Hamburg. Die französische Schauspielerin Catherine Deneuve über Leben in der Öffentlichkeit und die Grenze zwischen Privatleben und Kino.

Hotel Grand Elysée zur Mittagszeit. Catherine Deneuve sitzt in der Brasserie. Sie lässt sich Zeit. Essen. Kaffee. Zigarette. Das Interview beginnt mit einer Stunde Verspätung. Aber wer könnte derartige Banalitäten der unangefochtenen Grande Dame des französischen Kinos übelnehmen? Sie betritt die Suite, fester Händedruck, leicht spöttisches Lächeln. Die Deneuve sieht immer ein bisschen so aus, als würde sie den ganzen Zirkus, der um ihre Person gemacht wird, nicht so ganz ernst nehmen. Für ihre Nonchalance, ihren Leinwandzauber, ihre Kinokunst wurde sie zum Auftakt des Filmfest Hamburg mit dem Douglas-Sirk-Preis geehrt. Ihr neuer Film, die herrlich-böse Komödie „Das brandneue Testament“, startet am 3. Dezember in den deutschen Kinos.

Während des Gesprächs klingelt ihr Handy. „Excusez-moi“, sagt Catherine Deneuve, und nimmt den Anruf in Seelenruhe entgegen. Anschließend steckt sie sich eine Zigarette an und zieht erwartungsvoll die Augenbrauen hoch, als wollte sie sagen: „Na los, bitte eine Frage, die ich nicht schon hundertmal gehört habe.“

Hamburger Abendblatt: Mademoiselle ­Deneuve, gab es in Ihrem Leben einen Zeitpunkt, an dem Sie es satt hatten, die große Catherine Deneuve zu sein?

Catherine Deneuve: Ich befand mich an einem solchen Punkt, bevor ich 1980 „Die letzte Metro“ mit François Truffaut drehte. Ich hatte das Gefühl, die Rollen, die mir angeboten wurden, seien nicht mehr so interessant wie sie einmal waren. Ich dachte, meine besten Filme lägen hinter mir. Dann drehte ich „Die letzte Metro“ und sah ein, dass ich mich geirrt hatte.

Weshalb haben Sie eine Rolle in „Das brandneue Testament“ angenommen?

Die schönsten Bilder vom Filmfest Hamburg

Die französiche Schauspielerin Catherine Deneuve erhielt den Douglas-Sirk-Preis
Die französiche Schauspielerin Catherine Deneuve erhielt den Douglas-Sirk-Preis © dpa | Axel Heimken
David Bennent, Catherine Deneuve, Olaf Scholz und Albert Wiederspiel
David Bennent, Catherine Deneuve, Olaf Scholz und Albert Wiederspiel © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Festivalbesucher warten am Abend auf die Eröffnung
Festivalbesucher warten am Abend auf die Eröffnung © dpa | Axel Heimken
Edgar Selge auf dem Roten Teppich in Hamburg
Edgar Selge auf dem Roten Teppich in Hamburg © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Gustav Peter Wöhler und Albert Wiederspiel waren bei dem Filmfest unter den Gästen
Gustav Peter Wöhler und Albert Wiederspiel waren bei dem Filmfest unter den Gästen © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Claudia Rieschel und Wanda Perdelwitz, beide elegant gekleidet beim Hamburger Filmfest
Claudia Rieschel und Wanda Perdelwitz, beide elegant gekleidet beim Hamburger Filmfest © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Der Intendant des St.-Pauli-Theaters, Ulrich Waller und seine Frau Dania Hohmann  erlebten die Gala gemeinsam
Der Intendant des St.-Pauli-Theaters, Ulrich Waller und seine Frau Dania Hohmann erlebten die Gala gemeinsam © dpa | Georg Wendt
Die französiche Schauspielerin Catherine Deneuve ausnahmsweise allein auf dem Roten Teppich
Die französiche Schauspielerin Catherine Deneuve ausnahmsweise allein auf dem Roten Teppich © dpa | Georg Wendt
Die französische Schauspielerin Catherine Deneuve , Olaf Scholz und die österreichisch-schweizerische Schauspielerin Anna Tenta vor der Eröffnung der Gala
Die französische Schauspielerin Catherine Deneuve , Olaf Scholz und die österreichisch-schweizerische Schauspielerin Anna Tenta vor der Eröffnung der Gala © dpa | Georg Wendt
Schauspielerin Pheline Roggan kam ebenfalls zur Eröffnung des Filmfestes
Schauspielerin Pheline Roggan kam ebenfalls zur Eröffnung des Filmfestes © dpa | Georg Wendt
Der Schauspieler Peter Lohmeyer (rechts) und sein Sohn Louis Klamroth in Hamburg
Der Schauspieler Peter Lohmeyer (rechts) und sein Sohn Louis Klamroth in Hamburg © dpa | Georg Wendt
Tatortkommissar Borowski lässig auf dem roten Teppich
Tatortkommissar Borowski lässig auf dem roten Teppich © picture alliance / rtn - radio t
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Deneuve : Ich wollte gern mit Jaco van Dormael arbeiten, der ein sehr guter Regisseur ist. Er hat einen großartigen Sinn für Humor.

