Hamburg. Die Hamburger Privattheatertage beginnen heute in Altona mit Christof Küsters Version von „Hans im Glück“ nach Bertolt Brecht.

Wer schon zweimal ­gewonnen hat, steht unter dem Druck, auch beim dritten Mal den Pokal nach Hause zu holen, oder etwa nicht? „Nein“, sagt Regisseur Christof Küster am Telefon: „Ich werde im Gegenteil ganz entspannt nach Hamburg reisen.“ Zweimal hat er bereits den Monica Bleibtreu Preis für die beste Privattheaterproduktion gewonnen. Und auch in diesem Jahr ist er wieder dabei. Heute eröffnet seine Inszenierung „Hans im Glück“ nach Bertolt Brecht vom Theater Lindenhof aus Melchingen das bis zum 3. Juli dauernde Festival im Altonaer Theater.

Beim Berliner Theatertreffen messen sich die großen Stadttheater des deutschsprachigen Raumes, bei den Privattheatertagen kommen seit Jahren von einer mehr als 106.000 Kilometer gereisten neunköpfigen Jury ausgewählte Produktionen aus ganz Deutschland zusammen. Eine zweite Jury schaut vor Ort alle Inszenierungen und kürt am Ende in einer Gala den Sieger. Auch die Zuschauer sind gefragt und vergeben einen Pu­blikumspreis. Beide sind undotiert.

Küster liebt es, so dicht am Publikum zu inszenieren

Küster gewann bereits 2015 mit seiner klaustrophoben Version von Hebbels „Maria Magdalena“, bei der er die Situation der Über­wachung der Familie durch vier Richtmikrofone, die jedes Geräusch vergrößerten, noch intensivierte. Die Produktion hat er am Studio Theater Stuttgart herausgebracht, dessen künstlerische Leitung Küster seit 2008 innehat. Er liebt es, so dicht am Publikum zu inszenieren, was die Wirkung noch verstärkt. Beide Bühnen haben je maximal 70 Plätze. „Arm, aber sexy, klein, aber erfrischend aktuell“, bescheinigte eine Kritikerin dem Theater, das in einer Umfrage der Fachzeitschrift „Die Deutsche Bühne“ gelobt wurde.

Im Jahr zuvor war er mit Max Frischs „Homo Faber“ vertreten, wie „Hans im Glück“ am Theater Lindenhof entstanden. Extra für diese Inszenierung hatte er eine Textfassung mit zwei Männern und einer Frau erstellt. „Hier haben wir mit Videoprojektionen ­gearbeitet, die seine Erzählungen, aber auch Erinnerungen und Schmerz­momente verdeutlichen.“

Die Arbeitsweise an der 1981 gegründeten Bühne, die von der linken städtischen Studentenbewegung und theaterbegeisterten Landbewohnern initiiert wurde, ist für Küster immer wieder besonders. Das Theater hat 165 Plätze. „Es wird einer umgebauten Scheune gespielt. Das ist schon jedes Mal ein ganz besonderer Ort, an dem Mundartstücke, aber auch Klassiker auf dem Programm stehen.“ Für sein kritisch-poetisches Volkstheater hat das Haus zahlreiche Auszeichnungen erhalten.

Die Handlung hat Küster in eine Autowerkstatt verlegt

Bertolt Brecht schrieb „Hans im Glück“ 1919 mit nur 21 Jahren und war selbst sehr unglücklich mit dem Ergebnis. „Das Wunderbare an der Geschichte ist, da verliert einer alles, ihm widerfahren schlimme Dinge, aber er versucht, damit klarzukommen und sich das Glück zu bewahren“, so Küster. „Das ist ein sehr poetischer, märchenhafter Stoff.“ Übertragen auf den modernen Erfolgsmenschen könnte das bedeuten, dass Festhalten häufig kein Glücksgarant ist. Die Handlung hat Küster vom Bauernhof in eine Autowerkstatt verlegt. Hans ist ein gutgläubiger Mensch. Aus Nettigkeit ­beschlägt er einem Fremden ein Pferd, der nimmt nicht nur das Tier wieder mit, sondern auch Hans’ Frau. Von hier an entwickelt sich das Stück zum Roadmovie.

Bislang war Küster immer mit ­Inszenierungen von Klassikern eingeladen. „Aber ich inszeniere genauso Gegenwartsdramatik“, sagt er. Er weiß, was Schauspieler wollen. Schließlich war er selbst mal einer. 1969 in Wuppertal geboren, zog es ihn zunächst für die Schauspiel-Ausbildung nach Frankfurt. Er gründete die freie Gruppe „Graues Theater Frankfurt/Main“, führt bald ­Regie und war einige Jahre lang doppelgleisig als Schauspieler und Regisseur unterwegs. „Die Schauspielerei war nicht immer befriedigend, die Regie wurde schnell interessanter für mich“, so Küster.

Küster ist ein überzeugter Off-Theatermacher, der sich gar nicht unbedingt nach großen Bühnen sehnt. Neben Stuttgart und Melchingen inszeniert er regelmäßig bei den Klosterfestspielen in Weingarten. Der Gewinn des Monica Bleibtreu Preises verschaffe ihm Gelder für neue Produktionen, so Küster. Wer weiß, vielleicht ist er ja zum dritten Mal Christof Küster im Glück.

Privattheatertage 20.6. bis 3.7., verschiedene Spielorte, Karten zu 9 bis 29 Euro, Festival-pässe (alle Vorstellungen) von 54 bis 174 Euro unter T. 413 34 40; Informationen unter www.privattheatertage.de