Tutzing. Der Musiker Peter Maffay über sein neues Album, Freundschaft und die aktuelle politische Lage auf dem Balkan.
Es ist das sechste Tabaluga-Album, für das die mitwirkenden Gäste auf ihre Gagen verzichtet haben: „Tabaluga – Es lebe die Freundschaft!“ Peter Maffay hat dafür zwölf Nummern geschrieben und zwölf ältere Songs in eine neue Geschichte eingebettet; an diesem Freitag erscheint das Album. Ein Großteil der Einnahmen gehen an die Peter-Maffay-Stiftung, mit denen Hunderte von traumatisierten und benachteiligten Kindern in verschiedenen Stiftungseinrichtungen in Deutschland, Rumänien und auf Mallorca unterstützt werden. Maffay, 66, sprach am Stiftungssitz Tutzing über die aktuelle Flüchtlingsthematik, Transslvanien – und Freundschaft.
Hamburger Abendblatt: Was bedeutet Ihnen Freundschaft?
Peter Maffay: Es ist eine Burg. In der passiert dir nichts. Echte Freunde haben nicht verlernt, aufrecht zu gehen. Ich habe nicht sehr viele enge Freunde, die Bandmitglieder zählen dazu. Wir können uns vollkommen aufeinander verlassen, darin liegt unser Potenzial.
Vor vier Jahren erschien eigentlich das letzte Tabaluga-Album. Jetzt kommt mit „Es lebe die Freundschaft“ doch noch ein weiteres Werk. Warum?
Maffay: 2017 werden wir einen animierten Tabaluga-Spielfilm herausbringen. Im Vorfeld des Films sind ein Album und eine Tournee als Startrampe gut. Außerdem brauchen wir einen Ersatzmotor für mich in der Stiftung, wenn ich mal nicht mehr in diesem Tempo und in dieser Intensität unterwegs bin.
Was meinen Sie mit Motor?
Maffay: Der Motor sind die Auswertungsrechte an Tabaluga, die wir zurückgekauft haben. Das war finanziell eine große Anstrengung, aber es ist der einzige Weg, um die Stiftung abzusichern und von mir unabhängig zu machen. Ich bin 15 Jahre das Trittbrett gewesen, um Spenden zu generieren. Auch wenn ich noch eine Zeit weitermache, wird das auf Dauer nicht mehr so gehen.
Auf dem neuen Album sind als Gäste so unterschiedliche Künstler wie Jan Delay, Samy Deluxe, Helene Fischer und die Opernsängerin Olga Peretyatko dabei. Wie passt das zusammen? Was sagt der Maffay-Fan dazu?
Maffay: Es geht nicht um mich, sondern um Tabaluga und darum, zu zeigen, wie viele Freunde Tabaluga hat. Sie sind Ausdruck einer stilistischen Vielfalt. Wir wundern uns ja auch nicht darüber, dass unsere Gesellschaft vielschichtig ist und dass hier Menschen mit einer anderen Hautfarbe oder Religion leben. Für mich ist es normal, dass auf dem Album so unterschiedliche Künstler stattfinden. Die musikalische Ausrichtung ist nur eine Kleidung, die man anzieht. Mir geht es ums Herz.
Das Thema des neuen Albums ist die Rettung der Welt, in der Tabaluga sich mit seinem Erzfeind Arktos zusammentun muss. Haben die derzeitigen Konflikte in Syrien oder in der Ukraine eine Rolle gespielt, als das Buch geschrieben wurde?
Flüchtlinge: Impressionen aus Hamburg und Europa
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Maffay: Seit dem ersten Album versuchen wir, Werte über die Figur Tabaluga zu vermitteln. Es ist das Angebot zu einem Dialog, sich mit diesen auseinanderzusetzen. Hieraus ist auch die Stiftung entstanden. Ich habe nicht an Syrien gedacht, als wir das Album konzipiert haben. Aber wir denken schon seit der ersten Auseinandersetzung zwischen Arktos und Tabaluga an Konflikte, wie sie zurzeit an vielen Stellen auf der Erde passieren. Es geht auch darum, über richtige Umverteilung zu sprechen. Über Respekt im Umgang miteinander. „Tabaluga und das verschenkte Glück“ war im Jahr 2002 nichts anderes als: Gib etwas von dem ab, was du zu viel hast. Wenn du das tust, ohne zu kalkulieren, kommt es tausendfach zurück.
