Hamburg. Das Museum plant mit einem Berliner Ideengeber ab Sommer 2016 Veranstaltungen im Hubertus-Wald-Forum.
Der letzte groß eingefädelte Versuch, ein Berliner Kulturprojekt ohne lokale Wurzeln nach Hamburg umzutopfen, waren die Konzerte des Jugendorchester-Festivals „Young Euro Classic“. Die damalige Kultursenatorin Karin von Welck hielt die Import-Idee, wie es so ihre Art war, für ganz wunderbar. Doch das Gastspiele-Konzept mit für jeweils einen Abend herangekarrtem Klassik-Nachwuchs, 2005 sehr laut gestartet, kollabierte bald ziemlich kleinlaut.
Genau so – irgendwelche Künstler von auswärts über irgendeiner vermeintlichen Angebotslücke einer anderen Stadt abwerfen – soll gerade nicht werden, was Stefan Brandt und Folkert Uhde für das Hubertus-Wald-Forum in der Kunsthalle planen. Wenn dort im nächsten Frühjahr die großen Umbaumaßnahmen beendet sind, wollen der Kunsthallen-Geschäftsführer (von Haus aus Musikwissenschaftler) und der Konzertdesigner aus der Führungsebene des Berliner Veranstaltungszentrums Radialsystem einen Testballon starten, der Folgen haben darf. Ab Mitte Juni 2016 soll das erste „Art Lab“ als „Experiment an den Schnittstellen zwischen aufführender und bildender Kunst“ starten, unter reger Beteiligung der Hamburger Musiker vom Ensemble Resonanz. Kleiner und feiner also ist das Ziel.
„AUSSEN/INNEN“, so der Arbeitstitel, wird ein Projekt, wie es typisch ist für Uhdes Konzertdramaturgen-Denke: Räume bespielen, Konstellationen sichtbar machen, Beziehungen schaffen, das ist sein Ding. Konzerte vom Blatt zu organisieren überlässt er anderen.
Die erste Gelegenheit zum Warmwerden unter dem Dach der Kunsthalle war Uhdes „Inside Partita“, ein Abend für eine Barockgeigerin, eine Tänzerin, Elektronik und Lichteffekte im Herbst 2013. Für die Premiere im nächsten Jahr plant Uhde eine Genre-Mischung, mit Videos, Musik und Klang-Elementen, die allesamt auf die ganz spezielle Lage der Kunsthalle eingehen, zwischen den Bahngleisen, der Verkehrsader und dem Alsterufer.
Es geht um die Position der Kunsthalle in der Stadt und um den generellen Zugang zu Kunst, sagt er. Acht bis zehn Abende lang, für jeweils 250 bis 300 Besucher, soll das Stück gegeben werden, das womöglich mit Musik von Steve Reich beginnt und vielleicht mit Musik von Bach endet. Anschließend wird das Konzept auf die Berliner Gegebenheiten umgeändert und im Radialsystem wiederbelebt, das am Spreeufer eine ähnlich spezielle städtebauliche Umgebung und Spannung vorweisen kann. Die Finanzierung durch Drittmittel, ergänzt durch die Einnahmen, sichert die Hubertus Wald Stiftung, berichtet Brandt. Und die Kultursenatorin, die die Radialsystem-Philosophie aus ihrer Zeit in Berlin kenne, beobachte die Angelegenheit mit großem Interesse.
Das Projekt könnte ein Bausteinchen im Olympia-Mosaik werden
Ein Experiment mit ungewissem Ausgang, aber unter nicht uninteressanten Vorzeichen, die logische Fortsetzung der Eröffnungsfeierlichkeiten das Hauses, vielleicht auch ein Bausteinchen im Olympia-Mosaik. Und auf jeden Fall auch ein Versuch, seine Aufgaben neu, anders und weiter zu denken, als es ein klassischer Museums-Geschäftsführer normalerweise zu tun pflegt. Kann klappen, könnte toll werden und danach mit einer zweiten „Art Lab“-Versuchsanordnung Anfang 2017 in die nächste Runde gehen.
Für Brandt ist das Planen über den musealen Tellerrand hinaus nicht neu. Zu den Ausstellungen entwirft die Kunsthalle immer wieder konzeptionelle Beiboote mit Anleihen bei anderen Kunstformen. So ist für die Manet-Ausstellung im nächsten Jahr Querverweisendes auf den Schriftsteller Emile Zola geplant. Doch eine unschöne Überschneidung mit dem spartenübergreifenden Ehrgeiz von örtlichen Anbietern wie Sommerfestival-Intendant András Siebold oder Elbphilharmonie-Generalintendant Christoph Lieben-Seutter, der kurz vor seiner Eröffnung jede Gelegenheit zur Publikumsverbreiterung nutzen wollen müsste, sieht Brandt nicht. „Das würde ich nicht sagen, wir haben hier eine Situation, in der wir uns eindeutig mit unserer Institution, mit der Kunsthalle auseinandersetzen. Wir möchten in diesen Räumen etwas ausprobieren, was die Verhältnisse in Bewegung, ‚zum Tanzen‘ bringt. Wir gehen ja mit diesem Projekt niemandem ans Leder. Was sich daraus entwickelt, wissen wir natürlich nicht.“
Auch der Hinweis auf die noch ganz frische neue Heimat vom Ensemble Resonanz in ihrem „resonanzraum“ im Medienbunker an der Feldstraße ist nichts, das Uhde von seiner Planungsabsicht abbringen könnte: „Das ist ein völlig anderer Ansatz. Der Bunker ist ein fantastischer Raum, den man vielfach nutzen kann. Aber: Wir werden etwas entwickeln, was sich mit dieser veränderten Situation der Kunsthalle auseinandersetzt, genau an dem Ort. Das kann ich nicht in dem Bunker machen, das würde dort nicht hinpassen.“