Wo Banken residierten, pulsiert künftig die Kultur. Der Umzug des Bucerius Kunst Forums an den Alten Wall sichert auch künftig Leihgaben aus dem Louvre, dem Prado und der National Gallery.

Hamburg. Wer am Alsterwanderweg über das Fleet direkt am Hamburger Rathaus blickt, braucht im Moment noch ziemlich viel Fantasie, um sich das alles vorzustellen. In den vergangenen Monaten haben Bagger die Gebäude auf dem historischen Areal am Alten Wall nach und nach abgerissen. Und die Schaufeln der Bagger graben sich zurzeit immer weiter in die Tiefe, sogar ein Parkhaus unter der Erde ist geplant. Früher, in der Nachkriegszeit, entstanden neben dem politischen Zentrum der Stadt vor allem Gebäude für Banken.

Bald aber soll die Kunst hier einen neuen Raum erhalten.

Deutlich größer und vor allem sehr viel großzügiger als bisher wird sich das Bucerius Kunst Forum künftig an dem Standort präsentieren. Nach Informationen des Abendblatts soll die Kulturinstitution in drei Jahren ihre Räume am Rathausmarkt 2 verlassen, um ein erweitertes Areal in der dann fertiggestellten Bucerius-Passage am Alten Wall zu beziehen.

Bauherr ist die Art Invest Real Estate Management GmbH, die den Gebäudekomplex zwischen Rathausmarkt und Adolphsbrücke, Alsterfleet und Alten Wall neu gestaltet. Das architektonische Konzept, das der Denkmalpflege, aber auch den modernen Anforderungen an eine Kunsthalle gerecht werden muss, stammt von dem renommierten Hamburger Büro von Gerkan, Marg und Partner (gmp).

Das von der „Zeit“-Stiftung getragene Bucerius Kunst Forum wurde 2002 eröffnet. Nun wird die Ausstellungshalle innerhalb des Gebäudekomplexes am Alten Wall nur um einige Meter verlagert. Für Frühjahr 2018 ist der Umzug von dem jetzigen Standort im 1918 errichteten neoklassizistischen Gebäude der ehemaligen Reichsbank am Rathausmarkt zum neuen Gebäudekomplex am Alten Wall geplant. Die Kunsthalle soll das kulturelles Herz des Neubaus werden.

Der neue Mietvertrag läuft 30 Jahre

Wer den Rathausinnenhof auf der Südwestseite verlässt, betritt nach der Überquerung des Alten Walls künftig die Bucerius-Passage, in der sich die Kulturinstitution sehr viel einladender als bisher präsentieren soll. Da der Mietvertrag eine Laufzeit von 30 Jahren hat, besteht für das Bucerius Kunst Forum eine langfristige Planungssicherheit. Die Gesamtfläche wird sich von heute 2500 auf 3400 Quadratmeter erhöhen, wobei die eigentliche Ausstellungsfläche sich nur geringfügig auf 800 Quadratmeter vergrößert.

„Die Fläche für die Ausstellungen bleibt nahezu gleich groß, weil das Konzept der fokussierten Ausstellungen hohe Anerkennung gefunden hat“, sagt Direktorin Ortrud Westheider, die allerdings als Vorzug hervorhebt, dass die Ausstellungen ab 2018 auf einer Etage präsentiert werden können. „Der Neubau gibt uns außerdem die Gelegenheit, neue Entwicklungen in der Licht- und Klimatechnik zu berücksichtigen. Das sichert uns auch künftig Leihgaben aus Museen wie dem Louvre, dem Prado und der National Gallery“, sagt Westheider.

Zu viele Besucher: Der Erfolg wurde zum Problem

Nach Meinung von Geschäftsführer Andreas Hoffmann werden sich vor allem Rahmenbedingungen und Aufenthaltsqualität für die Besucher verbessern. Statt der heute oft drangvollen Enge im Eingangs- und Veranstaltungsbereich wird das neue Auditorium mit Lichthof und Foyer auf 495 Quadratmeter großzügig erscheinen.

„Mit dem Umzug innerhalb des Gebäudes erhalten wir die einmalige Gelegenheit, unser umfangreiches Veranstaltungsprogramm mit Vorträgen, Literaturveranstaltungen und Konzerten in Zukunft auszubauen und das Konzept des Bucerius Kunst Forums als ein Forum für alle Künste weiterzuentwickeln. Mit den großzügigeren Foyer- und Servicebereichen werden wir noch besucherfreundlicher und können auf die so positive Besucherentwicklung der vergangenen Jahre in angemessener Weise reagieren“, sagt Hoffmann.