Die aktuelle Botschaft passt gut zur Flüchtlingspolitik ...
Maffay: Leider. Aber dahinter steckt keine Marketingstrategie, basierend auf den täglichen Nachrichten.
Seit vier Jahren engagieren Sie sich in Ihrer Heimat Rumänien in dem Dorf Radeln, in dem überwiegend Roma wohnen. Verlassen die Einwohner dieses transsilvanische Dorf, obwohl es dort neue Perspektiven gibt?
Maffay: Ja. Es wäre schön, wenn sie es sich ersparen würden, sich von ihren Familie zu trennen, von ihrer Heimat zu lösen und sich zu entwurzeln. Wir haben dort schon viel auf die Beine gestellt, aber es bleibt schwierig. Ich habe Sponsoren kennengelernt, die bereit waren, Geld zu spenden, die aber sagten: „Wir möchten nicht, dass Sie das im Ausland investieren.“ Ich kann diese Sichtweise nicht nachvollziehen. Transsilvanien ist nicht weit weg, es ist nah.
Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptprobleme der Balkanländer?
Maffay: Es reicht nicht, die Grenzen der EU zu erweitern, man muss die Korruption in diesen Ländern verhindern. Es darf kein Kavaliersdelikt sein, den Staat auszunehmen. Die Menschen dort müssen gemeinsam ihre Perspektive gestalten, auch wenn das unmöglich scheint.
Wie bekommt man die Korruption auf dem Balkan in den Griff?
Maffay: Das Volk, die gesellschaftliche Mitte muss ein Bewusstsein für den Staat entwickeln und sich fragen: Wer sind wir? Was können wir? Welche Rechte haben wir aufgrund der Verfassung? Wenn wir wählen, können wir bestimmen und können Korruption abschaffen. Das Rückgrat einer Gesellschaft geht nur über die Mitte. Und dann können ein korrupter Bürgermeister oder eine belastete Staatsspitze abgewählt werden.
Wie sollte der deutsche Staat mit den Flüchtlingen umgehen, die kommen?
Maffay: Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen Balkanflüchtlingen und Menschen aus Syrien. Die kommen aus einem Kriegsgebiet, und deren Leben ist bedroht. Denen gebührt unsere Konzentration und Hilfe. Aber irgendwann ist die Leistungsfähigkeit unseres Staates erschöpft. Es ist wie mit einem Schwamm: Wenn er vollgesogen ist, kann er kein weiteres Wasser aufnehmen, und das Wasser läuft unten raus. So brutal das klingt: Die Hilfsprogramme würden kollabieren und nicht mehr in der Lage sein, denen zu helfen, die diese Hilfe am nötigsten brauchen. Man muss diese Realität zum Ausdruck bringen. Und darf den Bürgern nicht mit gummiweichen Statements vorgaukeln, es gäbe Lösungen. Wer nicht Klartext redet, ignoriert den Umstand, dass sich unsere Mitte mehr und mehr radikalisieren wird.
Es hat viele Beispiele von Willkommenskultur, etwa in München und Hamburg, gegeben. Pegida scheint vor allem auf Dresden beschränkt zu sein ...
Maffay: Es gibt zum Glück eine ostentative Haltung, die klarmachen will: Achtung, wir sind anders als Pegida und Rechtsradikale. Ich bezweifle, dass diese positive Stimmung auf Dauer durchzuhalten ist. Was ist, wenn zwei Millionen Flüchtlinge da sind?
Halten Sie Zäune für sinnvoll, wie ein CSU-Mann forderte?
Maffay: Auf keinen Fall. Kannst du den Wind aufhalten? Nein. Haben wir Grenzen, die den Wind aufhalten können? Nein. Die Menschen sind wie der Wind, die kannst du nicht aufhalten.
Aber wie soll der Staat vorgehen?
Maffay: Wir haben ein Asylgesetz und müssen differenzieren zwischen Ländern, die wirkliche Konfliktherde sind, und solchen, in denen es die nicht gibt. Wir haben Richtlinien, sie müssen nur praktiziert werden. Die Umsetzung der Gesetze muss effektiver werden.
Die nächste Tabaluga-Tournee: 7./8.10.2016, in der Hamburger Barclaycard-Arena, Karten gibt es ab 48,35 Euro
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