Hamburg. Das lieblich komponierte Programm mit Sopranistin Anna Prohaska und englischen Klassikern sorgte für begeisterten Applaus.

Für zwei Stunden wäre man gern Trommler in einer englischen Hofkapelle des 17. Jahrhunderts gewesen, so als Zuhörer von heute, dem ständig spätromantische Orchester-Hundertschaften in die ­Ohren dröhnen. Denn im Laeiszhallen-Konzert der Sopranistin Anna Prohaska mit der Akademie für Alte Musik Berlin (Akamus) gab es einen gar nicht heimlichen zweiten Hauptdarsteller. Den Herrn mit der historisch korrekten Trommel, den Kastagnetten und vor allem dem Puppenstuben-Becken, dessen Spielzeugscheppern hinter dem kleinen Tutti niedlich das Puffärmeltänzerische dieser Musik von Dowland, Locke und vor allem Purcell betonte.

Damit täte man allerdings der Sängerin schweres Unrecht. Zum 400. Todestag Shakespeares hatte sie für die NDR-Konzertreihe „Das Alte Werk“ ein sehr apartes Programm entworfen, in dem der Theatergott aus Stratford und der Bühnenmusikzauberer aus Westminster in schönster Harmonie als Meister des feinfühligen Moments brillieren konnten, obwohl Purcell ja erst gut vier Jahrzehnte nach Shakespeare auf die Welt kam.

Links auf der Bühne ein kleiner Tisch, um einige Passagen aus Shake­speares „Was ihr wollt“, „Romeo und Julia“ oder einem seiner Sonette zu rezitieren (und nicht aus dem Rhythmus zu kommen, als Zuschauer nach wenigen ersten Worten schon ihr ungnädiges „Lauter!“ loswerden wollten). Und auf den Pulten eine Gourmet-Mischung aus Orchestersuiten, Opern-Arien und anrührend einfachen, aber alles andere als schlichten Songs, die mit etwas Laute und sehr viel Ausdruck das Gefühl dieser Epoche wieder belebten.

Musik, die sich grazil auf dem schmalen Grat zwischen zelebriertem Pathos und stiller Melancholie bewegt, die das Leiden ebenso genießt wie das Leben. Und wer einen solchen Abend mit der Zeile „Wenn Musik der Liebe Nahrung ist ...“ beginnt, hat ohnehin schon gewonnen. Purcells Vertonung, lieblich schmachtend und sanft ausklingend, war als ­Abschluss des Abends eine geradezu perfekte Klammer. Und Prohaska eine Interpretin, die in dieser Musik unangestrengt zu Hause ist.

Reizend, liebreizend, ganz liebreizend

Vor wenigen Wochen erst war sie mit einem Dido/Kleopatra-Programm in Hamburg zu Gast gewesen, was durch den Schwerpunkt in der italienischen Oper einen ganz anderen Reiz hatte, aber auch seine problematischen Momente. Hier jedoch zog die Kombination aus Text und Musik ohne Wenn und Aber zum Begleitorchester in den Bann. Bevor Lockes Bühnenmusik zu einer Bearbeitung von Shakespeares „The Tempest“ begann, sorgten Wind-Imitationen des Ensembles und ein Donnerblech für das richtige Klang-Klima. Dowlands Hit „Come again“: reizend, liebreizend, ganz liebreizend. Die Akamus-Methode für Purcells „King Arthur“-Suite: lieber viel zu zurückhaltend als nur etwas zu dick auftragend.

Und Prohaska, die aus Purcells „O let me weep“ ein tränchenfeuchtes Trauerspiel für eine verloren gegangene Seele machte? Sie ließ zwar immer die Opern-Diva erahnen, die auch in ihr steckt, wusste aber genau, dass bei derartigen Abenden das Understatement wichtiger und effektstärker ist als der Drang zur großen Geste und zum prallen Auftritt. Die Moral dieses Abends, nach dem begeisterten Beifall: Wer schon lange nichts mehr bei Shake­speare nachgeschlagen hat, sollte auch bei Purcell nachhören. Lohnend, jeder auf seine Art und Weise, sind beide.