Hamburg. Verrückt im Volksparkstadion: Vor 44.000 Zuschauern rockt sich Udo Lindenberg zum Heimsieg. Legendär waren seine Ansagen und die Gäste.

Schäumende Gischt, stürmische See, sich aufbäumende Wellen, Blitz und Donner und wilde Meerjungfrauen und schließlich der enorme Bug des „Rock Liners“, der sich mittig auf die Bühne schiebt. Mit einem Erdbeben starten und dann langsam steigern? Dieses Credo dürfte Udo Lindenberg schon einmal gehört haben. Seinem Hamburg-Konzert im Volksparkstadion, dem Heimspiel seiner Tour, verpasst er jedenfalls einen Start, der sehr gelungen auf Überwältigung setzt – und, wer weiß, vielleicht auch ein klein wenig auf den hanseatischen Reflex, jedem dicken Dampfer erst einmal ungebremst zuzujubeln.

Der Kapitän, der dort an Bord steht – ist dann aber gar nicht Udo. Der kommt stattdessen lässig von hinten angeschwebt, einmal quer durch die Arena, Zigarre in der linken und Mikro in der rechten Hand. „Odyssee“ vom gleichnamigen Album gibt’s zum Auftakt: „Und keiner weiß, wohin die Reise geht ...“ Wohin ist auch vollkommen egal, Hauptsache mitfahren. „Weil der Wahnsinn am Steuer steht ...“

Udo Lindenberg mit 70: Einer muss den Job ja machen

Der Wahnsinn, das ist das Leit­motiv dieser Show, die fast drei Stunden lang alles im Überfluss ist. Laut und fett und verrückt und voller Stargäste, die im Moment ihres Auftauchens so gelöst und selbstverständlich wirken wie Nachbarn, die mal auf ein Eierlikörchen vorbeischauen.

Zwei mit Hut und mit AC/DCCover:
die alten WG-Kumpel
Otto und Udo
Zwei mit Hut und mit AC/DCCover: die alten WG-Kumpel Otto und Udo © dpa | Axel Heimken

Udo Lindenberg, der sich ja nicht zufällig noch vor dem Gewitter-Intro mit dem Thema aus „Der Pate“ ankündigen lässt, schafft die Balance zwischen Abgefahren und Angekommen, zwischen schräger Inszenierung und flauschigem Zuhausegefühl. Er ist der Pate der deutschen Rockmusik, Daddy Cool, der gar keinen Wert darauf legt, abseits der Bühne ein anderer, gar ein (bewahre!) „normaler“ Typ zu sein. Warum auch, wenn man nur mal kurz die Sonnenbrille lupfen muss, um mit dem darunter verborgenen Hypnoseblick alle einzufangen, Fans, Kollegen, die ganze Panikfamilie. Voodoo-Udo. „Einer muss den Job ja machen“, singt er selbst. Dann doch lieber einer wie er, da ist er sich an diesem Abend mit rund 44.000 anderen Udonauten sehr einig.

Hotel Atlantic mit eigenem VIP-Schalter

Iggy Pop, Jim Morrison, Keith ­Richards blicken von der Videoleinwand, und es ist schon klar, in wessen Tradition sich auch Udo Lindenberg versteht, der dazu allerdings androgyne Silberladys in futuristischen Catsuits über den Laufsteg tänzeln lässt.

