KIel. Mit einer Aufführung von Verdis „Messa da Requiem“ endete das Schleswig-Holstein Musik Festival.
Eine Totenmesse in der Sporthalle als rauschender Abschluss eines Festivals? Klingt einigermaßen geschmacklos. DasSchleswig-Holstein Musik Festival hat sein letztes Konzert tatsächlich in der Kieler Sparkassenarena mit der „Messa da Requiem“ von Verdi bestritten. Das Erstaunliche dabei: Trotz Klimaanlage, geräuschvoll zufallender Feuerschutztüren und quietschbunter Plastiksitze wurde es ein großer Abend.
Ministerpräsident Torsten Albig schlug zur Begrüßung einen Bogen vom Requiem zur allgegenwärtigen Not der Flüchtlinge, mündend in die Aufforderung: „Es ist eine große Aufgabe: aus denen, die heute noch fremde Flüchtlinge sind, Neubürger unseres Landes zu machen. Wer, wenn nicht wir, kann es schaffen?“ Klare Worte. Und Festivalintendant Christian Kuhnt erinnerte daran, dass nach dem Zweiten Weltkrieg auch ein Waisenkind in Schleswig-Holstein Zuflucht gefunden habe, nämlich Christoph Eschenbach, der das Konzert „den Opfern der Flüchtlingskatastrophe“ widme.
Dieser Eschenbach nun brachte mit seinem einzigartigen Gespür für Zeit in der Musik den nuanciertesten und ergreifendsten Verdi zum Klingen, den man sich nur wünschen kann. So leise wie das NDR Sinfonieorchester samt integriertem NDR Jugendsinfonieorchester die ersten Takte spielte, zart und deutlich zugleich, so leise kann nur ein sehr großes Orchester spielen.
Der überwiegend aus Laien rekrutierte Schleswig-Holstein Festival Chor war von Nicolas Fink so gut vorbereitet worden, dass er trotz der Distanzen kaum Abstimmungsprobleme hatte, klar artikulierte und überaus farbig zum Geschehen beitrug. Wenn die mehr als 200 Sänger zischend und flüsternd die Schrecken der Hölle beschworen, konnte einem schon mal unheimlich werden.
Man hat Verdis Requiem oft als seine letzte Oper verspottet. Doch seine Italianitá ist nicht per se oberflächlich, wie die vier Gesangssolisten vorführten. Die drehten ihre Opernstimmen bei Bedarf kräftig auf, fügten sich dann aber vorbildlich in die Ensembles ein. Der Bass René Pape stieß das „mors... mors... mors“ aus, dass es einem kalt den Rücken herunterlief; der weltweit gefeierte Piotr Bezcala führte seinen strahlenden Tenor etwas zu dauerstark vor; die Mezzosopranistin Sonia Ganassi mühte sich mit den tieferen Lagen, gestaltete aber immer überzeugender. Und die Sopranistin Erin Wall brachte es fertig, sich erst gegen das Tutti-fortissimo mit vollem Blech und Pauke zu behaupten und dann einen intimen Gebetston zu treffen.
Das Festival vermeldet unterdessen die stolze Zahl von 154.000 Besuchern. 2016 soll der Komponistenschwerpunkt Joseph Haydn gewidmet werden. Und wer weiß, vielleicht findet sich ja in dem meerumschlungenen Land eine der prächtigen alten Kirchen für ein Abschlusskonzert, dessen Rahmen der in ihr dargebotenen Musik zur Ehre gereicht.