Hamburg. Diktatorengattinen am Rande des Nervenzusammenbruchs zeigt Theresia Walsers Farce „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“.

„Müssen wir auch winken?“, fragt Leila Ben-Ali, Ehefrau des gestürzten tunesischen Diktators. Nein, sie würde nur von etwa 100 Journalisten erwartet, antwortet ihr der Dolmetscher. „Wo kein Volk ist, muss auch nicht gewunken werden“, bemerkt Imelda Marcos und wirft den Kopf mit ihrer hochgesteckten Betonfrisur in den Nacken.

Die Diktatorengattinnen sollen bei einer Pressekonferenz über die Verfilmungen ihres Lebens sprechen und bereiten sich hinter der Bühne auf den Auftritt vor. Auch Margot Honecker soll mit dabei ein, doch die DDR-Funktionärin ziert sich noch: „Ich bin noch nie von links nach rechts gegangen“, tönt sie aus dem Hintergrund. Dann stampft sie auf die Szenerie, im beigen Faltenrock, mit unmodischen Schnallenschuhen und einer braunen Ledertasche unter dem Arm (Kostüme: Sibylle Wallum). Sie ist das optische Gegenteil der aufgebrezelten Diven aus Nordafrika und von den Philippinen.

„Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel heißt das Stück von Theresia Walser, das Friederike Harmstorf für das Thalia Theater in der Garage der Gaußstraße inszeniert hat. Mit Patrycia Ziolkows­ka, Sandra Flubacher, Victoria Trauttmansdorff und Florian Anderer stehen ihr für diese Politkomödie ein paar der herausragenden Schauspieler des Thalia-Ensembles zur Verfügung. Aber die braucht man auch für das 2013 in Mannheim uraufgeführte Stück. Dieser Zickenkrieg ist allerbestes Schauspielerinnen-Theater. In 75 Minuten läuft ein giftiger Wettstreit zwischen den Frauen ab, die eigentlich alle auf dem Müllplatz der Geschichte gelandet sind, aber es nicht wahrhaben wollen. Dass Margot Honecker ihre Uhr nicht umstellen will, ist als Running Gag das Bild für diese Ewiggestrigen.

Walser lässt die drei Figuren nicht allein aufeinander los, sie hat einen Simultanübersetzer (Florian Anderer) dazwischengeschaltet. Er soll für die Kommunikation sorgen, in Wirklichkeit wird er zum Spielleiter dieser eitlen Selbstdarstellung. Er übersetzt sehr frei, verschlankt das Gesagte, kommentiert und interpretiert es. Er ist der Moderator des furiosen Abends, an dem die drei Schauspielerinnen ihrem Affen Zucker geben und zeigen können, wie gut sie im komödiantischen Fach sind. Anderer steht ihnen in nichts nach, wenn er sich später als Bub aus Jena zu erkennen gibt. Sächsischer Dialekt funktioniert auf Bühnen immer, er beherrscht das Idiom aus dem Effeff und erntet schallendes Gelächter. Bei seinem Urnen-Malheur quiekt und kreischt das Publikum vor Vergnügen.

Victoria von Trauttmansdorff spielt Margot Honecker als unverbesserliche Stalinistin. Mit leuchteten Augen erzählt sie von einem Bankett des russischen Diktators und wie er ihre Hand geküsst hat. „Ich konnte Stalins Atem spüren“, haucht sie verklärt und stachelt die Eifersucht von Imelda Marcos an, die Sandra Flubacher als arrogante Diktatorenwitwe spielt. „Mir hat Mao ein Gedicht gewidmet, und Castro hat mich in seiner Limousine herumgefahren“, trumpft sie auf. Margot kontert gelassen: „Der hat doch jeder Frau ein Gedicht auf den Hintern geschrieben.“ Leila Ben-Ali (Patrycia Ziolkowska) kann in diesem Wettstreit um die Gunst der Mächtigen nicht mithalten, sie bringt ihre eigenen Gedichte ins Spiel. Ätherisch und lasziv wandelt sie im altrosafarbenen Hosenanzug und auf High Heels über die Bühne und führt ihre an französischen Universitäten erlangte Bildung ins Feld. Von Marcos wird sie kurzerhand als „barbarische Beduinenschlampe“ abgekanzelt.

Nebenbei werden auch all die Gräueltaten erwähnt und schöngeredet, für die ihre Ehegatten verantwortlich waren. „Was kann ich dafür, wenn manche so blöd waren, über die Mauer zu klettern?“, fragt Honecker entrüstet. Marcos und Ben-Ali stehen der ehemaligen DDR-Ministerin in ihrer verqueren Weltsicht in nichts nach: Leila echauffiert sich über „ein groteskes holländisches Gericht“, vor dem ihr Mann wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt sei. Wenn sie darüber nachdenkt, dass „Araber keine Eiscreme hinbekommen“, Marcos sich über fehlende Blumen beklagt und Honecker immer wieder nach Cola verlangt, sind das weitere Beispiele für ein absurdes Ablenken von der Tyrannei, für die sie verantwortlich waren.

Die junge Regisseurin Friederike Harmstorf inszeniert Walsers Stück mit Tempo und pointiertem Witz und beschert dem Thalia eine Premiere, die zum Publikumsrenner werden könnte. Für diesen Abend ist die Garage eigentlich viel zu klein. Aber das schlichte Bühnenbild, das nur aus einer Sitzbank besteht (Bühne: Sammy Van den Heuvel), lässt sich mühelos in die größere Studiobühne in der Gaußstraße transportieren. Das Premierenpublikum ist von diesem Psychogramm der ehemals mächtigen Frauen restlos begeistert.

Weitere Aufführungen: 3., 15., 17. Mai