Hamburg. Die Schauspielerin verkörpert am Ernst Deutsch Theater die Klytämnestra. Für Daniela Ziegler trifft der Begriff des Multitalents zu.

Trifft man Daniela Ziegler, fällt einem sofort auf, wie gerade und aufrecht sie geht. Das kennt man sonst nur von Tänzerinnen. Zur Begrüßung hört man ihre junge, volle Stimme. Diese Stimme ist gut trainiert und beatmet. So wie jeder Mensch Signale aussendet, die auf seine soziale Zugehörigkeit hinweisen, spricht alles Äußere an Daniela Ziegler fürs gehobene Bürgertum: das gepflegte Gesicht, die Haare, die manchmal eine Samtschleife zusammenhält, die gedeckten Farben der Kleidung, die Körpersprache. ­Daniela Ziegler wird seit Jahrzehnten als höhere Tochter, Grande Dame, ­Akademikerin oder Fürstin besetzt. Wie könnte es anders sein. Sie steuert dann eine Yacht, sitzt auf einem Schimmel, leitet ein Kloster, eine Praxis oder gleich einen ganzen Staat, streitet sich mit Erben, Ehemännern und übers Einkommen, trägt Pelz, spielt Pilcher oder verleiht jeder polizeilichen Befragung die nötige Prise an Undurchschaubarkeit.

Eine zweite Schauspielerin, die auf der Theaterbühne, als Musicaldarstellerin, im Film und beim Fernsehen gleichzeitig ähnliche Erfolge feiert wie Daniela Ziegler, gibt es im deutschen Sprachraum nicht. Für sie trifft wirklich der Begriff des Multitalents zu. Zuletzt gastierte sie in der Rolle der Erzherzogin Sophie mit dem Musical „Elisabeth“ zwei Monate in Shanghai. In dieser Woche steht sie wieder in Hamburg auf der Bühne. Im Ernst Deutsch Theater spielt sie in „Iphi­genie“ nach Goethe die Rolle der Klytämnestra, jene Gestalt aus der griechischen Mythologie, die auch eine Königstochter und Königsgattin war. Premiere ist am kommenden Donnerstag.

Theaterschauspielerinnen spielten in den 80er-Jahren selten in Musicals

Als Daniela Ziegler Ende der 70er- Jahre als junge Schauspielerin begann, war eine Karriere, wie sie sie dann gemacht hat, noch undenkbar. Ziegler war Bühnenschauspielerin. In Göttingen, Trier und am Hamburger Schauspielhaus spielte sie Dramen. „Ich wollte alle Rollen spielen, mit allen bekannten Regisseuren arbeiten. Aber nur auf der Bühne, nicht beim Film oder Fernsehen. Intendant Ivan Nagel, der mich 1978 ans Schauspielhaus engagiert hatte, hat meinen Vertrag völlig unerwartet nicht verlängert“, erzählt sie. „Ich habe mir dann Geld geliehen, bin nach New York und habe eine Musical-Ausbildung gemacht.“ Zack, einfach so.

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland spielte, sang und tanzte sie, wurde in Musicals, bei Film und Fernsehen besetzt. Theaterschauspielerinnen spielten damals selten im Fernsehen und schon gar nicht in Musicals. Das war eine andere Welt. „Ich war plötzlich verschrien, weil ich das machte“, erzählt Daniela Ziegler. „Ich galt als ‚Fernsehmaus’, die ‚auch noch singt’. Für die großen Theater war ich damit tabu. Die haben mich nicht mehr engagiert.“

Seit 1978 arbeitet sie frei. Das ist ein ungeheures Risiko. Welche Schauspielerin weiß schon, wie lange sie noch Rollenangebote bekommt? „Man muss ja Geld verdienen, abgesehen davon, dass man Kunst machen möchte“, sagt Daniela Ziegler. „Aber ich bin irgendwo dann doch ein Zocker, gehe aufs Risiko. Aber natürlich habe ich auch mal erlebt, wie es sich anfühlt, wenn man acht Monate hintereinander arbeitslos ist. Das kennen alle Schauspieler.“

Was ist es, das die eine Schauspielerin Erfolg haben lässt, die andere aber nicht? Talent? Fleiß? Glück? Daniela Ziegler weiß: „Begabung, Bühnenpräsenz und Persönlichkeit sind Voraussetzung im Schauspielberuf. Glück gehört aber auch dazu. Man muss zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute kennen und die richtigen Rollen bekommen. Ich musste ziemlich viel kämpfen, bin auch oft zurückgewiesen worden.“ Geklappt hat es dann aber doch mit dem Erfolg.

