Hamburg. Hubertus Meyer-Burckhardt bringt die Komödie „Halbe Wahrheiten“ am Ernst Deutsch Theater heraus. Premiere ist am 26.11.

Hubertus Meyer-Burckhardt ist vielen als Gastgeber der NDR-Talkshowbekannt. Zurzeit führt er auch Regie am Ernst Deutsch Theater, bei Alan Ayckbourns Komödie „Halbe Wahrheiten“. Ayckbourn ist der produktivste lebende Dramatiker, er hat knapp 80 Stücke geschrieben, die in 35 Sprachen übersetzt wurden. Ayckbourns ­Komödien führen zwischenmenschliche Unzulänglichkeiten vor, gerade das bringt uns zum ­Lachen.

Hamburger Abendblatt: Sie sind Fernsehproduzent, Moderator, haben in einer Werbeagentur gearbeitet, Sie schreiben Bücher, jetzt inszenieren Sie. Werden Sie demnächst auch noch singen?

Hubertus Meyer-Burckhardt: Nein. Das verspreche ich. Ich tue ja all diese ­Sachen nicht gleichzeitig, sondern nacheinander. Und ich versuche alles mit maximaler Demut auszuüben. Das verhindert zumindest den Hochmut.

Als Regisseur muss man führen. Haben Sie nicht auch Angst vor dieser Aufgabe?

Meyer-Burckhardt: Ja. Ziemlich doll ­sogar. Im Englischen gibt es die schöne Formulierung „no risk, no fun“. So ganz neu ist das Inszenieren nicht für mich. Ich habe am Theater angefangen, war Regieassistent bei Hans Hollmann, ­Nicolas Brieger, Boy Gobert. Ich habe Anfang der 80er-Jahre zwei Mal inszeniert. Ich hatte mich aber an der Filmhochschule München beworben und habe dort die Ausbildung begonnen.

Warum?

Meyer-Burckhardt: Wie so viele junge Theaterregisseure hätte ich die Ochsentour über Bremerhaven und Bielefeld machen müssen. Ich hatte mehr Lust am Entertainment. Ehrlich gesagt hatte ich nicht die Zuversicht, es über Bielefeld hinaus zu schaffen.

Ha! Und jetzt? Sie inszenieren in Hamburg.

Meyer-Burckhardt: Mit Ende 50 sieht man die Welt ein wenig anders als mit Anfang 20. Ich bin dem Ernst Deutsch Theater in vielfacher Weise verbunden. Im Gespräch mit Isabella Vértes-Schütter ist bei ihr die Idee entstanden, ich könnte Regie führen. Und es sollte auf jeden Fall eine Komödie sein.

Wie lange liegt Ihre letzte Inszenierung zurück?

Meyer-Burckhardt: 32 Jahre. Ich setze mich ja bei allem, was ich tue, einem Urteil aus. Ich bin nicht ganz sicher, ob nicht dieses Aphrodisiakum des ­Wagens Teil meiner DNA geworden ist.

Haben Sie bedauert, keine Regiekarriere gemacht zu haben?

Meyer-Burckhardt: Nein. Dazu hat mich die Fülle meines Lebens viel zu sehr begeistert. Ich beneide keine Schauspieler oder Regisseure. Vielleicht Autoren.

Das Stück, in dem es vor komischen ­Momenten nur so wimmelt, muss mit schnellen Auftritten und Abgängen perfekt inszeniert werden. Das ist sehr schwer.Eine Herausforderung für Sie?

Meyer-Burckhardt: Wir verzichten auf das Rein-Raus, weil wir ­authentische Figuren zeigen. Die Charaktere sind nicht überzeichnet.

Die Probleme sind real, aber in dieser Fülle unrealistisch. Es ist immer jemand auf dem Holzweg ...

Meyer-Burckhardt: Man kann es vom Blatt inszenieren, es ist perfekt gebaut. Aber ich inszeniere nicht auf Tempo. Ich versuche, diese Menschen als wahre Figuren zu zeigen. Nicht jede Szene soll ein Brüller sein. Man soll schmunzeln.

Lachen möchte ich aber schon über die vielen Missverständnisse. Ayckbourn hat es für Menschen geschrieben, deren Sommerurlaub verregnet ist und die auch mal lachen wollen. Es wurde ein Bombenerfolg, sein großer Durchbruch.

Meyer-Burckhardt: Sie werden lachen können, das verspreche ich. Die Schauspieler sind sehr spielfreudig, und der Plot ist gut. Wir haben ein junges Paar und ein älteres. Die junge Frau hatte mit dem älteren Mann ein Verhältnis und möchte es beenden, weil sie einen Gleichaltrigen kennengelernt hat. Der taucht nun aber vor ihr bei dem älteren Ehepaar auf, in dem Glauben, dies seien ihre Eltern. Als die junge Frau dazukommt, entsteht ein großes Kuddelmuddel, und so nehmen die Dinge ihren verhängnisvollen Lauf. Ich inszeniere es so, dass alle auf Augenhöhe miteinander sind. Es gibt kein junges Hascherl und einen älteren Lebemann. Die junge Frau ist selbstbewusst.

Und die ältere Frau ist am Ende die Einzige, die alles durchschaut.

Meyer-Burckhardt: Bei mir ist sie eine Frau von heute, mit Yoga- und Schnapsleidenschaft. Und für Männer ist sie auch attraktiv.

Oh, sehr zeitgemäß!

Meyer-Burckhardt: Am Ende sollen die bestverheiratete Frau und der bestverheiratete Mann wenigstens für eine ­Sekunde denken „vielleicht gehe ich doch noch mal fremd. Aber nur einmal“. Ich appelliere an die Unvernunft.

Was ist für Sie das größte Vergnügen?

Meyer-Burckhardt: Ich bin Reisender, Suchender. Irgendwo zu sitzen und zu schreiben, wäre für mich das Paradies.

Schreiben ist etwas sehr Einsames. Sind Sie ein verkappter Einzelgänger?

Meyer-Burckhardt: Zumindest habe ich ein erotisches Verhältnis zum Alleinsein. In Wahrheit komme ich in der Gruppe, zu der ich dazuzähle, nie ganz an. Dazu gucke ich viel zu viel herum, was ich noch machen könnte.

Also doch, frei nach Shakespeare, „Lass mich den Löwen auch noch spielen“?

Meyer-Burckhardt: Ich bin als Kind mit wenig Geld aufgewachsen, meine Mutter hat im Altersheim gearbeitet. Ich glaube daran, dass jedes Eisen mehr, das man im Feuer hat, weiterhilft.

„Halbe Wahrheiten“ Premiere Do, 26.11., 19.30, Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten von 20,- bis 39,- (Premiere 30,- bis 50,-) unter T. 22 70 14 20