Hamburg. Pianist Tord Gustavsen und Sängerin Simin Tander interpretieren norwegische Kirchenmusik neu. Auftritt in der Laeiszhalle am 24.2.

Es ist kalt und ziemlich feucht an diesem Hamburger Vormittag. Die Wolken hängen tief, auch das verlassene Foyer des NDR-Funkhauses an der Rothenbaumchaussee strahlt Tristesse aus. Zielgerichtet steuert Simin Tander die Zentralheizung an, die in seiner Ecke vor sich hin bullert; gemeinsam mit dem norwegischen Pianisten Tord Gustavsen ist sie nach Hamburg gekommen, um das erste gemeinsame Album vorzustellen: „What Was Said“, norwegische Kirchenmusik im Jazzgewand, gesungen von einer Deutsch-Afghanin, aufgenommen für das legendäre ECM-Label, Heimat von Größen wie Keith Jarrett und Jan Garbarek. Am 22. Februar werden Tander und Gustavsen diese Lieder im Kleinen Saal der Laeiszhalle spielen, begleitet von Schlagzeuger Jarle Vespestad.

Ein über weite Strecken kontemplatives, geradezu wärmendes Album ist „What Was Said“ geworden, eine Liebeserklärung an Gustavsens musikalische Sozialisation, auch wenn er sagt, ihm sei es darum gegangen, „die norwegischen Kirchenlieder aus ihrem protestantischen Gefängnis zu befreien“. In Simin Tander, die in Arnheim Gesang studierte und schon einige Solo-CDs aufgenommen hat, habe er die perfekte Partnerin dafür gefunden. Und tatsächlich lässt die Art, wie die beiden im Interview einander zugewandt sind, wie sie sich zuhören und ergänzen, ahnen, dass dies keine strategische Partnerschaft ist, sondern sich zwei verwandte Seelen gefunden haben.

Natürlich könnte es als politisches Statement verstanden werden, dass christliche Lieder von einer Halb-Afghanin auf Paschtu gesungen werden, dass sich auch Verse des Sufi-Dichters und -Mystikers Daschalal al-Din Rumi (1207–1273) auf dieser CD finden. Doch Tord Gustavsen und Simin Tander verfolgen keine Agenda, für sie ist diese Kombination ganz natürlich. „Sie kommt aus dem Herzen, ein sehr persönlicher Ausdruck meiner Spiritualität“ sagt Tander, und ihre dunklen Augen leuchten. „Unsere Welten sind gar nicht so unterschiedlich“, ergänzt Gustavsen mit leiser Stimme. „Das gegenseitige Vertrauen war sofort da, wir teilen die Liebe zum Klang, zum musikalischen Detail.“

Und darum geht es eben auch, oder sogar vor allem: um die Musik, die auf diesem Album oft weich und fließend ist, die mal wohlig einhüllt, mal die Gedanken trägt. Von der Tander sagt, sie spende gleichermaßen Trost und Kraft, feiere die Lebenslust. Kein typisch nordischer, bisweilen kühler Jazz mit seiner melancholischen Grundstimmung, eher eine Ode an die Melodie.

Eine Klangreise, bei der die Originalkompositionen den Ausgangspunkt markieren. „Sie sind ein fester Boden“, sagt Tander. „Auf ihm gehen wir los, und dann ist alles möglich.“ Das stimmt, meint aber nicht Veränderung um der Veränderung willen. denn „What Was Said“ ist vor allem getragen vom tiefen Respekt für eine musikalische Tradition. Hier geht es um Zwischentöne, um das Miteinander, um wechselnde Rollen, darum, wer begleitet und wer führt.

Interaktion sei für ihn viel bedeutsamer, als im Vordergrund zu stehen, sagt Gustavsen, der mit seinem Trio und Quartett schon zahlreiche hoch gelobte ECM-Alben eingespielt hat. „Wichtig ist, das eigene Ego zum Wohle der Musik zurückzustellen“ sagt er und wechselt plötzlich vom Englischen ins Deutsche. Vielleicht weil dieser Satz besonders wichtig ist und unbedingt genau verstanden werden muss. Intensität sei ohnehin nicht von spektakulären Soli abhängig, ergänzt er. Und überhaupt: „Zehn Noten pro Sekunde oder eine Note alle zehn Sekunden, was sagt das schon aus?“

Dass Gustavsen in beidem ein Meister ist, hat er schon häufig bewiesen. Für Simin Tander, übrigens Schwester von Schauspielerin Mina Tander, ist dieses Album, ist diese Tour die Chance, auch über eingeschworene Jazz-Zirkel hinaus bekannt zu werden. Verdient hat sie es allemal.

Mit Hip-Hop und Soul, mit Flamenco und arabischer Musik sei sie aufgewachsen, erinnert die gebürtige Kölnerin sich. Jetzt ist der Jazz ihre Heimat. Und jeder Ort, an dem sie ihn singen kann. Auch Hamburg an einem nasskalten Wintertag, an dem entweder die bollernde Heizung wärmt oder ihre von Piano und Schlagzeug einfühlsam begleitete Stimme, die wie ein Sonnenstrahl durch die dichte Wolkendecke dringt.

Tord Gustavsen/SiminTander/Jarle Vespestad Mi 24.2., 20.00, Kleine Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Gorch-Fock-Wall, Karten zu 10,67 bis 27,83 im Vvk.