Waren Sie schon in Südwest-Frankreich? So um Périgord herum ...? Nein? Dann müssen Sie es unbedingt nach­holen! Und das nicht nur weil die Landschaft dort so betörend ist. Nirgendwo sonst werden unsere Sinne, ALLE Sinne, so angeregt, so verwöhnt: vom Wein, vom Essen, von der Sonne ...

    Mit 18 bin ich von der damaligen kulinarischen Wüste Dänemarks nach Frankreich geflüchtet. Die Abscheu vor der „brun sovs“ und der „rullepølse“ war fast genauso groß wie der Hunger nach Film, den ich studieren wollte, ­ohne zu ahnen wofür. Das Filmangebot der Pariser Kinos war schon damals (1979!) unbeschreiblich. Man konnte innerhalb weniger Wochen seine persönliche Filmkultur aufbauen, von Truffaut über Polanski, Eisenstein bis Buñuel. Noch heute fühle ich mich privilegiert, dass ich all das im Kino sehen durfte und nicht zu Hause auf einem Tablet.

    Noch heute beneide ich die Franzosen um ihre Filmkultur. Nicht, dass ich ihre Filme so viel besser finde als die aus anderen Ländern. Ich beneide sie um den Stellenwert, den das Kino bei ihnen genießt. Um ihre Neugierde nach neuen Filmen, um die Schlangen von Rentnern vor den Kinos vormittags um 11 (!), um die Titelseiten der Tageszeitungen, die von neuen Filmen berichten. Und um ihre Stars, die das Publikum liebt, und die nicht daran denken würden, in einem TV-Krimi mitzuspielen.

    Und dann das Essen: meine Tante Christiane, die nicht unter acht Käsesorten nach jeder Mahlzeit servierte, die, hatte sie keine Lust zu kochen, „nur“ ein Foie Gras in die Pfanne schmiss (ich liebe Foie Gras – und ich stehe dazu!), die die Beilagen immer separat vom Hauptgericht reichte und der ein Omelette norvégienne so gelang wie sonst nur in den größten Restaurants.

    Das Savoir-vivre wird in Frankreich zelebriert, und Savoir-vivre ist mehr als nur Essen und Trinken. Das hatte ich nach sechs Jahren Frankreich gelernt und mitgenommen – zusammen mit der Liebe zum Film.

    Im Südwesten bestellen Sie sich einen Salade Périgourdine – mit Gésiers und Foie Gras. Und gönnen Sie sich ein Glas süffigen Bergerac dazu. A la vôtre!

    Albert Wiederspiel (55), Chef des Filmfests Hamburg, lebte von 1979–1985 in Paris, studierte dort an der Sorbonne. Große Teile seiner in der ganzen Welt verstreuten Familie leben noch heute in Paris und Metz. Er ist mehrmals im Jahr in Frankreich, u. a. im Mai in Cannes und im Herbst/Winter in Paris.