.000 Euro) und das Hoftheater Ottensen (bisher 15.000 Euro) etwa sollen jeweils das Doppelte erhalten,

Intendant Michael Lang, der fürs 600-Plätze-Theater Komödie Winterhuder Fährhaus auch künftig keinerlei Subventionen erhält, jedoch „das absolute Minimum“ (Lang) von 150.000 Euro über zwei Jahre für das kleine Theater Kontraste erhofft, sagt mit Blick auf weitere Debatten: „Schuldenbremse ja, aber sie sollte bitte keine zu heftigen Bremsspuren hinterlassen.“

Immerhin: Zwischen der beantragten Förderung der Kinder- und Jugendtheater und der Empfehlung der Kommission von 1.273.000 Euro klafft mit nur 25.000 Euro die geringste Differenz unter den vier Bühnen-Teilbereichen von insgesamt 10.876.000 Euro.

Die Gewerkschaft Ver.di und Betriebsräte der Hamburger Privattheatern fordern mehr: „Die privaten Theater sind strukturell unterfinanziert, was sich direkt auf dem Rücken der Beschäftigten und ihrer Arbeitsbedingungen niederschlägt“, sagte Agnes Schreieder vom Ver.di-Fachbereich Medien und Kultur. „Nach vielen Jahren Stagnation ist der Bedarf nach städtischer Förderung sogar deutlich höher.“

Zunächst aber muss die Kulturbehörde die Empfehlungen der Evaluierungskommission von 2,7 Millionen Euro Mehrbedarf in ihrem Haushalt berücksichtigen. Über den wird dann erst im Senat und nach der parlamentarischen Sommerpause in der Bürgerschaft mitsamt Kulturausschuss beraten und entschieden. Die Fragen: Was halten die Politiker für angemessen, und was ist aus ihrer Sicht finanzierbar?

Multiintendant Axel Schneider meint: „Diese Summe ist ein klares Signal, dass die Stadt die aufgezeigten Bedarfe der Privattheater ernst nimmt. Da sie wiederum vonseiten der Theater mit einem Drittel mehr beziffert wurden, darf man sicher sein, dass so manches Problem nur vertagt, aber nicht gelöst werden kann.“