Sie teilen seinen Sinn für Humor?

Deneuve : Ich mag seinen Humor; ob ich ihn teile, weiß ich nicht. Mein eigener Humor ist wohl sehr französisch. Spott und Ironie spielen dabei eine Rolle.

Im Film erfahren die Menschen den ­Zeitpunkt ihres Todes. Was würden Sie tun, wenn Sie ihr eigenes Todesdatum ­erführen?

Deneuve : Nun, das käme ganz darauf an. Auf die Zeit, die ich noch hätte. Und darauf, wie ich mich gerade fühlen würde. Mal würde ich vielleicht auf Reisen gehen, mal meine engsten Freunde sehen. Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht treffen muss.

Sind Sie ein Mensch, der weit in die ­Zukunft plant oder eher in der Vergangenheit lebt?

Deneuve : Ich beschäftige mich nur wenig mit der Vergangenheit. Ich lebe lieber in der Gegenwart. Was nicht bedeutet, dass ich die Vergangenheit verdrängen würde. Ich bin mir sehr wohl bewusst darüber, welche Dinge ich in meinem Leben richtig gemacht habe und welche falsch. Aber darüber spreche ich natürlich nicht in der Öffentlichkeit. (lacht)

Die Schauspielerin Marlene Dietrich hat einmal über ihr öffentliches Bild gesagt: „Sie haben mich zu Tode fotografiert.“ Können Sie mit diesem Satz etwas ­anfangen?

Deneuve : Fotografiert werden kann sehr langweilig sein. Heutzutage ist jeder ein Fotograf. Jeder fotografiert rund um die Uhr alles und jeden.

Machen Sie Selfies?

Deneuve : Hören Sie auf, ich hasse Selfies! Neulich war ich auf einer großen Party eingeladen. Am Ende des Dinners gab es ein fantastisches Feuerwerk zu sehen. Niemand schaute auf das Feuerwerk, alle Gäste fummelten nur mit ihren Handys rum. Schrecklich.

Als Sie in Ihrem Beruf anfingen, war die Filmwelt von Männern dominiert. Wie sind Sie damit zurechtgekommen?

Deneuve : Ich habe es als selbstverständlich genommen. Aber kein Regisseur, kein Produzent hat auf mich herabgeblickt oder mich abfällig behandelt. Das hätte ich auch nicht zugelassen, selbst als sehr junge Frau nicht. Ich bin erzogen worden mit der Gewissheit, dass ich mir nicht alles gefallen lassen muss.

Spielt Arbeit oder Liebe eine größere ­Rolle in Ihrem Leben?

Catherine Deneuve (l.) und ihr Lover in
„Das brandneue Testament“
Catherine Deneuve (l.) und ihr Lover in „Das brandneue Testament“ © NFP

Deneuve : Warum muss man trennen zwischen diesen beiden Dingen? Ich tue es jedenfalls nicht. Ich musste mich auch nie zwischen Karriere und Liebe entscheiden. Die Grenzen verschwimmen doch. Ich kann mit den Menschen, mit denen ich arbeite, enge private Beziehungen führen.

Stimmt das Gerücht, dass Alfred Hitchcock einen Film mit Ihnen drehen wollte?

Deneuve : Ja, wir haben über ein gemeinsames Projekt gesprochen. Aber es ist leider nicht zustande gekommen. Ich habe neulich noch einmal einen meiner Lieblingsfilme von ihm gesehen, „Marnie“. Das ist wirklich ein Film, in dem ich gerne gespielt hätte.

Können Sie sich vorstellen, demnächst keine Filme mehr zu drehen und in Rente zu gehen?

Deneuve : Warum sollte ich das tun? Die Arbeit ist Teil meines Lebens. Ich gehe viel ins Kino, ins Theater, ich bin mit Filmemachern befreundet. Warum ­sollte ich all das aufgeben und mich aufs Land zu meinen Schafen zurückziehen? Ich liebe das Kino.

Filmstart am 3. Dezember 2015

„Das brandneue Testament“ des belgischen Regisseurs Jaco Van Dormael erzählt von einem griesgrämigen Gott und seiner Tochter, die per SMS Todesdaten an alle Menschen verschickt. Catherine Deneuve spielt in einer Nebenrolle eine vom Leben gelangweilte Frau, die sich in einen Gorilla verliebt.