Hamburg. Die Galerie Levy zeigt anlässlich des 80. Geburtstags von Mel Ramos die Ausstellung „Superman im Supermarkt“
Wo sind sie denn, all diese sexy Frauen, jung, nackt und immer gut gelaunt, die auf den Zigarren reiten oder sich an Tuben und phallische Flaschenhälse schmiegen? Beim Betreten der Galerie Levy, die dem amerikanischen Künstler Mel Ramos zum 80. Geburtstag eine Ausstellung widmet, sind sie erst mal nicht zu sehen. Stattdessen hat sich Thomas Levy einen Jux daraus gemacht, dort einen Supermarkt mit Supermännern und schick beleuchteter Bar einzurichten, wie anno 1964 in der New Yorker Galerie Bianchini. Hier liegen 7up-Flaschen, Wodka, Coca-Cola und echte Schokoriegel in den Regalen, sogar die Preisschilder hat er nicht vergessen. Der Galerist knüpft so an die 1960er- Jahre an, in denen Mel Ramos als Pop Art-Künstler bekannt wurde.
In der Galerie steht ein schlanker alter Herr in tadellos sitzendem Anzug, mit widerspenstig um sein Gesicht tänzelnden grauen Haaren und wachen Augen, die schon immer eines gern taten: Frauen ansehen, am liebsten nackte. „Ich bin interessiert am Voyeurismus“, bekennt Mel Ramos. Hatte man schon vermutet. Ramos weiß, dass seine Frauen-Produkt-Zeichnungen – die neuen in bleistiftgrau-farbiger Kombination – nur dann funktionieren, wenn die Frauen auch fröhlich lächeln.
Obwohl er es nicht hören mag, wenn er in die Pop-Art-Schublade gestopft wird, weiß er doch, dass die Wirkung seiner Bilder jener der Werbung entspricht: Nichts Verstecktes, hoher visueller und emotionaler Gehalt, Lesbarkeit und die direkte Verbindung ins Lustzentrum beinahe jeden Mannes ... „Was ich mache, funktioniert über den Humor“, sagt Ramos. Auch seien die Frauenbilder als Parodie gemeint.
Wie in der Produktwerbung wirken all diese netten Mädchen, als hätten sie niemals nervige Probleme, sie ziehen sich gern aus und finden es super, betrachtet zu werden. Perfekte Projektionsflächen für schlichte männliche Sehnsüchte. Auch wenn der Künstler ein ausnehmend netter Mensch ist, kann man die kräftige Ladung Machismo nicht übersehen.
Mit feministischer Kritik hat Mel Ramos naturgemäß aber nichts am Hut, er hat auch keine Lust, darauf einzugehen. Auch nicht auf die amerikanische Doppelmoral, wie sie zum Beispiel auf Facebook sichtbar wird, wo zwar nackte Brüste verboten sind, rassistische Exzesse dagegen nicht geahndet werden. „Meine Arbeit hat etwas mit Affirmation zu tun“, sagt er unschuldig lächelnd. „Ich bin völlig apolitisch.“
Nur die Tierschützer, die hatte er neulich am Hals, weil seine nackten Schönen sich auch an wilde afrikanische Panther und andere Pelzkatzen schmiegten. „Ich konnte das gar nicht glauben, dass gegen solche Bilder protestiert wird!“ Dass seine Modelle weiterhin einem Schokoriegel-Papier entspringen oder einer Bananenschale, macht er, „weil mir das Spaß macht“, sagt Ramos. „Ich urteile nicht darüber. Allerdings achte ich auf die hohe ästhetische Qualität.“
Tief in seinem Herzen aber hat sich die portugiesische Seele seiner Vorfahren nach vorn gegraben. Schon 1973 hat er sich in Spanien ein Haus gekauft, in einem Dorf, in dem auch Picasso gewohnt hatte. Und er hat die europäische Kunstgeschichte voller Sehnsucht in sich aufgesogen.
Einmal, da war er im Louvre gestanden, in einem riesigen Saal mit entblößten Göttinnen, Bibelfiguren oder antiken Heldinnen, von Tizian und Tintoretto: „Es waren Frauen, deren ikonischer klassischer Schönheit die Malerei des 19. Jahrhunderts nachgefolgt war. Ich war so glücklich! Endlich spürte ich hier dieselbe Leidenschaft, Frauen zu malen!“
Sie dagegen zu fotografieren, käme Mel Ramos nicht in den Sinn. Er bleibt beim Bleistift und seinen Pinseln, „ich bin Maler, kein Fotograf“.
Er hat nach seinen Anfängen als abstrakter Expressionist auch andere Dinge ausprobiert, seine berühmten Künstlerkollegen von Matisse bis Ingres zitiert in der Serie „Drawing Lessons“ oder seine „Galathea“-Bilder gemalt, mit Frauen, die halb aus Fleisch und halb aus Marmor waren. Aber all diese Arbeiten waren bei Weitem nicht so erfolgreich wie seine immer gleichen Konsum-Göttinnen, Körbchengröße C bis D. Am Eröffnungstag hatte Levy schon mehr als die Hälfte der Bilder verkauft – das Stück für 50.000 Euro.
Mel Ramos: Superman im Supermarkt, Galerie Levy (Bus 22), Osterfeldstr. 6, bis 30.10. Di - Fr 10.00-18.00