Es sind Schätze der Weltkultur, die in Hamburger Museen bewahrt werden. Wir stellen sie vor. Teil 5: Museum für Kunst und Gewerbe.
Johannes M. August Stroh: Strohgeige, 1910
Die Strohgeige ist nur eines von zahlreichen kuriosen Musikinstrumenten, die zur Sammlung des Museums für Kunst und Gewerbe (MKG) gehören. Da gibt es merkwürdig geformte Streich- und Blasinstrumente aus dem 19. und 20. Jahrhundert – Ausdruck von Tüftelei und Experimentierfreude, vor allem aber von dem Bemühen, auf der Grundlage neuer technischer und wissenschaftlicher Erkenntnisse die Klangeigenschaften der Instrumente zu verbessern. Nicht nur klassische Instrumentenbauer, auch Uhrmacher, Goldschmiede, Physiker, Mediziner und Ingenieure entwickelten neuartige Flöten und Geigen, die sie sich oft auch patentieren ließen. Von der Strohgeige, die nach ihrem Erfinder August Stroh benannt ist, gibt es sogar historische Aufnahmen: Da sie etwa viermal so laut wie eine normale Violine ist, wurde diese Trichtergeige bei frühen Tondokumenten mit noch mangelhafter Aufnahmetechnik Anfang des 20. Jahrhunderts gern eingesetzt.
Hamburger Kunsthalle: Die Meisterwerke
China, Ming-Dynastie: Wasser-Mond-Guanyin, 15. Jh.
Im Buddhismus sind Bodhisattvas erleuchtete Wesen, die selbst darauf verzichten, die Welt zu verlassen, dafür aber den Menschen auf deren Heilsweg hilfreich zur Seite stehen. Die Holzskulptur der Wasser-Mond-Guanyin verkörpert einen in China besonders beliebten Bodhisattva. Die ursprünglich farbig gefasste Holzskulptur stammt aus der Ming-Dynastie und wurde im 15. Jahrhundert gefertigt. Guanyin sitzt hier im heiligen Land Potalaka, das paradiesische Züge trägt. Sie betrachtet den Mond, der sich auf dem Wasser spiegelt. Dieses Abbild ist nicht real, sondern nur eine gedankliche Reflexion. Damit symbolisiert das Spiegelbild den illusionären Charakter aller weltlichen Phänomene, von denen sich der Mensch lösen muss, wenn er auf dem Weg der Erlösung vorankommen will. Dass dieser Weg sehr lang sein kann, ist Guanyin bewusst, denn diese Göttin, die mit übernatürlichen Kräften ausgestattet ist, wird oft mit sehr irdischen Wünschen nach Gesundheit und Wohlstand konfrontiert.
Verner Panton: „Spiegel“Kantine, 1969
Orange, Rot und Violett sind die Grundfarben dieser Raumkomposition aus geometrischen Formen, deren Intensität und Präsenz sich wohl kaum ein Besucher zu entziehen vermag. Es ist ein Werk des weltberühmten dänischen Architekten und Designers Verner Panton (1926–1998), der Ende der 1960er-Jahre den Auftrag erhielt, die Innenausstattung für das Verlagsgebäude des Nachrichtenmagazins „ Der Spiegel“ zu entwerfen. Gegenüber der eher nüchternen und funktionalistischen Außenarchitektur des von Werner Kallmorgen entworfenen Verlagshauses an der Brandstwiete wirkte Pantons Innengestaltung in ihrer Formund Farbgebung spektakulär, modern und innovativ.
Mit der geradezu psychedelischen Atmosphäre spiegelte sie den Zeitgeist der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre in nahezu einzigartiger Weise wider. Doch gerade weil dieses Design der Atmosphäre seiner Entstehungsjahre so stark verpflichtet war, wurde es schon wenig später als anachronistisch empfunden und auch schrittweise verändert. Schon in den 1980er-Jahren entfernte man das Interieur aus der Entstehungszeit des Verlagsgebäudes nach und nach, erhalten blieb nur die Kantine, die aus drei Speiseräumen in Orange, Rot und Violett bestand, sowie die Snackbar.
