Hamburg. Beim Beginn des Einzelkartenvorverkaufs gab es stundenlang Probleme, bis sich die Zustände normalisierten.

Kopfschütteln und dazu das Selbstgespräch einer Passantin, Montag, kurz vor 10 Uhr unter den Backsteinarkaden vom Brahms Kontor. „Ich versteh es nicht ... Ich versteh es nicht ...“ Weg war sie wieder. Kann man verstehen, denn normal ist es ja auch nicht, dass sich Anwärter für Klassik-Konzertkarten bis an den Holstenwall stauten. Doch nicht etwa Wald-und-Wiesen-Karten für diesen oder jenen Virtuosen. Elbphilharmonie-Karten! Für die Elbphilharmonie! Der ganz gute Stoff, den jetzt alle wollen. Die ersten richtigen Karten für die ersten richtigen Konzerte. Karten für den vielleicht bald berühmtesten, schon jetzt aber berüchtigtsten Konzertsaal der Musikwelt. Ansichtskarten auch für ein Gebäude, wie es noch nie eines gab – und schon seiner Vorgeschichte wegen so schnell nicht wieder geben wird. Da konnte man ruhig den Kopf schütteln neben der Schlange Richtung Vorverkaufsschalter.

Übernachtet hatte davor niemand. Doch die Ersten kamen bereits um 5.40 Uhr, kühl war es da noch gewesen, aber immerhin hell. Ganz vorn im Klappstuhl hatte Kim Dunkhase den besten Platz, als es um 10 Uhr begann. Zwei Mitarbeiter am Tresen, vier an den Telefonen, einer für Mails. Knapp 40 Minuten und etwa zwei Dutzend gekaufte Karten später kam Dunkhase aus der Tür, vor der Kamerateams und Fotografen warteten, als hätte sie bei der Papstkonklave die Stimmzettel stibitzt.

Weiter hinten in der Schlange wurde gründlich über Kartenwünsche ­debattiert. Als Nervennahrung und um die Wartezeit zu versüßen, boten Mitarbeiter von HamburgMusik Bonbons an. „Nimm 2“. Zufall vielleicht, mit etwas Ironie-Aroma, denn bestimmt wollten die meisten hier mehr als nur zwei Karten. Ein Wartender berichtete, er ­habe einen Ankaufsetat von 600 Euro.

Generell war die Stimmung halbwegs entspannt. Doch der Unmut dar­über, wie lang die Wartezeit schon jetzt ist und wohl den ganzen Tag über noch sein wird, lag ebenfalls in der Luft. Dass sich im Laufe des Tages Kunden an Verkaufsschaltern einfanden, die sich tatsächlich erst dort fragten, welche Konzerte sie reizen könnten, trug nicht zur Verkürzung der Wartezeiten bei.

Während der analoge Kartenverkauf am Brahms-Platz in Superzeitlupe anlief, ging online viereinhalb Stunden gar nichts. 15 Minuten vor dem Verkaufsstart brach die Website zusammen, wie schon vor einigen Wochen beim Beginn der Tombola-Anmeldung für 900 Eröffnungskonzert-Freikarten. Um 10.32 Uhr kam per Twitter die erste von vielen Entschuldigungen: „Es tut uns sehr leid, wir sind an dem Serverproblem dran. Wir bitten um etwas Geduld.“ Bis zum Mittag blieb die Homepage unerreichbar. Erst nach 13 Uhr ließ sich hin und wieder die Liste der Konzerte öffnen. Kurz vor 15 Uhr war es ­soweit. Die Onlinekunden konnten loslegen. Doch bei mehreren Terminen hieß es: „Tickets derzeit nicht verfügbar“. Und als wäre das Chaos nicht groß genug gewesen, konnten in den Vorverkaufsstellen zeitweise die Tickets nicht ausgedruckt werden. „Kartenlayout ist nicht hinterlegt“. Dieses Problem war nach einer Stunde behoben.

Viele KartenInteressenten
auch in der
Abendblatt-Geschäftsstelle
Viele KartenInteressenten auch in der Abendblatt-Geschäftsstelle © HA | Klaus Bodig

Am Telefon hatte man unterdessen die Wahl zwischen dem Besetztzeichen oder einem freundlichen Hinweis vom Band, man werde gleich mit dem Mitarbeiter verbunden – um dann das Besetztzeichen zu hören. Durchkommen war am Vormittag jedenfalls keines. Wobei, irgendwer musste offenbar durchkommen. Sonst wäre es ja nicht besetzt gewesen.

In der Abendblatt-Geschäftsstelle war die Schlange kürzer als am Brahms Kontor. Gegen das Warten wurde Wasser gereicht. In der Mitte der Schlange vor dem Brahms Kontor fand sich ein bekanntes Gesicht: Gregor Dierck, Geiger beim Ensemble Resonanz, vertieft ins Programm. Die Resonanzler sind zwar selbst Residenzensemble im Kleinen Saal der Elbphilharmonie, mit eigener Konzertreihe, für die es neben Einzelkarten für die meisten Termine auch noch Abos gibt. Dierck ist jedoch auch neugierig auf die Zuhörerperspektive.

16 Uhr, Generalintendant Christoph Lieben-Seutter am Telefon: Seit Mittag habe sich die Lage gebessert. „Es flutscht.“ Schuld war einerseits der enorme Ansturm auf die Homepage in den ersten Stunden, deren Server man ein weiteres Mal aufgestockt habe. Dazu kam ein Problem mit dem Webshop, der die Anfragemassen nicht so verarbeitete, wie es notwendig gewesen wäre. „Äußerst unglücklich“, ärgerte sich Lieben-Seutter, nach etlichen Konferenzen und Fehlersuchen im Vorfeld. Andererseits, bei allem Ärger, freue ihn die enorme Nachfrage nicht nur bei den erwartbaren Schnelldrehern, den großen Namen, überall, quer durchs Sortiment. Aber: „Man muss nicht fürchten, dass alles leergesaugt ist.“

Wie viele Karten verkauft sind, weiß derzeit niemand, die Stampede muss noch ausgewertet werden. Bei einem Elbphilharmonie-Konzert waren die Karten seit 15 Uhr weg: 21. Januar, Großer Saal. „Einstürzende Neubauten“.

Tickets für Elbphilharmonie-Konzerte erhalten Sie auch in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18-32, Mo–Fr 9–19 Uhr, Sonnabend 10–16 Uhr, Hotline: T. 30309898.