Der ehemalige „Tagesthemen“-Moderator hat eine besondere Beziehung zu Frankreich - und hebt besonders den französischen Humor hervor.
Witzeln gehört zum französischen Alltag. Auch deswegen liebe ich die Franzosen und fühle mich in Paris wohl, wie zu Hause. Ganz gleich, ob man sich kennt oder nicht, das Jonglieren mit Worten, mit Doppeldeutigkeiten und geistreichen Anspielungen ist ein wichtiger Teil jedes Gesprächs. (Das Dumme ist nur: um den französischen Humor genießen zu können, muss man gut Französisch sprechen.)
Es scheint ein Berufsmerkmal von französischen Kellnern zu sein, ein besonders freches Mundwerk zu besitzen.
Ich sitze in einem kleinen Bistro in Paris. Es ist Mittag. Treten zwei Männer ein. Sie sind Stammkunden und kommen täglich zum déjeuner.
„Was gibt’s denn heute?“, fragt der eine.
„Als Tagesgericht Kaninchen in Senfsauce“, antwortet der Kellner.
„Hast du heute eigentlich schon unsere Katze gesehen?“, wirft der Patron scherzend ein. Alle vier lachen und frotzeln sich, indem sie scheinbar ernsthaft die Frage diskutieren, ob Katze besser schmecke als Kaninchen.
Der französische Humor ist eine Geistesform
Im französischen Standardlexikon „Robert“ wird Humor als eine Geistesform definiert, „die darin besteht, die Wirklichkeit so darzustellen, dass ihre lustigen und ungewöhnlichen Seiten hervorkommen“. Pauline Bonaparte heiratete einen Borghese und zog nach Rom, wo der Bildhauer Antonio Canova sie bat, Modell zu stehen. Pauline sagte zu, Canova schuf eine wunderbare Marmorstatue: Die schöne Pauline liegt mit formvollendeten Brüsten völlig bloß, nur mit einem Tuch um die Hüften auf einer Chaiselongue. Von einer prüden Italienerin gefragt, weshalb sie denn nackt posiert habe, antwortete Pauline: „Weshalb hätte ich es nicht tun sollen? Das Zimmer war geheizt.“
Im deutschen Lexikon wird Humor so definiert, dass nicht nur Paulines Antwort, sondern ihr ganzes Verhalten unziemlich erscheint. Denn der Duden hält Humor für die „Gabe eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den Schwierigkeiten und Missgeschicken des Alltags mit heiterer Gelassenheit zu begegnen“.
In Frankreich spielen die „Verrückten“, die Narren und berufsmäßigen Spaßmacher eine soziale Rolle. Denn das Lachen, so ein Soziologe, einige die Gesellschaft auf eine merkwürdige Art; Humor wirke befreiend, da er alle vereine im Kampf gegen die „Bedrohung des Einheitsdenkens“. Wenig ist für einen freiheitsliebenden Franzosen grässlicher als die Vorstellung, alle Franzosen seien gleich. Und da dient ihnen Asterix als das ideale Vorbild. Der unerschrockene Gallier wedelt nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern wehrt sich mit seinem ständigen Lachen gegen Veränderungen, die ihm aufgezwungen werden sollen. Asterix verkörpert das Idealbild, das die „Gallier“ von sich selbst machen. Jeder steht für sich, und doch sind sie nach außen hin alle eins. Es ist kein Zufall, dass jeder Asterix-Band mit einem großen Besäufnis des ganzen Dorfes an einer langen Tafel endet. So wird es auch sein, wenn Frankreich jetzt die EM gewinnt, wovon die Franzosen ausgehen. Der Zaubertrank wird helfen. Und dann folgt unweigerlich wieder ein Festgelage.