Lindenberg, Waalkes und Raab rocken den Volkspark

Panikrocker Udo Lindenberg hat am Sonnabend in Hamburg ein Konzert im Volksparkstadion gespielt
Panikrocker Udo Lindenberg hat am Sonnabend in Hamburg ein Konzert im Volksparkstadion gespielt © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Rund 44.000 Zuschauer waren beim Heimspiel dabei
Rund 44.000 Zuschauer waren beim Heimspiel dabei © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Moin Hamburg! Entertainer Stefan Raab (l.) unterstütze Udo Lindenberg bei zwei Songs als Percussionist
Moin Hamburg! Entertainer Stefan Raab (l.) unterstütze Udo bei zwei Songs als Percussionist © dpa
Raab am Schlagzeug
Raab am Schlagzeug © dpa
Raab schlug zu den Hits „Johnny Controlletti“ und „Sonderzug nach Pankow“ die Trommel
Raab schlug zu den Hits „Johnny Controlletti“ und „Sonderzug nach Pankow“ die Trommel © dpa
Mit Otto Waalkes betrat ein weiterer Spaßmacher unerwartet die Konzertbühne
Mit Otto Waalkes betrat ein weiterer Spaßmacher unerwartet die Konzertbühne. Der Komiker intonierte mit Udo den AC/DC-Klassiker „Highway to Hell“ © dpa
Udo Lindenberg mit junger Unterstützung auf der Bühne
Udo Lindenberg mit junger Unterstützung auf der Bühne © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Udo Lindenberg auf der Bühne
Udo Lindenberg auf der Bühne © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Das  Bühnenbild lässt sich sehen
Das Bühnenbild lässt sich sehen © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Udo Lindenberg rockt auf dem Steg ins Publikum
Udo Lindenberg rockt auf dem Steg ins Publikum © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Der Song „Einer muss den Job ja machen“ war einer der ersten in Hamburg
Der Song „Einer muss den Job ja machen“ war einer der ersten in Hamburg © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Es folgten Hits wie
Es folgten Hits wie "Cello" © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Udo Lindenberg in Hamburg, das ist ein Heimspiel
Udo Lindenberg in Hamburg, das ist ein Heimspiel © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Udo Lindenberg bei einer kleinen Show-Einlage
Udo Lindenberg bei einer kleinen Show-Einlage © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Udo Lindenberg ist im Mai 70 Jahre alt geworden
Udo Lindenberg ist im Mai 70 Jahre alt geworden © Roland Magunia
Das war auf der Bühne aber nicht zu sehen
Das war auf der Bühne aber nicht zu sehen © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
"Keine Panik" auf der Bühne © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Udo Lindenberg am Mikrofon
Udo Lindenberg am Mikrofon © Roland Magunia
Das aktuelle Album heißt  „Stärker als die Zeit“
Das aktuelle Album heißt „Stärker als die Zeit“ © dpa | Axel Heimken
Bühnenshow im Volkspark
Bühnenshow im Volkspark © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Der Sänger Udo Lindenberg in Hamburg
Der Sänger Udo Lindenberg in Hamburg © dpa | Axel Heimken
Udo Lindenberg wird von mehreren nebelsprühenden Damen begleitet
Udo Lindenberg wird von mehreren nebelsprühenden Damen begleitet © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Udo Lindenberg ist abgehoben
Udo Lindenberg ist abgehoben © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Zumindest für kurze Zeit
Zumindest für kurze Zeit © dpa | Axel Heimken
Und nur im wahrsten Sinne des Wortes
Und nur im wahrsten Sinne des Wortes © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Panik gab es im Stadion keine
Panik gab es im Stadion keine © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Dafür das ein oder andere Double...
Dafür das ein oder andere Double... © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
...natürlich mit Hut
...natürlich mit Hut © Hamburger Abendblatt | Roland Magunia
Der Sänger Udo Lindenberg  neben einer Tänzerin auf der Bühne
Der Sänger Udo Lindenberg neben einer Tänzerin auf der Bühne © dpa | Axel Heimken
Sänger Udo Lindenberg
Sänger Udo Lindenberg © dpa | Axel Heimken
Der Sänger Udo Lindenberg gibt es auch ohne Sonnenbrille
Der Sänger Udo Lindenberg gibt es auch ohne Sonnenbrille © dpa | Axel Heimken
Bitte einmal recht freundlich in die Kamera...danke
Bitte einmal recht freundlich in die Kamera...danke © dpa | Axel Heimken
Udo Lindenberg in voller Aktion
Udo Lindenberg in voller Aktion © dpa | Axel Heimken
Auch die kommenden Shows sollen ausverkauft sein
Auch die kommenden Shows sollen ausverkauft sein © dpa | Axel Heimken
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„Ich mach mein Ding“, Dü-dü-dn-dü-dn-dä-dü ..., und zum engen Markenkern gehören nicht nur Fantasieuniform und wildes Mikroschwingen, sondern auch das Hotel Atlantic, das enthusiastischen Beifall kassiert, als sein Schriftzug über der Bühne ­erscheint. An den Kassen gab es einen eigenen VIP-Schalter für das Atlantic. Mehr Heimspiel geht kaum, auch „Olaf“ ist heute da, „mein Mayor“.

Lindenberg-Statement gegen die AfD

Er ist nicht der Einzige: Mit dem Singer/Songwriter Daniel Wirtz ­berührt Udo Lindenberg mit „Cello“, mehr als 40 Jahre, nachdem dieser Song entstand, auch bei der „Bunten Republik Deutschland“ darf Wirtz noch mal ran. Vorher wird unermüdlich gegen rechts und für den Frieden ­gerockt. „Wozu sind Kriege da?“, „Sie brauchen keinen Führer“, Lindenberg plädiert für ein „solidarisches Europa“ und positioniert sich deutlich gegen die AfD: „Da gibt’s so ’n Vogel ... Gauleiter? Der hat die Maske so weit runterge­zogen, dass man die hässliche Fratze des Rassismus voll erkennen kann!“ Klarer Jubel von den Norddeutschen.

Was macht eigentlich ... Stefan Raab?
Spielt Schlagzeug im Stadion
Was macht eigentlich ... Stefan Raab? Spielt Schlagzeug im Stadion © dpa | Axel Heimken

Und während die Flugzeuge im Landeanflug spektakulär über das Stadion dröhnen und lindenbergsche Animationsfiguren über die Leinwand purzeln, spielt sich plötzlich Helge Schneider am Saxofon ins Bild, und auch ein Ufo schwebt durch die Arena. Wer an diesem Abend grüne Männchen sieht, hat nicht zwangsläufig zu tief in den Pfandbecher geschaut. Bei der „Honky Tonky Show“ wird endlich auch auf den Rängen getanzt, selbst der Himmel ist gerührt – und dann entsteht folgender Wortwechsel: „Hollajühidüü!“ – „Hollajühidüü!!“ – „Haalloo Hamburg!“ – „Haalloo Otto!“ Man darf in solchen Momenten bloß nicht ins Grübeln kommen, wie genau man Neu­mitbürgern die Komplexität der hiesigen kulturellen Identität erklären soll. Otto Waalkes, Udos WG-Kumpel aus vergangenen Zeiten, wird jedenfalls stürmisch gefeiert und legt eine mitreißende AC/DC-Coverversion hin. „Auf dem Heimweg wird’s hell“ statt „Highway to hell“, das Stadion tobt.

Stefan Raabs erster Auftritt seit 175 Tagen

„Hinterm Horizont“, GänsehautMuss, dann „Johnny Controlletti“ und der „Sonderzug nach Pankow“. Und wer drischt da aufs Schlagzeug ein, als „Super-Hammer-Drummer“? Stefan Raab hat sichtlich Spaß daran, trommelt, winkt, grinst. Die Mediendienste bekommen am nächsten Tag Schnappatmung: Erster Auftritt seit 175 Tagen!

Das ganz große Hach aber packt Udo kurz vor Schluss aus: „Reeperbahn“, der ultimative Heimsieg. Dü-düpn-dü-düp ... Udo, Pate der Lokalpa­trioten, einer muss den Job ja machen.