Ende Februar betreut Stacy Denham die Werkstatt der Kreativität des Ballettzentrums im Ernst Deutsch Theater. Ein Probenbesuch.
Hamburg. Tiefe Stimme, breites Lachen, sportliche Statur, die schwarzen Locken zu einem Wuschel auf dem Kopf gebändigt. Vertrauenerweckend – das ist Stacey Denham. Eine Frau, auf die eher das Bild des Kumpels passt, mit dem man Pferde stehlen kann, als auf das einer zartgliedrig dahinschwebenden Ballerina. Selbst wenn die gebürtige New Yorkerin eine fundierte Ausbildung im klassischen Tanz genossen hat, sind ihre Bestimmung moderner Tanz und Tanz-Komposition, die sie als Ballettpädagogin an John Neumeiers Ballettzentrum lehrt. Zum dritten Mal betreut die Amerikanerin die Werkstatt der Kreativität mit 21 Jungchoreografen und 34 Tänzern, die als öffentliche Plattform bereits im sechsten Jahr vom 25. Februar bis zum 1. März im Ernst Deutsch Theater stattfindet.
Die Zeit nagender Selbstzweifel, das Schamgefühl, vielleicht etwas abzuliefern, das als lächerlich empfunden werden könnte, Angstattacken und tränenreiche Zusammenbrüche, die das Leben einiger der Schüler aus der Theaterklasse VIII überschatteten, sind offenbar überstanden. Im Ballettsaal herrscht während einer der Proben eine konzentriert entspannte Stimmung, derweil Stacey Denham sehr aufmerksam die Arbeiten vom 18-jährigen William Dugan und der gleichaltrigen Anyah Siddall verfolgt, ohne einzugreifen. Später wird sie Fragen stellen, Bewegungen und Körperhaltungen korrigieren, aber Geist und Struktur der Stücke nicht verändern.
„Ich erinnere mich genau meiner eigenen Anfänge beim Choreografieren, als ich Angst hatte, mich zu blamieren, wie peinlich es mir war, bestimmte Bewegungen zu machen, weil ich dachte, die seien einfach nur doof“, kann Stacey Denham sehr wohl nachempfinden, was in den jungen Kreativen vor sich geht, deren Arbeiten – sie dürfen nicht länger als zehn Minuten dauern und nicht mehr als acht Tänzer haben – Bestandteil ihres Diploms sind, bevor sie in die Berufswelt entlassen werden.
Moderner Tanz und Tanz-Komposition sind integraler Bestandteil der Ausbildung in den beiden Theaterklassen VII und VIII, um, wie Stacey Denham sagt, die Tänzer anzuhalten, „den eigenen Ideen Gestalt zu geben und eine individuelle Form des Ausdrucks zu finden“. Nicht nur das, die Diplomanden sind verantwortlich für Musik, Kostüme, Licht und Bühne.
Noch wird gefeilt und ausprobiert in kollegialem Austausch zwischen Choreografen und Tänzern. Auch das ist eine ganz wichtige Erfahrung, sich gegenseitig Respekt zu zollen, die eigenen Ideen überzeugend zu vermitteln,zu beobachten und die Vorschläge anderer anzunehmen. Das scheint bei einigen ein Problem gewesen zu sein, was William bestätigt: „Ich hatte am Anfang trouble mit meinen Tänzern, die mich ja bisher als Freund kannten, mich jetzt aber als Autorität respektieren sollen, die sagt, wie ich mir etwas vorstelle.“ Das klappt inzwischen bestens.
Die jungen Tänzer sollen auch in ihren Tagebuchaufzeichnungen ehrlich sein
Es gebe keinen richtigen und keinen falschen Weg, ermutigt Stacey Denham unermüdlich die jungen Kreativen, Selbstbewusstsein, eigenes Profil und Mut zu zeigen und ehrlich mit sich selbst zu sein. Auch in ihren Tagebuchaufzeichnungen. Eine Aufgabe die Stacey Denham am Anfang der Arbeit stellt, aber nicht kontrolliert.
„Der Weg ist das Ziel“, ist ihr Credo. Wo er sich allzu sehr an Vorbildern orientiert, in Sackgassen führt, oder in totale Ratlosigkeit, greift sie lenkend ein. „Ich habe überhaupt keine Idee“, hatte eine Schülerin geklagt, was Stacey Denham geradezu begeisterte. „Wunderbar. Das ist das Thema.“
Anyah Siddall und William Dugan aber hatten bereits in ihren Konzepten, die alle vorlegen müssen, bevor die eigentliche choreografische Arbeit beginnt, klare Vorstellungen: In Williams von Energie und vorwärtsdrängenden Impulsen strotzendem Stück lässt sich sein Charakterporträt erkennen, wo- hingegen Anyah schmerzliche, am Ende tröstliche Saiten anschlägt: Sie setzt sich mit dem langsamen Sterben eines an Krebs erkrankten Freundes ihrer Familie auseinander.
Ernst Deutsch Theater „Werkstatt der Kreativität“, Programm 1: 23. bis 25.2., Programm 2: 27.2. bis 1.3., alle 19.30, Karten zu 27 Euro, ermäßigt 13,50 Euro