Hamburg. Der Blumfeld-Sänger hat ein Album mit Cover-Songs rausgebracht: Britney Spears, Lana Del Rey und die Hamburger Schule.
Hoch waren die Erwartungen, als Jochen Distelmeyer mit „Songs From The Bottom – Vol. 1“ ein Album mit Coverversionen ankündigte. Der kluge Kopf der Hamburger Diskurspop-Band Blumfeld, von Fans wegen Haltung und Lyrik seit 25 Jahren frenetisch verehrt, hatte auf der Lesereise zu seinem Roman „Otis“ bereits einige von ihm interpretierte Lieder vorgetragen.
Das Buch begeisterte mäßig, das Gespräch auf der Bühne über seine Berliner Flaneur-Geschichte erschien mitunter wie eine Persiflage auf intellektuelles Fachsimpeln im TV-Spätprogramm. Doch dann trat Distelmeyer ans Mikro und spielte eine Akustikversion von Britney Spears’ „Toxic“.
Diesen Hit, im Original ein wunderbar überfrachtetes Stück Plastikpop, brach der Musiker so kongenial herunter, dass beim Hörer sofort der Wunsch nach mehr entstand. Distelmeyer coverte Spears ohne das stark ironische Augenzwinkern, mit dem die britische Band Travis vor knapp zehn Jahren noch „... Baby One More Time“, die Debütsingle der Pop-Artistin, ins Akustische überführt hatte. Distelmeyers „Toxic“ war Hommage und Metamorphose zugleich.
Schöne Sammlung seiner Lieblingslieder
Wer nun auf ein Album voll solch grandioser Song-Verwandlungen gehofft hat, wird enttäuscht – und sollte lieber zu Cat Powers Cover-Platte „Jukebox“ aus dem Jahr 2008 greifen. Einer sonst hoch gepitchten Electro-Nummer wie Aviciis „I Could Be The One“ verhilft Distelmeyer mit reduziertem Einsatz von Piano und Akustikgitarre zwar zu Würde und Ruhe. Ein Song wie Lana Del Reys phlegmatisches „Video Games“ singt der 48-Jährige jedoch dermaßen nah an der Ursprungsversion, dass das innere Ohr bereits beginnt, sich nach dem lasziven Timbre der US-Interpretin zu sehnen. Nichtsdestotrotz ist Distelmeyer eine sehr schöne Sammlung seiner Lieblingslieder gelungen. Ein Album, das sich mit großem Genuss von vorne bis hinten durchhören lässt. Was vor allem in seinem Gesang begründet liegt.
Der Musiker besitzt eine Stimme so eindringlich und betörend und tief und tröstend, dass sich die Seele bereits laben würde, wenn er schlichtweg Wikipedia-Einträge vorläse. Und dass der sonst auf Deutsch singende Distelmeyer im Englischen eine gewisse Überartikulation pflegt, verleiht den meisten Stücken zusätzlichen Charme. So klingt Jonni Mitchells „Just Like A Train“ leicht und intensiv zugleich. Al Greens softe Soulnummer gerät – inklusive Vogelgezwitscher – zart countryesk. Und Richard Ashcrofts Britpop-Überhit „Bitter Sweet Symphony“ peppt Distelmeyer mit einem schlendernden Pfeifen auf. Im ikonografischen Video zum Original läuft Ashcroft übrigens, wir erinnern uns, recht offensiv und zugleich überaus lässig durch die Straßen.
Der Flaneur Jochen „Jochiboy“ Distelmeyer entdeckt auf seinem musikalischen Spaziergang nun ein wenig Neues und viel Bekanntes. Wir gehen gerne eine Weile mit ihm mit, hoffen aber für das zweite Cover-Album, das sich aufgrund des Untertitels „Vol. 1“ bereits ankündigt, auf eine Strecke mit überraschenderen Passagen.
Jochen Distelmeyer: „Songs From The Bottom – Vol. 1“ (Four Music), Konzert: Sa, 9.4., im Knust, Tickets zu 20,50 im Vvk.; www.jochendistelmeyer.de