Es sind Schätze der Weltkultur, die in Hamburger Museen bewahrt werden. Wir stellen die kostbarsten vor. Serie Teil 3: Die Kunsthalle.
Richard Serra: Measurements of Time, 1996
Eigentlich war die Werkgruppe, die Richard Serra als „Splashings“ und „Castings“ bezeichnete und die überwiegend Ende der 1960er-Jahre in New York entstand, temporär angelegt. Für die Galerie der Gegenwart schuf der US-Künstler ein auf Dauer angelegtes Werk dieser Art. In einem achttägigen Werkprozess ließ er mehr als 13 Tonnen Bleischrott einschmelzen, das er als glühend heiße Masse mit einer Schöpfkelle an die Kante zwischen Wand und Boden schleuderte. Ihre Form nahm die Masse beim Abkühlen und Erstarren an. Vier der nacheinander gegossenen Elemente wurden danach aus der Raumkante befreit, gekippt und hintereinander gerückt. Der fünfte Riegel blieb fest im Winkel von Wand und Boden verankert. Am 6. September 1996 legte Serra den Titel des Kunstwerks fest, im Untertitel nannte er die Assistenten, die ihn unterstützt hatten: Measurements of Time (Seeing is Believing), 1996 (übersetzt: Zeitmessungen und: Was man sieht, glaubt man). Marius Dietrich, Ernst Fuchs, Heinz Klettke, Andreas Krüger, Gunther Maria Kolck, Jochen Möhle.
Paul Klee: Der Goldfisch, 1925
„Dieser Fisch ist mein Lieblingsbild, er ist so schön, dass sich alle anderen Fische von ihm abwenden“, hat Felix Klee bei einem Hamburg-Besuch zu dem Bild „Der Goldfisch“ gesagt, das sein Vater, der Maler Paul Klee, 1925 mit Öl- und Wasserfarben auf Papier und Karton ausgeführt hat. Das war 1990, als die Kunsthalle anlässlich des 50. Todestages des Künstlers eine Ausstellung mit je einem Werk aus jedem Schaffensjahr zeigte. In der Zeit, in der Klee seinen berühmten Goldfisch malte, war er am Bauhaus in Weimar tätig. Der Goldfisch ist keineswegs allein, doch die übrigen Fische, die er in leuchtenden Violett- und dunklen Rottönen gehalten hat, sind deutlich kleiner. Indem sie zielstrebig den Bildecken entgegen schwimmen, erhöhen sie die Wirkung des golden schimmernden Fisches im Zentrum. Die Darstellung wirkt poetisch, märchenhaft und keineswegs zufällig, auch kindlich. Denn Klee bezieht sich damit bewusst auf zwei Darstellungen, die er als Zehnjähriger von einer Forelle und einem Barsch gezeichnet hatte.
Edvard Munch: Madonna, 1894
Es ist vor allem der Titel dieses Bildes, das es zum Skandal machte. Als „Liebendes Weib“, wie Edward Munch diese berühmte Aktdarstellung zunächst nannte, mochte sie noch akzeptabel sein. Aber dass der norwegische Maler die Nackte mit den lustvoll geschlossenen Augen, die den rechten Arm lasziv hinter den Kopf hält und statt eines Heiligenscheins eine rote Kappe trägt, die denen der Pariser Prostituierten verdächtig ähnelt, wurde vom konservativen Publikum um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert als Provokation empfunden. In der christlichen Ikonografie war die Madonna von der Spätantike über die mittelalterliche Tafelmalerei, die Kunst der Renaissance und des Barock bis hin zu den Nazarenern stets als liebende Mutter und züchtige Mutter dargestellt worden, die zwar schön und vielleicht auch eine Spur erotisch , aber als Frau niemals so eindeutig begehrenswert sein durfte. Und nun stellte Edward Munch die Mutter Gottes nicht als Heilige dar, sondern geradezu als Sexikone.
