Der E-Book-Markt wächst nur langsam – das geht aus einer neuen Studie hervor. Die zeigt damit vor allem auch eines: Die Leser mögen es immer noch handfest und papieren
Hamburg. Das ganz neue Ding sind digitale Bücher schon lange nicht mehr, im Gegenteil: Sie gehören längst zum Alltag. Wer Bahn fährt oder Cafés besucht, dem sind die flachen Bildschirme vertraut, über die Augen mehr oder weniger gemächlich wandern – E-Books sind neben Smartphones und Tablets die Insignien der allerneuesten Technikmoderne. Wer allerdings glaubt, das Zeitalter der E-Reader sei angebrochen, der irrt. Gedruckte Bücher sind weiterhin wesentlich populärer als Literaturdateien auf schicken elektronischen Geräten. Das belegt eine Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, die jetzt vorliegt.
Nur 4,8 Prozent des Umsatzes im Buchgeschäft (ohne Schul- und Fachbücher) entfallen demnach auf E-Books – was zunächst einmal deutlich zeigt, dass die gefühlte Wahrheit von der Realität ein ganzes Stück entfernt ist. Events wie die Lange Nacht des E-Books, zu der kürzlich in Hamburg eingeladen wurde, sind in dieser Lesart vor allem PR-Veranstaltungen, die für einen Popularitätsschub sorgen sollen. Es scheint sich jedenfalls zu bestätigen, dass die Einschätzung vieler Buchprofis, die vor fünf Jahren ein eher langsames Wachstum voraussagten, richtig war. Von drei bis fünf Prozent war damals die Rede – interessant für die Branche ist allerdings vor allem, dass selbst der kleine Boom der E-Books erst einmal vorbei zu sein scheint. Die Zahl der E-Book-Leser wächst nämlich wesentlich langsamer als zuletzt. Die Steigerung gegenüber dem Vorjahreszeitraum liegt aktuell bei 8,7 Prozent – um ganz genau zu sein. Im Vergleich dazu wiederum lag die Steigerungsrate 2013 noch bei 62,6 Prozent.
Im Gesamtjahr 2013 lag der Anteil am Umsatz bei 3,9 Prozent, wie der Börsenverein vorrechnet; in dessen Erhebung wird die Zahl der E-Book-Käufer auf 3,3 Millionen beziffert. Etliche von ihnen leben in Hamburg, und ein Blick in die Hamburger Buchhandlungen zeigt, dass ihre Zahl wächst – mal mehr, mal weniger. „Wir haben im Vergleich zum Vorjahr derzeit ein Wachstum von bestimmt 200 Prozent“, sagt etwa Christiane Hoffmeister, die Inhaberin des Bücherecks Niendorf Nord. Trotzdem sei der Anteil am Gesamtumsatz nach wie vor gering – ähnlich sieht es in den Filialen der Buchhandlung Heymann aus, wie Unternehmenssprecher Harald Butz auf Abendblatt-Anfrage mitteilte. „Das Interesse ist da und steigt generationenübergreifend“, sagt Butz, „in den meisten unserer Buchhandlungen gibt es WLAN-Hotspots, an denen Kunden sich ihre Titel in elektronischer Form herunterladen können.“
Das Geschäftsmodell, E-Books nicht nur in zur Buchhandlung gehörenden Online-Shops, sondern auch stationär zu verkaufen, verbindet die virtuelle Welt mit der wirklichen – in den Regalen stöbern, am Bildschirm lesen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass der E-Book-Markt in Deutschland auch vor der aktuellen Verflachung der Anstiegskurve viel kleinere Dimensionen hatte als beispielsweise der in Amerika. Marktforscher stellten früh fest, dass hier – anders als in den angelsächsischen Ländern – ein Buch, das eben kein „Buch“ mehr ist, weniger leicht akzeptiert wird. Vielleicht weil ein gedruckter Roman eine andere Aura hat und auch phänotypisch seit Jahrhunderten ein Erfolgsprodukt ist – eines der bekanntesten Kulturobjekte überhaupt. Vor allem aber sind die Voraussetzungen völlig andere: In Deutschland gibt es anders als in Amerika eine Buchpreisbindung, und die gilt auch für E-Books. Das verringert die Bedeutung von Online-Kaufhäusern wie Amazon und sorgt im für Buchhandlungen optimalen Fall für eine bestimmte Anhänglichkeit – man hat dann gerade in Metropolen wie Hamburg, die über ein dichtes Netz an Geschäften verfügen, eben den Buchhändler seiner Wahl. Und der verführt durch die Inszenierung von Literatur in Schaufensterauslagen und ähnlichem gerne zu Gedrucktem – auf zahlenmäßig weiterhin hohem Niveau, zumindest in inhabergeführten Buchhandlungen, die anders als die Filialisten wie Weltbild, Hugendubel oder Thalia gegen die Konkurrenz im Internet bestehen können.
Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die Zahl der verkauften E-Books nicht kontinuierlich weiter steigt oder irgendwann schrumpft: Nachwachsende Generationen konsumieren und rezipieren konsequent im Internet und an Bildschirmen. Außerdem liegen die Vorteile des E-Readers auf der Hand. Er ist ein schmales Behältnis für ganz viel Inhalt – und gerade von Urlaubern oder Vielreisenden erfolgreich erprobt.
„Kunden, die E-Books kaufen, kaufen gleichzeitig auch gedruckte Bücher – weil sie zu Hause lieber ein ‚echtes‘ Buch in der Hand halten“, sagt die Niendorfer Buchhändlerin Hoffmeister.
So oder so ist ein Medienwandel, der nicht allzu schnell vonstatten geht, von Vorteil für Verlage und Verkäufer: Sie können sich darauf einstellen.