In den letzten Jahren hatte sich der Erfolg für das Bucerius Kunst Forum in räumlicher Hinsicht zugleich als Problem erwiesen. Während in der Anfangszeit jährlich etwa 140.000 Besucher kamen, erhöhte sich deren Zahl nach dem Umbau von 2008, in dem im ersten Obergeschoss ein zweiter Ausstellungsraum und das Ian-Karan-Auditorium hinzugekommen waren, auf etwa 200.000. Und dabei handelt es sich keineswegs nur um Ausstellungsbesucher, sondern auch um Teilnehmer der wöchentlich drei bis vier Lesungen, Konzerte, Diskussionen und Vorträge.

Die Tiefgarage ist technisch anspruchsvoll

Vor allem diesen Aspekt rückt Michael Göring, der Vorstandsvorsitzende der „Zeit“-Stiftung in den Vordergrund. „Ein neues Auditorium für die zahlreichen Begleitveranstaltungen zu den einzelnen Ausstellungen und für die Veranstaltungsreihen der Stiftung, eine neue Malschule, Shop und Gastronomie erhöhen die Attraktivität des Kunstforums“, sagt Göring und fügt hinzu: „Zwei offene, lichte Eingänge vom Alten Wall und über eine neue Fleetbrücke erleichtern den Zugang ebenso wie die Verbindung mit einer neuen Tiefgarage.“

Der Bau dieser fünfgeschossigen Tiefgarage, in der später auch die Wagen von Senat und Bürgerschaft geparkt werden können, ist nahe am Fleet eine technisch anspruchsvolle Aufgabe.

Aber Architekt Volkwin Marg, der bei gmp dieses Projekt leitet, hält sich nicht lange mit diesen technischen Fragen auf und kommt schnell auf Grundsätzliches zu sprechen. „Wir sehen das Projekt als City-Umbau, indem wir die alte Verbindung zwischen dem Passagenviertel und dem Rathaus wiederherstellen. Da wir eine neue Brücke über das Fleet schlagen, wird es möglich sein, vom Neuen Wall über die Alster zu flanieren, dann weiter durch die Bucerius Galerie und schließlich über den Alten Wall und den Rathausinnenhof mit dem Hygieia-Brunnen bis zum Großen Burstah“, sagt der Architekt, der in der Fassadengestaltung auf der Wasserseite die Kleinteiligkeit der Architektur mit zeitgemäßen Formen anklingen lässt, die es zu Beginn des 20. Jahrhunderts an diesem Ort gegeben hat.

Die Architekten müssen historische Fassaden integrieren

Bevor im Zuge der Entstehung der City die Banken hier einzogen, war der Alte Wall eine lebhafte Geschäftsstraße mit zahlreichen Läden. An diese Tradition soll die Neugestaltung des Quartiers anknüpfen.

Und doch wird mit dem Bucerius Kunst Forum eine Kulturinstitution das Herzstück bilden. Volkwin Marg ist davon überzeugt, dass dieses Konzept aufgeht und dazu führen wird, den Bereich zwischen dem politisch geprägten Rathausmarkt und der Adolphsbrücke nicht nur zu beleben, sondern auch kulturell zu akzentuieren.

Aber ist es für Architekten, die etwa in Asien gewohnt sind, anspruchsvolle Bauwerke als Solitäre oder gar ganze Stadtbereiche zu gestalten, nicht eine enorme Beschränkung, sich historisch gewachsenen Maßstäben anzupassen und sogar Fassaden aus dem frühen 20. Jahrhundert ins eigene Projekt einzubeziehen? Das sieht Volkwin Marg anders: „Das ist für uns keine Zumutung, sondern eine reizvolle Aufgabe“, sagt der Architekt, dessen Büro mit Projekten wie dem Hanse Viertel, dem Glasdach über dem Innenhof des Hamburg Museums, dem Augustinum oder dem Flughafen zahlreiche Akzente im Hamburger Stadtbild gesetzt hat.

„Es gibt keine schönere Herausforderung“, sagt Volkwin Marg, „als in einem vorhandenen städtebaulichen Zusammenhang eine Idee weiterzuentwickeln, vor allem wenn man dabei sogar noch in einem bisher dem Kommerz vorbehaltenen Bereich der Kultur Räume eröffnen kann.“