In der Kunsthalle erstrahlen mehr als 200 (post-)impressionistische Werke der berühmten Privatsammlung des Paares Hahnloser-Bühler.
Wer sich die Hände wusch im Badezimmer der Familie Hahnloser-Bühler, der konnte den Blick über zwei große Blumenstillleben schweifen lassen: Es wird wohl keinen Raum in der Villa Flora gegeben haben, den das kunstsinnige Schweizer Sammler-Paar Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler nicht mit Bildern oder Skulpturen geschmückt hätte. Anfangs suchten der Augenarzt und seine Frau noch innerhalb der Schweiz, doch bald entwickelte sich die Liebe zur Kunst zu einer lebenserfüllenden Leidenschaft, deren Früchte die Familien heute in der fünften Generation genießen: Auf nach Frankreich!
Für Kunsthallendirektor Hubertus Gaßner ist mit dieser Ausstellung ein lang gehegter Wunschtraum in Erfüllung gegangen. Zum ersten Mal ist die Sammlung, zusammengetrommelt von acht Leihgebern, nun auf Reisen, noch nie wurde sie außerhalb der Schweiz gezeigt. Der Grund, warum das nun möglich ist, ist traurig: Eben jener Villa Flora in Winterthur wurden die öffentlichen Gelder entzogen, das Museum vorläufig geschlossen, statt saniert.
Dieser große Schatz ist nun für sechs Monate im Obergeschoss der Galerie der Gegenwart zu sehen, ergänzt durch einige Hamburg-Bilder, die Alfred Lichtwark seinerzeit den von ihm eingeladenen Malern Pierre Bonnard und Édouard Vuillard, abkaufte, um den Norddeutschen ihre damals hochmoderne Malweise näher zu bringen. 225 Werke vieler berühmter Maler des (Post-)Impressionismus kann man jetzt hier bewundern: ein Raum mit kleineren Werken Renoirs, einige Van Goghs, Bronzen von Rodin, Cézannes Häuserbilder, und dann sehr viele Gemälde von Vallotton, Bonnard, Vuillard und anderen, gesammelt von 1906 bis 1936.
Im Dialog prägnantere Wirkung
Der letzte Raum hält zwei Entdeckungen bereit: Henri Manguin und Georges Rouault sind bisher keinem breiten Publikum bekannt. Kunsthallenkurator Daniel Koep nennt es „eine Wohlfühlausstellung, die aber Tiefe und Abwechslung bringt. Die Familie Hahnloser-Bühler halten wir für vorbildlich. Kunst hat sie nie als Geldanlage gesammelt, sondern mit Herzblut“. Zu den Künstlern verbanden die Familie jahrelange Freundschaften, und sie waren es, die das Sammler-Ehepaar immer tiefer in die Welt der Kunst hineinlockten, ihnen Freunde vorstellten, junge, unentdeckte Talente, deren Werk heute weltberühmt und unbezahlbar ist.
Mit den Schweizer Ursprüngen, also mit dem bereits groß in Hamburg präsentierten Ferdinand Hodler und Félix Vallotton, außerdem Giovanni Giacometti, öffnet sich der erste Raum, und der Betrachter stellt fest, dass Vallotton im Dialog mit seinen Zeitgenossen weit prägnanter zur Wirkung kommt, als in einer Einzelausstellung.
Vallotton war von Anfang an ein Lieblingsmaler der Familie. Er ist mit einer großen Badenden vertreten, die vor dem für ihn typischen stumpf gemalten Hintergrund steht, seltsam flach und im Ausdruck eher entlarvend als idealisierend. Nicht weit davon erscheint die gesamte Familie, ungeschönt porträtiert von Vallotton: das ernste Familienoberhaupt, seine melancholische Gattin und auf einem zweiten Bild die Kinder Hans und Lisa. Dass er nicht schmeichelte, war offensichtlich akzeptiert, denn immer mehr Bilder Vallottons fanden den Weg in die Sammlung.