Während Panton vertraglich dazu verpflichtet war, auf Möbel der Firma Knoll International zurückzugreifen, entwarf er nicht nur das komplette Farbsystem, sondern auch die Raumausstattungen einschließlich der Leuchten, Textilien, der Vorhänge, Teppiche, Decken- und Wandverkleidungen. Da der „Spiegel“ sein altes Quartier aufgab und 2011 ein neues Verlagshaus an der Ericusspitze bezog, verlor die Kantine, die zu dieser Zeit längst als Designklassiker galt, ihre ursprüngliche Funktion. Daher schenkte der Verlag das Raumensemble dem Museum für Kunst und Gewerbe.
Restauratoren des Museums inventarisierten die Einzelteile, transportierten sie ins Museum und bauten den orangefarbenen Raum und die Snackbar des Kantinenensembles in ihrem ursprünglichen Zusammenhang wieder auf. Als Teil seiner Sammlung zur Designgeschichte kann das Museum nun dieses innenarchitektonische Meisterwerk aus der Zeit der Pop-Art, das früher nur den Verlagsmitarbeitern zugänglich war, der allgemeinen Öffentlichkeit präsentieren. Für Feiern und private Veranstaltungen kann die „Spiegel“-Kantine auch gemietet werden.
Leonhard Kern: Adam und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies, 1650
Nackt, wehrlos, auf sich selbst gestellt und voller Angst – so wirkt das erste Menschenpaar nach seiner Vertreibung aus dem Paradies. Vorausgegangen ist der Verzehr einer Frucht vom Baum der Erkenntnis, womit Adam und Eva wissentlich ein zentrales göttliches Gebot gebrochen haben. Dem in der Genesis geschilderten Sündenfall, bei dem Eva die aktive Rolle zugeschrieben wird, folgt sofort die Vertreibung aus dem Paradies, die unwiderruflich ist. Diese Vertreibung, die den Verlust von Unschuld und Geborgenheit einschließt, zugleich den Menschen aber Verantwortung zuschreibt, ist eines der zentralen Themen der Bibel und ein immer wieder gestaltetes Motiv der christlichen Ikonografie. Diese von Leonhard Kern Mitte des 17. Jahrhunderts aus Elfenbein geschnitzte Figurengruppe stammt aus Schwäbisch- Hall. Meisterhaft sind hier die Angst und Schutzlosigkeit von Adam und Eva dargestellt, die sich mit dem Augenblick der Erkenntnis erstmals auch ihrer eigenen Nacktheit bewusst werden.
Werkstatt in Istanbul, Türkei: Prachtkoran, 16. Jahrhundert
Gleich mehrere Künstler waren an der Herstellung dieser Koran-Handschrift im 16. Jahrhundert beteiligt. Der wichtigste von ihnen war der Kalligraf, der das Werk auf der letzten Seite signierte. In der Istanbuler Werkstatt, die dieses Exemplar geschaffen hat, arbeiteten auch Miniaturmaler und Illuminatoren. Derartig prachtvolle Koran- Abschriften fanden später in Moscheen und Koranschulen Verwendung. Besonders kunstvoll verziert sind die ersten beiden und die letzte Seite. Die Überschrift jeder einzelnen Sure wurde hervorgehoben. Um die Trennung zwischen den Versen zu markieren, verwendete man Rosetten. Die arabische Schrift läuft von rechts nach links. Für die Schrift und die vielfältigen kunstvollen Ornamente verwendeten die Buchkünstler eine Rohrfeder sowie schwarze, farbige und sogar goldene Tinte. Dieser Koran ist in der neu gestalteten Islam-Abteilung des Museums ausgestellt.
Museum für Kunst und Gewerbe
Mehr als eine halbe Million Objekte aus 4000 Jahren bewahrt und präsentiert das Museum für Kunst und Gewerbe in seinen Sammlungen, die in den vergangenen Jahren völlig neu gestaltet wurden. Steintorplatz, Di–So 10.00–18.00, Do bis 21.00, Do an und vor Feiertagen bis 18.00