Hamburg. Viele Arbeiten beim Filmfest Hamburg thematisieren den Zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus.

Kann man das Grauen in einem Konzentrationslager auch nur annähernd darstellen? Dieser Frage mussten sich viele Filmemacher in der Vergangenheit stellen, die sich mit der Shoah auseinandersetzt haben. Die meisten sahen davon ab, ins Innere dieser Hölle zu blicken. Sie zeigten das bürokratische Vernichtungssystem der Nazis oder folgten der Auffassung des französischen Dokumentarfilmers Claude Lanzmann, der jede Nachstellung als verharmlosend ablehnte.

Der ungarische Regisseur László Nemes jedoch geht mit seinem Debütfilm „Son of Saul“ mitten hinein in die Vernichtungslager. Er zeigt den jüdischen Häftling Saul Ausländer (Géza Röhrig), der als Mitglied eines sogenannten Sonderkommandos den SS-Soldaten behilflich ist. Ausländer begleitet die Transporte direkt in die Gaskammern, filzt Kleider von Deportierten, schippt Kohle für Verbrennungsöfen. Die Kamera zeigt sein regungsloses Gesicht in Nahaufnahme, folgt nur seinem eingeschränkten Blickfeld. Seine Opfer werden nicht gezeigt, man hört nur ihre Schreie und verzweifelten Schläge gegen die Wände ihrer Todeszellen. „Son of Saul“, in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet und für den Oscar als bester ausländischer Film vorgeschlagen, ist der herausragende Film einer Reihe von Arbeiten, die sich beim Filmfest Hamburg mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Nationalsozialismus beschäftigen. Dieser außergewöhnliche und intensive Film wird am Freitag, 9.10., um 17 Uhr im Cinemaxx gezeigt.

Um die Täter und ihre Söhne geht es in David Evans’ aufschlussreicher Dokumentation „A Nazi Legacy: What Our Fathers Did“ (heute, 19 Uhr, Metropolis; 10.10., 17 Uhr, Studio). Der britische Menschenrechtsanwalt Philippe Sands hat sich zusammen mit Niklas Frank und Horst von Wächter auf eine Reise nach Polen und in die Ukraine begeben, wo Hans Frank und Otto von Wächter als Gouverneure maßgeblich für die Gräueltaten des Nazi-Regimes verantwortlich waren. Während für Niklas Frank klar ist, dass sein Vater ein Massenmörder war, der zu Recht bei den Nürnberger Prozessen zum Tode verurteilt wurde, leugnet Horst von Wächter die Taten seines Vaters.

Opfer aus dem Land der Täter zeigt „Unter dem Sand“ von Martin Zandvliet (heute, 19.15 Uhr, Cinemaxx; 8.10., 17 Uhr, Metropolis). Nach Ende des Zweiten Weltkriegs mussten 2000 deutsche Soldaten die dänische Westküste von mehr als zwei Millionen Minen räumen, fast die Hälfte starb bei der gefährlichen Mission. Zandvliets Film ist ein beeindruckendes Beispiel von Rache, kollektiver Schuld und individueller Wiedergutmachung.

„Liebster Hans, bester Pjotr“ handelt von deutschen Ingenieuren in der Sowjetunion (7.10., 19.15, Cinemaxx, 9.10., 16.30 Uhr, Metropolis). „Remember“ von Atom Egoyan ist die Rachegeschichte an einem ehemaligen KZ-Wärter (8.10., 19 Uhr, Passage, 10.10., 18.30 Uhr, Abaton). „Der vergessene Krieg – San Gusmè und das Theater der Erinnerung“ ist eine Dokumentation von Ulrich Waller und Eduard Erne über ein Theaterstück, das eine Vergeltungsaktion der Wehrmacht in der Toskana vor 70 Jahren zum Thema hat (10.10., 20.30 Uhr, Cinemaxx).

Filmfest: Tipps, Kinos und Karten

Heute empfehlenswert:
Die romantische Komödie „Price Of Love“ von Hermon Haillay aus Äthiopien läuft um 21.45 Uhr im Cinemaxx 2 (Dammtordamm 1)
Filmfest-Karten:
Tickets zu 9 Euro, ermäßigt 7 Euro, Michel Kinderfilmfest 4 Euro, gibt es in den beteiligten Kinos und unter www.filmfesthamburg.de