In der Landschaftsdarstellung entfaltet sogar eine gewisse Vor-Revolution ihre Kraft in einem der letzten Räume: Hier prallen Vallottons grafisch-flächig aufgelöste, farblich manchmal richtig verwegene Landschaften auf die mythischen, ganz und gar malerisch verwischten Sommerbilder Bonnards.
Ein Hauch von Villa Flora in Hamburg
Einen Hauch der Atmosphäre aus der damaligen Villa Flora haben die Kuratoren Angelika Affentranger-Kirchrath und Daniel Koep sowieso in die Hamburger Ausstellung geholt, schließlich handelt es sich um eine Privatsammlung: Der Vorraum des Rundganges wird durch eine doppelte Dia-Show erhellt, die den Blick freigibt in eine (groß-)bürgerliche Villa, der aber die Kälte des Geldes und der Repräsentation abgeht. Die Familie sparte sich vom Munde ab, was sie in die Kunst steckte. Die schwarz-weißen Dias zeigen sommerliche Plauderstündchen im sonnigen Garten oder in den gemütlichen Zimmern voller Bilder, die manchmal zum Atelier umfunktioniert wurden. Es ist eine Sehnsuchtswelt, in der Zeit für Muße war, Muße, die in der hektischen heutigen Welt verloren gegangen ist.
Die Ausstellung rollt zunächst eher chronologisch die Geschichte der Sammlung auf, um im Anschluss Gewichtungen zu setzen. Die Wandfarben wechseln von hellem Ocker zu dunklem Violett und Blassgrün. Angelika Affentranger-Kirchrath erzählt, dass das Sammlerpaar zwar überwiegend Zeitgenossen gesammelt habe, aber auch zeigen wollte, wo die postimpressionistische Kunst herkam. Deshalb hätten sie auch Arbeiten von Renoir oder Van Gogh gekauft - Preziosen, die auf Anhieb zeigen, dass hier jemand mit Kunstverstand unterwegs war. Renoirs fedrig gepinselte Landschaften lösen sich halb auf im Licht, während von Van Gogh gleich drei Meisterwerke zu bestaunen sind. Die vertrocknenden Räder zweier abgeblühter Sonnenblumen hat der Maler mit dem Funkenflug des verglühten Sommers umspielt. Ein Selbstporträt soll dahinter schlummern, van Gogh musste es aus Geldnot übermalen, weil ihm Geld für Leinwand fehlte.
Ein violett gestrichenes Kabinett spiegelt die Vorliebe der melancholischen Ehefrau: Sie zog es zu dem vielschichtigen, aus den Tiefen des Unbewussten schöpfenden Maler Odilon Redon. Hier sticht ein höchst delikates, von innen leuchtendes Anemonen-Stillleben heraus.
Es folgen kleinformatige Gemälde und exquisite Grafikreihen der Künstlergruppe Nabis, dann ein Raum träumerisch selbstvergessener, badender oder schlafender Frauen, bis wieder Félix Vallotton die Szene betritt und einen Raum füllt wie mit Peitschenknall, unüberhörbar und unentrinnbar machtvoll. Hier ist die Unschuld verflogen, hier wird Kunstgeschichte zitiert und Klischees werden umgedreht. Ja, auch diese Frauen sind schön. Aber die Dame mit dem lila Hut blickt kränklich, und die nackte Schlafende, eine Paraphrase auf Édouard Manets berühmte „Olympia“ ist nicht mehr die Königin des Bildes, sondern wehrlos ausgeliefert. Ihr zur Seite sitzt eine schwarze, rauchende Frau, mit orangenem Turban vor türkisfarbener Wand. Worauf wartet sie?
„Verzauberte Zeit. Meisterwerke aus der Sammlung Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler“. 20.2.-16.8. Kunsthalle/Galerie der Gegenwart