Hamburger Kunsthalle: Die Meisterwerke
Ab etwa 1893 hatte sich Munch mit dem Motiv beschäftigt, das Hamburger Bild stellte er 1895 fertig. Insgesamt fünf Varianten dieses Gemäldes gibt es, hinzu kommt eine Serie von Lithografien. Dabei ging es Munch nicht vordergründig um das christliche Motiv, das ihm eher dazu diente, die Beziehung von Liebe und Angst, von Leidenschaft und Melancholie und damit das merkwürdig belastete Verhältnis zwischen den Geschlechtern – ein Schlüsselthema der Jahrhundertwende – darzustellen. Seine Frauenbildnisse sind ohnehin in verstörender Weise ambivalent, sie wirken einerseits hingebungsvoll, aber eben auch verführerisch, reizvoll, zugleich jedoch bedrohlich: Madonna, Femme fatale, Salome, Vampir.
Als die Gesellschaft der Hamburgischen Kunstfreunde Ende 1903 im Rahmen einer Munch-Ausstellung in der Kunsthalle auch eine Farblithografie der „Madonna“ zeigen wollte, auf der am Bildrand ein Embryo und Spermien zu sehen waren, ging das Direktor Alfred Lichtwark zu weit. Das könne man den Damen nicht zumuten, außerdem wisse man nicht, ob die Presse taktlos darüber schreiben würde, befand Lichtwark und verhinderte die Präsentation des anstößigen Blattes, das er im übrigen selbst geschmacklos fand. Das Madonnen-Gemälde kam erst lange nach Lichtwarks Amtszeit in die Kunsthalle, 1957 konnte es von der Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen erworben werden.
Max Liebermann: Die Netzflickerinnen, 1889
Als Kunsthallen-Direktor Alfred Lichtwark 1889 Max Liebermanns „ Netzflickerinnen“ für die damals enorme Summe von 1000 Mark kaufte, wirkte das Bild auf das konservative Hamburger Museumspublikum verstörend modern. Kein Wunder, denn Szenen aus der Arbeitswelt und Darstellungen von den unteren sozialen Schichten galten damals kaum als „kunstwürdig“. Doch die Betrachter konnten sich der Faszination der Bildkomposition kaum entziehen: Während die meisten Frauen kniend oder gebeugt damit beschäftigt sind, die auf dem Boden ausgebreiteten Netze auszubessern, hat sich die junge Frau in der Bildmitte erhoben. Aufrecht steht sie und trotzt dem Sturm, der an ihren Kleidern zerrt. Durch die Staffelung der Personen ergibt sich eine Tiefengasse nach hinten. Die Frau im Vordergrund wirkt dagegen so, als würde sie sich nicht nur dem Wind, sondern auch dem Schicksal entgegenstellen.
Ernst Ludwig Kirchner: Selbstbildnis mit Modell, 1910
Im blaugelb gestreiften Morgenmantel steht der Maler mit Pinsel und Palette vor der Staffelei, die allerdings nicht mehr zu sehen ist. Die junge Frau, die er offenbar gerade malt, sitzt in lila Unterwäsche und roten Schuhen im Hintergrund. Doch der Maler, der eine Pfeife im Mund hat, wendet ihr den Rücken zu und blickt den Betrachter des Bildes an. Hier sind die Rollen klar verteilt: Der Maler bestimmt die Szene, das Modell ist nur Objekt. Als Kirchner sich mit diesem Bild 1910 so in Szene zu setzen begann, lebte er als Mitglied der Künstlergruppe „Brücke“ in Dresden. Porträts, Landschaften, aber auch Akte und Szenen aus Varietés gehörten zu den bevorzugten Motiven dieser jungen Künstler, die die Konventionen ihrer Zeit durchbrachen und mit dem Expressionismus nach einem neuen künstlerischen Ausdruck suchten. Kirchner hat das 1910 begonnene Atelierbild 1926 noch einmal übermalt.
„SPOT ON“ IN DER HAMBURGER KUNSTHALLE
Da die Kunsthalle umfassend modernisiert wird, ist zurzeit nur die Galerie der Gegenwart geöffnet. Dort sind alle abgebildeten Werke in der Sammlungspräsentation „Spot on“ bis zum 17. Januar zu sehen. Glockengießerwall, Di–So 10.00–18.00, Do bis 21.00, vor Feiertagen bis 18.00