So wie es zum Schönsten im Schauspielerberuf zählt, Applaus zu bekommen, zählt es zum Schrecklichsten, vorzusprechen und abgewiesen zu werden. Wie steckt man diese Zurückweisung weg? „Einerseits soll man als Schauspieler durchlässig sein, andererseits soll man die Kraft und Stärke haben, mit solchen, auch zahlreichen Momenten der Ablehnung, fertig zu werden. Das ist immer wieder sehr, sehr schwer“, sagt Daniela Ziegler. „Es ist ja dann nicht wie Ablehnung eines Auftrags, den man schlecht erledigt hat. Man fühlt sich als gesamte Person abgelehnt, mit jeder Zelle. Dagegen kann man sich nicht wappnen.“ Vorsprechen kann Daniela Ziegler gar nicht: „Ich schäme mich dabei ganz furchtbar. Bin auch ganz schlecht, wenn ich jemandem etwas beweisen soll. Glücklicherweise bin ich immer von einer Rolle zur nächsten engagiert worden.“

Sie machte neben ihren zahllosen Film- und Fernsehrollen einen Senkrechtstart in fast allen großen Musicals in Deutschland. Bei Peter Zadek spielte sie in „Der blaue Engel“, sie war Eva Peron in „Evita“, Norma Desmond in „Sunset Boulevard“, sie spielte in „Sister Act“ die Mutter Oberin, die beiden Titelrollen in „Victor/Victoria“ und all dies immer über viele Monate in sieben Vorstellungen pro Woche. Neben ungeheurer Disziplin, einem straffen Fitness- und Stimmübungsprogramm und dem Rollenlernen heißt das auch, ein Leben aus dem Koffer zu führen. Über Jahre und Jahrzehnte, in Wien, in Hamburg, in München. In Berlin hat sie eine Wohnung in der Nähe des Kaiserdamms. „Fitnessübungen mache ich übrigens nur, wenn ich muss“, sagt sie, „ich bin eine faule Sau“. Kaum zu glauben bei dem Arbeitspensum. „Ich spiele alles gerne. Ich bekomme ja auch wahnsinnig viel zurück.“

Im Fernsehen wird Daniela Ziegler oft als Frau mit schwierigem Charakter besetzt

Einem Millionenpublikum bekannt geworden ist Daniela Ziegler vor allem durch ihre Fernsehrollen, etwa in „Der Fürst und das Mädchen“ neben Maximilian Schell oder „Dr. Schwarz und Dr. Martin“ neben Friedrich von Thun. Sie muss in diesen Rollen dann reiten, tauchen oder Golf spielen, was die Schönen und Reichen halt so treiben in ihrer Freizeit. In „Gegen den Wind“, zahllosen Rosamunde-Pilcher- Verfilmungen, in „Wolffs Revier“, „Unser Charlie“ oder in anderen Fernsehrollen wird sie oft als Karrierefrau mit schwierigem Charakter besetzt.

„Ich hätte gerne auch Frauen gespielt, die einer anderen sozialen Schicht als dem gehobenen Bürgertum oder dem Adel angehören“, sagt sie, „denn das fordert mich inzwischen nicht mehr genug. Ich würde mich gerne mal wieder in eine andere Welt hineindenken und -fühlen. Früher bekam ich gelegentlich noch solche Angebote. Der Vorteil an diesen Rollen ist aber, dass ich an den schönsten Drehorten der Welt sein kann, in Schlössern, am Meer, in Herrenhäusern. Selten bin ich die Sympathieträgerin. Aber wenn ich zwielichtige, gelegentlich auch durchtriebene Frauen darstellen soll, versuche ich, dass man sie versteht und will die Vielschichtigkeit ihres Charakters zeigen.“

Schauspieler wollen geliebt werden, vielleicht noch mehr als Menschen anderer Berufsgruppen. Schlimm wird es für sie, wenn man die Figuren, die sie spielen, mit ihrem eigenen Charakter verwechselt. Als „schwierig“ möchte Daniela Ziegler nämlich nicht gelten. „Ich bin keine schwierige Person“, sagt sie. „Aber ich lehne Sachen ab, von denen ich nicht überzeugt bin. Ich mache nichts unhinterfragt. Und pflegeleicht bin ich auch nicht. Ich habe für meine Rollen bestimmte Vorstellungen, ich bin perfektionistisch.“

Schon früh wollte Daniela Ziegler Schauspielerin werden. „Mein Lebenstraum hat sich erfüllt. Ich bin immer noch da, im Fernsehen, auf der Bühne und im Musical.“

„Iphigenie“ Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, Premiere Do 23.4., 19.30 Uhr, bis 29.5., Karten ab 20,- unter T. 22 70 14 20